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Stuttgart: Wie ein Gastronom seinen Lageristen vor der Abschiebung rettete


Er war bereits am Flughafen
Gastronom rettet Lagerist vor Abschiebung – "wie im Film"


11.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Im Varieté ist die Freude groß: Ein Kollege, der abgeschoben werden sollte und schon zum Flughafen gebracht wurde, darf bleiben.Vergrößern des Bildes
Im Varieté ist die Freude groß: Ein Kollege, der abgeschoben werden sollte und schon zum Flughafen gebracht wurde, darf bleiben. (Quelle: imago stock&people)

"Sein Fehler ist, dass er keinen psychischen Schaden hat": Ein Gastronom aus Stuttgart hat erfolgreich für seinen nigerianischen Mitarbeiter gekämpft. Er spricht von einem Skandal.

Es war ein Schock für Michael Schmücker, dem Gastronom des Friedrichsbau Varieté in Stuttgart. Am Mittwochmorgen um sechs Uhr wurde sein Lagerist Felix O. von der Polizei aus dem Bett geholt und zum Flughafen gebracht, um ihn nach Nigeria abzuschieben. "Es ist unglaublich und skandalös", schrieb Schmücker danach in den sozialen Medien. "Ein Mann, den wir seit zwei Jahren geschult haben, unser Lager zu führen, Veranstaltungen auf- und abzubauen, Lkws zu laden, Equipment zu pflegen. Ein tadelloser Mitarbeiter, der unabhängig von jeder Behörde seinen Lebensunterhalt bestreitet. Pünktlich, 100% zuverlässig, pflichtbewusst, engagiert, von Gästen und Mitarbeitern persönlich sehr geschätzt."

Der 27 Jahre alte Felix O. war aus Nigeria nach Deutschland geflohen. Sein Asylantrag wurde jedoch abgelehnt, und er erhielt nur eine Duldung, die regelmäßig verlängert werden musste. Schmücker bot ihm eine Stelle als Lagerist an und unterstützte ihn bei der Integration.

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Er habe sich hier ein neues Leben aufgebaut, sei ein Teil der Firma. Zynisch schreibt Schmücker auf Facebook: "Seine Fehler sind, dass er für sich selber aufkommen kann, nicht gewalttätig ist, keinen psychischen oder physischen Schaden hat, nicht drogenabhängig ist und Bock auf Lernen und Arbeiten hat."

Abschiebung in Stuttgart: "Die Strategie von Hirnlosen"

Auf Facebook gibt es sofort Solidarität für den Westafrikaner. Unter dem Beitrag von Schmücker berichten Unternehmer von ähnlichen Erfahrungen. "Das ist genau die Strategie von Hirnlosen. Die, die ordentlich sind, werden abgeschoben und es wird vorher nicht gefragt, um wen es geht und was er macht für unsere Gesellschaft. Ich bekomme solche Dinge auch immer wieder mit beim Handwerk", schreibt ein User.

Eine Frau kommentiert wütend: "Es ist nicht zu fassen, da ist ein junger Mann, der bereit ist, sich zu integrieren und zur wirtschaftlichen Leistung beizutragen und damit zu der Minderheit der Geflüchteten zählt, und der soll abgeschoben werden. Wir haben so viele im Land, die weder unsere Sprache lernen noch etwas in unsere sozialen Systeme einbringen wollen, die erhalten Leistungen, von denen viele in Deutschland nur träumen können."

Gastronom: "Bewerber waren alkoholisiert"

Gastronom Schmücker sagt, dass er vor Felix O. vergeblich versucht habe, eine weitere Stelle als Logistiker zu besetzen. Er habe beim Arbeitsamt, auf diversen Fachportalen und online Anzeigen geschaltet, aber nur vier Bewerbungen erhalten, von denen zwei nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen seien. Ein weiterer sei alkoholisiert gekommen und der letzte habe das Gehalt eines Fachanwalts für Strafrecht verlangt. "Wo bitte sind wir hier?", fragt Schmücker. "Wie sollen wir jetzt die gebuchten Veranstaltungen im Dezember durchführen? Wer ersetzt uns diesen Schaden? Und wer bitte hilft diesem traumatisierten jungen Mann?"

Schmücker gab nicht auf und kämpfte für seinen Mitarbeiter. Er wandte sich an die Öffentlichkeit, an Politiker und an eine Anwaltskanzlei. Er erreichte, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart sich mit dem Fall per Eilantrag befasste.

Am Flughafen: Dramatische Rettung in letzter Minute

"Was dann passiert, hört sich an wie aus einem Film", schildern die "Stuttgarter Nachrichten": Um 11.10 Uhr sollte das Flugzeug starten, um 10.49 Uhr hat das Gericht dem Antrag stattgegeben. Felix O. saß zu diesem Zeitpunkt nach Darstellung der Zeitung bereits im Gate des Frankfurter Flughafens. "Kurz bevor er einsteigen sollte, holen ihn die Beamten zurück", heißt es in dem Bericht. Die Richter entschieden demnach, dass Felix O. in Deutschland bleiben darf, seine Duldung also verlängert wird.

Schmücker war überglücklich, als er die Nachricht erhielt: "Kämpfen mit legalen Mitteln lohnt sich!!! Felix ist wieder frei", berichtet er auf seinem Facebook-Profil. "Und jetzt kriegt er erst mal was Gescheites zum Essen", fügt er hinzu.

Der Fall von Felix O. hat auch politische Reaktionen ausgelöst. Der Stuttgarter Landtagsabgeordnete Friedrich Haag (FDP) will das Thema laut "Stuttgarter Zeitung" im Landtag zur Sprache bringen. Seine Forderung: Bei strenger Abschiebungspflicht von abgelehnten Asylbewerbern müsse es immer Ausnahmen geben für Beschäftigte, die für die deutsche Wirtschaft wichtig seien.

Verwendete Quellen
  • facebook.com: Profil von Michael Schmücker
  • stuttgarter-nachrichten.de: "Wirt kämpft um seinen Logistiker aus Nigeria"
  • stuttgarter-zeitung.de: "Große Freude im Varieté über die Rückkehr des Kollegen"
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