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Ironman-Weltmeisterin Anne Haug: "Da fackeln einem die Füße weg"


"Da fackeln einem die Füße weg"

  • Saskia Leidinger
Von Saskia Leidinger

12.10.2020Lesedauer: 5 Min.
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Anne Haug beim Zieleinlauf: Erst 2017 ist die Triathletin auf die Langdistanz gewechselt.Vergrößern des Bildes
Anne Haug beim Zieleinlauf: Erst 2017 ist die Triathletin auf die Langdistanz gewechselt. (Quelle: imago-images-bilder)

Als erste Deutsche gewann Anne Haug den berühmten Ironman auf Hawaii. Im Interview erzählt sie, warum sie im Training fünf Stunden auf eine Wand starrt und gewinnen manchmal hart ist.

Am 12. Oktober 2019 schrieb Anne Haug Geschichte. Als erste Deutsche wurde sie Ironman-Weltmeisterin: nach 3,862 km Schwimmen, 180,246 km Radfahren und 42,195 km Laufen. Dabei lag die Führende Lucy Charles-Barclay nach dem Radfahren acht Minuten vor ihr. Doch Kilometer für Kilometer arbeitete sich Anne Haug heran und überholte die Engländerin schließlich bei Marathon-Kilometer 25.

t-online: Wenn Sie sich zurückerinnern an die letzten Meter vor der Ziellinie, was gingen ihnen durch den Kopf?

Anne Haug (37): Ich war erleichtert und überwältigt. Es sind so viele Eindrücke, die man gar nicht alle wahrnehmen kann. In dem Moment gehen alle Träume in Erfüllung, auf die man hingearbeitet hat. Das war wie die Sahne auf dem Kuchen. Aber das Faszinierende am Ironman ist ja, dass es primär egal ist, welchen Platz du hast. Einfach das Ziel zu erreichen, ist schon so wahnsinnig befreiend und erleichternd, weil es nicht selbstverständlich ist. Es ist eine lange Distanz und da kann so viel passieren, da darf man wirklich keine Fehler machen.

Hatten Sie zwischendurch den Gedanken, Sie könnten das Rennen gewinnen?

Ich versuche, so etwas eigentlich zu vermeiden, weil ich weiß, dass Ironman wirklich ein Biest. Man kann sich gut fühlen und von einer Minute auf die andere kann man sich richtig übelst fühlen. 2018 habe ich mich echt bis Kilometer 41 richtig gut gefühlt, doch beim letzten Kilometer habe ich gedacht, ich werde gleich ohnmächtig, ich schaffe es nimmer ins Ziel. Erst wenn man auf Hawaii die Ziellinie sieht, kann man sich vielleicht freuen, oder denken ok, jetzt habe ich es gepackt haben, aber bis dahin kann wirklich alles passieren.

Anne Haug auf dem Triathlonrad: Mehr als 180 Kilometer geht es über den Highway.
Anne Haug auf dem Triathlonrad: Mehr als 180 Kilometer geht es über den Highway. (Quelle: Frank Hau/imago-images-bilder)


Anne Haug hat in München Sportwissenschaft studiert. Zunächst startete die 37-Jährige auf der deutlich kürzeren olympischen Distanz und wurde 2013 mit der Mannschaft Weltmeisterin. Doch bei dem olympischen Spielen 2016 in Rio lag sie schon nach dem Schwimmen weit abgeschlagen hinter der Konkurrenz. 2017 wechselte sie deshalb auf die Langdistanz. Ein Jahr später kam sie als Dritte ins Ziel.

Ihre Konkurrentin Lucy Charles-Barclay war beim Schwimmen fünf Minuten schneller und drei Minuten schneller beim Radfahren. Am Ende haben Sie sie beim Laufen überholt und waren sechs Minuten vor ihr im Ziel. Was hat Sie so beflügelt?

Da ich von der Kurzdistanz komme, habe ich immer den Drang, andere einzuholen. Aber da ist man im Ironman ganz schlecht beraten. Von daher habe ich an gar nichts gedacht außer an mich selbst. Ich habe versucht, meinen Rhythmus zu finden, mein Tempo zu finden. Einfach das aus mir herausholen, was im Tank ist und auch als ich sie dann überholt habe, mich nicht zu früh zu freuen, sondern einfach konzentriert weiterzuarbeiten. Denn es ist nach 42,195 Kilometer zu Ende und nicht vorher.

