Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Pavian-Tötung Schnellschuss? Kommunikation des Tiergartens wirft Fragen auf

Der Tiergarten Nürnberg tötet zwölf seiner Paviane. Die Diskussion wird hitziger. Die Kommunikationsstrategie der Verantwortlichen wirft Fragen auf. Hätte es besser laufen können?
Jetzt ist es tatsächlich geschehen: Der Tiergarten Nürnberg hat am Dienstag zwölf seiner gesunden Paviane erschossen – aus Kapazitätsgründen. Der gesamte Tiergarten blieb geschlossen. Das Medienecho war riesig, im Internet herrscht Unverständnis und vor Ort protestieren Tieraktivisten. Als diese das Gelände stürmen, werden rund zehn Menschen festgenommen. Auch gegen den Tiergarten werde eine Strafanzeige geprüft. Aus Sicht von Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen verstößt die Tötung der Affen gegen das Tierschutzgesetz.
Angesichts all dieser Ereignisse stellt sich die Frage: Haben die Verantwortlichen des Tiergartens diesen so umstrittenen Schritt im Vorfeld überhaupt richtig kommuniziert?

Das war kein Schnellschuss
Vor anderthalb Jahren hat der Tiergartenchef seine Gedanken öffentlich gemacht, womöglich hat er schon seit Jahren darüber gegrübelt: Er will Paviane für den Artenschutz töten. Das mögen manche nachvollziehen können oder andere wiederum nicht. Aber eines kann man der Leitung gewiss nicht vorwerfen: mangelhafte Kommunikation.
Das Gegenteil ist der Fall, die Verantwortlichen haben transparent gehandelt und damit den Zorn der Öffentlichkeit, der Tierschützer und des Mobs im Netz auf sich gezogen. Anderthalb Jahre hat Zoodirektor Dag Encke selbst Interviews dazu gegeben, kritische Fragen beantwortet – auch wenn sie zum zehnten Mal gestellt wurden – und zuletzt sogar vor laufender TV-Kamera gesagt, dass die Paviane wohl per Kugelschuss getötet werden.
Wohl wissend, dass das Echo von manchen vernichtend ausfallen wird. Dass das die Proteste gegen die Tötung der Paviane nur noch weiter anstacheln wird. Und vermutlich auch im Wissen darum, dass die Drohungen gegen seine Mitarbeiter und gegen ihn selbst dadurch noch aggressiver werden. All das hat der Tiergarten für Transparenz in Kauf genommen, das war wichtig und richtig.
Genauso richtig ist es, dass der Zoo an dem Tag, an dem ein Teil der Paviane erschossen wurde, geschlossen blieb. Das ist kein Kommunikationsversagen, sondern ein Ergebnis davon, dass manche Kritiker längst den Boden des normalen Diskurses verlassen haben.
Hätte man den Tag vorab kommuniziert, ja sogar Besucher in den Zoo gelassen, hätten die Mitarbeiter wohl um ihr Leben fürchten müssen.

Tiergarten will transparent sein – und macht's nur schlimmer
Der Tiergarten Nürnberg ist an seinen eigenen hohen Anforderungen gescheitert. Was die Kommunikation der Pavian-Tötung betrifft, wollten die Chefs transparent sein, sie wollten aufklären. Das gelang ihnen im Vorfeld auch. Am Tag des Geschehens allerdings versagte diese Strategie. Da, wo sie am nötigsten gewesen wäre: Erst kurz vor der Öffnung kam die Nachricht, dass der Tiergarten geschlossen bleibt – aus "betrieblichen Gründen".
Ein außergewöhnliches Ereignis bei einem Betrieb, der sich sonst damit brüstet, 365 Tage im Jahr geöffnet zu haben. Und das ausgerechnet an einem Sommertag vor den Ferien, wo normalerweise Schüler und Kita-Gruppen das Gelände stürmen.
Stattdessen: weinende Kinder, ratlose Schulklassen, wütende Aktivisten. Vor ihnen eine Armada an Polizei und Security-Mitarbeitern. Ein einzelner Mitarbeiter des Tiergartens wurde als Ansprechpartner am Morgen vor die Tore gestellt und der konnte oder wollte nichts zur Sache sagen. Der Tiergarten mauerte, der Direktor abgetaucht. Keine Spur mehr von Transparenz und Aufklärung.
Dabei war längst klar, was drinnen geschieht – dass da gerade Guinea-Paviane sterben. Erst am Abend gab es eine Pressekonferenz. Viel zu spät.
In nur wenigen Stunden wurde kommunikativ zerstört, was zuvor über Monate vorbildlich gelaufen war. Da regte sich erst recht der Widerstand, es heizte die Stimmung weiter an. Was hätte man besser machen können? Der Direktor hätte gerade in diesem Moment ansprechbar sein sollen. Oder er hätte die Paviane außerhalb der Öffnungszeiten töten lassen können. Und er hätte das dann sofort kommunizieren können. So wirkte das Ganze getrieben. Und der Eindruck bleibt, dass die Verantwortlichen am Ende in ihrer Standhaftigkeit doch noch eingeknickt sind. Vielleicht funktioniert die Kommunikation beim nächsten Mal besser. Denn dass es ein nächstes Mal gibt, ist so gut wie sicher. Wenn nicht in Nürnberg, dann anderswo.
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