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"Markus Lanz" zur WM in Katar: Darf man das Turnier eigentlich gucken?


Katar-Talk bei "Lanz"
Darf man diese WM eigentlich gucken?

Von Markus Brandstetter

Aktualisiert am 20.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Marcel Reif (Archivbild): "Ich freue mich auf den Fußball, den ich sehen werde".Vergrößern des Bildes
Marcel Reif (Archivbild): "Ich freue mich auf den Fußball, den ich sehen werde". (Quelle: Michael Weber/imago-images-bilder)

Welche gesellschaftlichen und politischen Implikationen hat die WM – und machen wir uns mitschuldig? Bei "Markus Lanz" sind die Gäste sich nicht einig.

In einem Monat beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Seit der Vergabe im Jahr 2010 steht die Veranstaltung im Kreuzfeuer der Kritik. Diese Kritik bezieht sich einerseits auf die Vergabe an sich – aber auch auf die gesellschaftlichen Missstände in Katar. Kann man eine WM im Zeichen von Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutungen von Arbeitern und vermeintlicher Korruption überhaupt genießen? Darüber war sich die Talkrunde bei "Markus Lanz" nicht ganz einig.

Die Gäste

  • Marcel Reif, Fußballkommentator
  • Sebastian Sons, Islamwissenschaftler
  • Andreas Rettig, Fußballfunktionär
  • Lena Cassel, Sportjournalistin

Rettig: "Es wurde Korruption ruchbar"

Besonders Fußballfunktionär Andreas Rettig übte an diesem Abend Fundamentalkritik an der WM. "Der Vergabeprozess, da ist Katar nur bedingt schuldig. Der Hauptprotest richtet sich gegen die FIFA, um das klar zu sagen".

22 Herren, die heute zu einem guten Drittel im Gefängnis sitzen, hätten über die WM entschieden. "Der Frust richtet sich auf dieses System und diesen Vergabeprozess, weil jeder wusste: Es war die schlechteste Bewerbung. Die Expertenkommission hat Katar die Platzreife nicht zugesprochen. Es wurde ruchbar, dass Korruption im Spiel war", so Rettig. "Die FIFA ist der Hauptschuldige, weil sie es versäumt hat, keine Menschenrechtsvorgaben in die Bewerbung mit aufzunehmen. Das war der kapitale Fehler".

Von den anwesenden Gästen gab es einen, der erklärte, tatsächlich zur WM nach Katar zu reisen: Islamwissenschaftler Sebastian Sons. "Ich werde hinfahren – einfach, weil ich mich seit vielen Jahren mit der Region beschäftige", erklärte er. Die Spiele ansehen wollen indes die meisten Gäste.

Sportmoderator Marcel Reif, der an diesem Abend die Kritik an der WM eher relativierte, erklärte: "Ich freue mich auf den Fußball, den ich sehen werde". Rettig hingegen sprach davon, die Spiele nicht anschauen zu wollen – mit der Ausnahme von Spielen der deutschen Nationalmannschaft, was Lanz süffisant kommentierte.

Marcel Reif: "Die persönliche Entscheidung eines jeden"

Aber wie soll man nun mit der WM eigentlich umgehen? Sportjournalistin Lena Cassel erklärte: "Man sollte das Ganze nicht moralisch verfrachten und auf den Endkonsumenten abwälzen". Sie selbst wolle einen "lauten Protest" machen: "Wegsehen ist mir zu wenig". Der Protest der vergangenen Monate habe dazu geführt, dass Missstände sichtbar gemacht wurden. "Das ist eine persönliche Entscheidung eines jeden", meinte Reif hingegen.

Eine der weiteren Fragen an diesem Abend war: Kann die Weltmeisterschaft vielleicht positive Entwicklungen in Katar hervorrufen? Für Rettig lautete die Antwort ganz klar: Nein. "Mir ist kein sportliches Großereignis bekannt, das am Ende gesellschaftliche Missstände abgestellt hat oder durch das es zu Verbesserungen gekommen ist. Es gibt ja dieses Deckmäntelchen: Durch die WM wird etwas passieren. Was soll denn bitte passieren?"

Sons: "Man spricht der arabischen-muslimischen Welt ab, Teil der Fußballwelt zu sein"

Islamwissenschaftler Sons versuchte, einen Überblick über die Lage in Katar zu geben. "Die Frage, wie viele [Arbeiter] gestorben sind, lässt sich nicht seriös beantworten. Es sind Zahlen, die von den katarschen Behörden herausgegeben werden". Der "Guardian" habe von 15.000 Toten zwischen 2010 und 2019 berichtet.

Sons ging auch auf das Kafala-System ein, das quasi die Vormundschaft über das Leben von Arbeitern ermöglicht. "Wir sprechen von Arbeitsausbeutung, von einem globalen Phänomen. Es geht darum, dass sich diese Menschen bei kriminellen Rekrutierungsorganisationen verschulden, die sie erst nach Katar bringen." Dies werde als Sklavensystem bezeichnet, das es durchaus zu boykottieren gelte. Andererseits, erklärte er. "Man spricht der arabischen-muslimischen Welt ab, Teil der Fußballwelt zu sein".

Allerdings habe die WM in Katar durchaus im Vorfeld zu einigen Veränderungen geführt: "Katar hat, was die Situation der Arbeitsmigranten und des Arbeitsschutzes angeht, bestimmte gesetzliche Regelungen erlassen, die – so sagt das auch Katar selbst – in der Region Pionierarbeit sind. Das bedeutet, dass der Mindestlohn angehoben wurde, dass Inspektionen verbessert wurden", so der Islamwissenschaftler – woraufhin Rettig einwandte, dass der Mindestlohn in Katar 2,55 Euro betrage.

Reif: Jeder Verbesserungsschritt ist mir recht

Marcel Reif erklärte, die Entwicklungen pragmatisch-optimistisch zu sehen. "Die reine Lehre würde lauten: Katar kriegt die WM und von da an werden sie allen unseren Standards entsprechen müssen. Ich denke, es wird eher schrittweise gehen. Ich möchte jede Möglichkeit nutzen, dass es allen Menschen besser geht. Den Arbeitsmigranten, aber auch den Menschen in Katar, Frauen, Homosexuellen. Jeder Schritt ist mir recht."

Dass die Airline von Katar einer der Sponsoren des FC Bayern München ist, wurde an diesem Abend ebenfalls thematisiert. Cassel sieht darin einen Widerspruch: "Auf der einen Seite Katar Airways als Sponsor zu haben, wohlwissend, dass Homosexualität dort unter Strafe steht. Und auf der anderen Seite beim CSD in München mit einem Wägelchen losziehen oder die Allianz-Arena in Regenbogenfarben illuminieren."

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Markus Lanz" vom 19.10.2022
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