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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wilde Gerüchte in der Formel 1 Die Situation hat sich radikal verändert

Heuert Christian Horner nach seinem abrupten Aus bei Red Bull nun ausgerechnet bei einem großen Konkurrenten an? Die Spekulationen halten sich hartnäckig – aus verschiedenen Gründen.
Ein Blick auf die nackten Zahlen reicht: Acht Fahrer-Weltmeisterschaften (je vier für Sebastian Vettel und Max Verstappen), sechs Konstrukteurstitel, 124 Grand-Prix-Siege hat Red Bull unter der 20-jährigen Ägide des just geschassten Teamchefs Christian Horner in der Formel 1 eingefahren.
Kein Wunder also, dass der Brite quasi unverzüglich nach der Bekanntgabe seines Abschieds vom österreichischen Rennstall aus Fuschl am See direkt weiter südlich gehandelt wird: Im italienischen Maranello, bei Ferrari. Denn das Traditionsteam, das schon aus dem eigenen Selbstverständnis heraus eigentlich jedes Jahr mindestens um den prestigeträchtigen Fahrertitel mitkämpfen müsste, kam in derselben Zeit nur auf einen WM-Titel, zwei Konstrukteursweltmeisterschaften und 65 Rennsiege – und hat dabei auch noch fünf Teamchefs verschlissen.
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Und auch aktuell strauchelt die Scuderia. Die durch die spektakuläre Verpflichtung von Lewis Hamilton vor der Saison entstandene Euphorie ist spätestens nach zwölf Rennen endgültig verflogen: Ein zweiter Platz und drei dritte Ränge für Charles Leclerc, Platz drei im Sprint von Miami für Hamilton – zu mehr war das Team nicht imstande. Den hohen Erwartungen läuft man nur weit hinterher, trotz aktuell Platz zwei mit 222 Punkten in der Konstrukteurswertung – allerdings mit satten 238 Zählern Rückstand auf McLaren.
Kommt es zum spektakulären Wechsel: Horner, lange der Hauptwidersacher als Red-Bull-Teamchef, am Kommandostand von Ferrari? Es würde die Formel 1 endgültig auf den Kopf stellen.
Die Gerüchte sind nicht neu. Noch am Rande des Grand Prix von Montréal in Kanada Mitte Juni hatte Horner angesichts anhaltender Spekulationen um einen Wechsel zur Scuderia im Gespräch mit Ex-Fahrer und TV-Reporter Martin Brundle betont: "Martin, du kennst dieses Geschäft und das Fahrerlager. Es gibt immer so viele Gerüchte." Zuvor war vermeldet worden, Horner sei von Ferrari-Präsident John Elkann kontaktiert worden.
Bei Ferrari kriselt es weiter
Mehr noch: Horner sagte, er gehe "nirgendwohin" und sei "voll und ganz Red Bull verpflichtet" – und wich damit der Frage aus, ob er denn nun mit Ferrari gesprochen habe oder nicht. "Natürlich ist es immer schmeichelhaft, mit anderen Teams in Verbindung gebracht zu werden, besonders mit Teams wie Ferrari“, ließ sich der Brite immerhin noch entlocken.
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Fakt ist: Einen knappen Monat später hat sich die Situation radikal verändert. Horner wäre nun zu haben – und bei Ferrari kriselt es noch immer arg.
"Ich habe echt die Nase voll" hatte Leclerc noch nach dem Qualifying zum Großen Preis von Großbritannien in Silverstone letzte Woche geklagt. Auch Hamilton wirkte in Teamfunk und Interviews über die Saison hinweg ein ums andere Mal zerknirscht und enttäuscht von der Erkenntnis, dass Ferrari in der Spitze aktuell nicht mithalten kann. Dabei wollte der 40-Jährige im roten Auto nochmals den alleinigen WM-Rekord mit Titel Nummer acht ins Visier nehmen.
"Ich verstehe die Reaktion von Charles", sagte Ferrari-Teamchef Fred Vasseur nach der Kritik seines Fahrers. "Es war nicht so, dass der sechste Startplatz eine Katastrophe war, aber wenn man in Q2 und im freien Training Erster ist und dann am Ende nur Sechster wird, dann ist es normal, enttäuscht zu sein."
Vasseur, seit Januar 2023 im Amt, gibt sich Mühe, das Team zusammenzuhalten. Denn er selbst wackelt zunehmend – und reagierte bereits gereizt auf kritische Berichte zu seiner Führung des Rennstalls. "Was da teilweise geschrieben wird, das ist respektlos für unsere Mannschaft, und ich verstehe es nicht", entfuhr es dem Franzosen am Rande des Rennens in Montréal vor wenigen Wochen. "Wenn es nur darum geht, Mist zu verbreiten, dann ist das nicht zielführend, was uns angeht. Denn wir sind hier nun in Kanada, und seit Anfang der Woche reden wir von nichts Anderem. Wenn das ihr Ziel war, dann haben sie es erreicht."
Überhaupt: Horner und Ferrari – kann das funktionieren?
Denn der Brite und sein Landsmann Hamilton pflegten als Kontrahenten bei Red Bull und Mercedes eine jahrelange öffentliche Feindschaft, tauschten immer wieder Spitzen aus. Fraglich, ob sich die beiden Größen der "Königsklasse" nun in einem Team zusammenraufen könnten – aber nicht unmöglich: Sowohl Horner als auch Hamilton gelten als absolute Profis, die dem Erfolg auch persönliche Antipathien unterordnen. Auch in Zusammenhang mit Vorwürfen ungemessenen Verhaltens gegenüber einer Team-Mitarbeiterin, über die Horner 2024 fast gestolpert wäre, äußerte sich Hamilton kritisch über den 51-Jährigen.
Ob sich Ferrari also letztlich die abseits vom Sportlichen nicht unproblematische Personalie Horner zumuten will? Immerhin: Den Skandal im letzten Jahr saß er gewissermaßen aus. Und er konnte auch den schwelenden Konflikt mit dem mächtigen Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko und Verstappen-Vater Jos zumindest zeitweise befrieden. Die Affäre gilt mittlerweile als ausgestanden – worauf sich auch die Scuderia stützen könnte.
Ferrari-CEO Benedetto Vigna vermied zuletzt zumindest ein klares Bekenntnis zu Vasseur und einer möglichen Verlängerung des Vertrags des 57-Jährigen, der nach der laufenden Saison endet: "Fred ist unser Teamchef, es ist Juli und wir sind in positiven Gesprächen. Es besteht gegenseitiges Vertrauen, und wir haben Zeit." Zeit, in der im Hintergrund mit Horner gesprochen wird?
- de.motorsport.com: Horner weicht Frage nach angeblichem Treffen mit Ferrari-Chef John Elkann aus
- speedweek.com: Ferrari ohne Fred Vasseur? Das sagt Ferrari-CEO Vigna
- speedweek.com: Fred Vasseur (Ferrari): Reaktion auf Leclerc-Frust