Was haben Sie zu ihr gesagt, als Sie an ihr vorbeigingen?

Ich habe gesagt "Well Done. Keep on Fighting", mach weiter und super gemacht. Gerade Lucy ist eigentlich die ehrlichste Athletin von uns, denn sie macht im Rennen alles allein. Sie schwimmt vorne weg, sie radelt den ganzen Weg vorne weg. Wir hinten haben immer Leute, an denen wir uns orientieren können. Sie ist jetzt zum dritten Mal Zweite auf Hawaii geworden und in dem Moment weißt du, du zerstört gerade ihren Traum, den sie auch verdient hätte. Das ist einfach hart und deswegen zollt man sich da schon Respekt.

Auf Hawaii gibt es eine Teilstrecke, die heißt "Natural Energy Lab". Warum ist dieser Part des Rennens so berüchtigt?

Das "Energy Lab" ist der Part, wo es nicht nur heiß, sondern superheiß ist. Ich glaube, zehn Zentimeter über dem Boden wurden 65 Grad gemessen, da fackeln dir die Füße weg. Dann kommt hinzu, es ist eine kritische Kilometerzahl. Du läufst bei Kilometer 18 rein und läufst und bei etwa Kilometer 25 wieder raus und hier bekommen viele einen Knacks. Zudem läuft man erst lange bergab und dann muss man natürlich den ganzen Berg wieder hoch. Der Marathon auf Hawaii hat 800 Höhenmeter. Auf der Strecke ist es auch einfach sehr windig, sehr heiß und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Das fühlt sich an wie in einer Dampfsauna und du bist die ganze Zeit allein auf einem Highway.

Wie bereiten Sie sich auf diese Bedingungen vor?

Es gibt Athleten, die tatsächlich in einer Sauna trainieren. Ich trainiere viel auf dem Rollentrainer, da schwitzt man sehr. Ich mache dann die Fenster zu, brüte in meinem eigenen Saft und starre bis zu fünf Stunden die Wand im Keller an. Für einen Ironman muss man auch die Leidensfähigkeit des Kopfes trainieren.

Als die Triathlon-Rennen dieses Jahr abgesagt wurden und auch die Weltmeisterschaft auf Hawaii, haben Sie dann erst einmal die Laufschuhe in die Ecke gestellt?

Nee, das habe ich überhaupt nicht. Ich denke, alles ist auch irgendwie eine Chance. Jetzt habe ich ein Jahr ohne diesen extremen Stress für den Kopf. Da kann man seine Hirnbatterien wieder aufladen und für das nächste Jahr frisch sein.

Doch ohne Rennen bleiben die Preisgelder weg und die Sponsoren haben selbst zu kämpfen, wie geht es Ihnen derzeit?

Klar bin ich auch auf Preisgelder angewiesen. Aber ich habe auch ganz tolle Sponsoren, die wirklich auch in den harten Zeiten zu mir stehen und dadurch, dass ich Hawaii gewonnen habe, habe ich ein bisschen Puffer, sodass ich jetzt schon gut durchkomme. Aber für viele meiner Kollegen ist es wirklich hart. Auf der anderen Seite, viele unserer Sponsoren sind Mittelständige Unternehmen. Da kann man schon verstehen, dass es schwer ist auf der einen Seite seine Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken und auf der anderen Seite noch Sportsponsoring zu betreiben.

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Triathleten sind zwar Einzelsportler, dahintersteht aber immer auch ein Team aus Trainern, Managern, Physiotherapeuten. Spüren Sie einen Druck, ihre Mitarbeiter auch weiterhin bezahlen zu können?

Das Gute bei mir ist, dass jeder in meinem Team noch ein zweites Einkommen hat und finanziell nicht von mir abhängig ist. Aber natürlich denkt man auch an sie. Deswegen versuche ich an möglichst vielen Rennen teilzunehmen, die noch stattfinden.

Welche Rennen stehen dieses Jahr noch für Sie an?

Ich mache jetzt erst einmal noch ein Rennen in Frankreich und dann im Dezember die Weltmeisterschaft der Pro-Triathleten-Organisation PTO. Aber es muss natürlich auch unter den entsprechenden gesundheitlich korrekten Bedingungen stattfinden. Ich lebe von meinem Körper, aber ich lebe von der Gesundheit, von meinem Körper, und ich möchte da auf keinen Fall irgendwas riskieren. Ich brauche meinen Körper noch ein bisschen länger als dieses Jahr.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview
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