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Olympia 2021: "Hau drauf"-Eklat beim Modernen Fünfkampf – das sagt Annika Schleu


Fünfkampf-Trainerin ausgeschlossen
"Hau drauf"-Eklat: Das sagt Annika Schleu

Von dpa, dd

Aktualisiert am 08.08.2021Lesedauer: 5 Min.
Bittere Tränen: Annika Schleu auf dem Pferd Saint Boy, das sie eine Medaille kostete.Vergrößern des BildesBittere Tränen: Annika Schleu auf dem Pferd Saint Boy, das sie eine Medaille kostete. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Die Szenen im Wettbewerb bei den Olympischen Spielen sorgen noch immer für Diskussionen. Nun hat sich die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu zu den Vorwürfen geäußert – mit deutlichen Worten.

Die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu ist nach ihrem Olympia-Drama in Tokio von der Heftigkeit der Reaktionen überrascht. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass so etwas auf mich zukommt", sagte die 31-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Sie hatte in Tokio nach zwei Disziplinen auf Goldkurs gelegen, ehe das ihr zugeloste Pferd mehrfach verweigerte. Schleu setzte auf Aufforderung von Bundestrainerin Kim Raisner die Gerte ein, dafür gab es heftige Kritik. Im Interview schildert die Berlinerin, wie sie die Szenen erlebt hat, was sie zur Kritik an Raisner sagt und wie sie mit den teils heftigen Kommentaren und Beleidigungen im Internet umgeht.

"Das Schicksal hat seinen Lauf genommen, als ich vorher gesehen habe, dass die andere Sportlerin schon drei Verweigerungen mit meinem Pferd kassiert hat", erklärt Schleu rückblickend im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. "Wir hatten dann die Hoffnung, dass ich ein Ersatzpferd nehmen kann. Das wäre für uns natürlich einfacher gewesen als mit einem Pferd, das schon Stress im Parcours erlebt hat. Diese Chance gab es leider nicht. Die Besitzerin meines Pferds hat mir dann Tipps gegeben, das habe ich mir alles zu Herzen genommen, das hat auch sehr gut funktioniert auf dem Abreiteplatz, so dass ich eigentlich relativ selbstbewusst in den Wettkampf gegangen bin."

"Bin nach bestem Gewissen mit dem Pferd umgegangen"

Dort aber habe das Pferd "total abgeblockt". Schleu weiter: "Ich habe versucht, mit einer leichten Hand – ich war nicht mit der Hand doll vorne am Maul dran – auch mit den Beinen und mit der Stimme das Pferd vorwärts zu bekommen, dass es überhaupt in den Parcours reingeht. Es wollte aber gar nicht mehr aus der Ecke gehen." Sie habe dann überreagiert: "Leider habe ich in dieser Stresssituation – auf Platz eins bei den Olympischen Spielen – vielleicht etwas schneller die Nerven verloren und angefangen zu weinen. Ich habe dann versucht, die Gerte einzusetzen."

Ein Fehler sei ihr Umgang mit dem Pferd aber nicht gewesen, betont Schleu: "Ich denke nicht, dass es in einer Art und Weise war, wie es nicht auch Reiter machen würden, um einem Pferd Gehorsam beizubringen und es zu überzeugen, in den Parcours reinzugehen. Da sind diese Bilder entstanden." Die Reaktionen auf die Szenen seien überzogen: "Ich fühle mich natürlich schon angegriffen, wenn gesagt wird, dass ich unmenschlich bin, wenn Vorwürfe der Tierquälerei geäußert werden. Ich bin nach bestem Gewissen mit dem Pferd umgegangen. Es war schon klar, dass man etwas konsequenter werden muss, aber ich war zu keiner Zeit grob."

Zudem betont die 31-Jährige: "Das ist mir so noch nie passiert. Natürlich hat man immer mal Ritte, die nicht so gut sind. Aber dass das Pferd wirklich gar nicht wollte, das habe ich selten erlebt."

"Sicherlich muss man über Reformen nachdenken"

Dass durch die Probleme mit dem Pferd auch die Chance auf eine Medaille dahin war, sei für sie "schwierig" gewesen. "Ich hätte gerne ein Ersatzpferd genommen. Aber nachdem dann auf dem Abreiteplatz alles so harmonisch war, habe ich damit gerechnet, dass es anders laufen wird. Die Panik des Pferdes kam in dem Moment, als die Kameras auf uns gerichtet waren. Bis dahin lief alles nach Plan."

Schleu betont auch: Im Modernen Fünfkampf brauche es Veränderungen am Reitreglement: "Sicherlich muss man über Reformen nachdenken. Vor allem, wenn man sieht, dass sich ein Pferd – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr in der Lage fühlt, den Parcours weiterzuspringen, dass es dann auch andere Regeln geben muss, als nur auf die vier Verweigerungen zu gucken." Ein Tierarzt "hätte ja auch die emotionale Lage des Pferdes einschätzen können, die er aber natürlich nicht kannte. Natürlich hätten wir sowohl für mich als auch für das Pferd viel lieber ein Ersatzpferd gehabt."

Die Kritik an Bundestrainerin Kim Raisner, die Schleu aufforderte, die Gerte einzusetzen, könne sie zumindest teilweise verstehen: "Ich kann schon nachvollziehen, dass sie das vielleicht anders hätte ausdrücken sollen. Das, was sie gesagt hat, was ich auch von mir aus gemacht hätte, mit der Gerte einmal auf den Hintern zu hauen, das ist schon etwas, was man machen kann, um das Pferd zu überzeugen." Allerdings: "Ich denke nicht, dass es besonders grob war." Sie habe "von keinem aus dem Kreis von Reitern, die ich kenne, gehört, dass ich gegen das Tierwohl verstoßen oder das Tier gequält hätte. Natürlich hat sie vielleicht Worte gewählt, die der emotionalen Situation geschuldet waren. Auch als Trainerin ist man da sehr stark involviert. Da hätte sie sich vielleicht anders ausdrücken können."

"Mit so viel negativem Hass nicht gerechnet"

Das Echo auf die viel diskutierten Szenen sei bedrückend gewesen: "Ich habe kurz danach schon schlimme Kommentare bekommen und habe meine Uhr, die mit meinem Handy verbunden ist, dann an meine Trainer abgegeben, damit ich das vor dem Laufen nicht lesen musste. Ich habe mit diesen Reaktionen überhaupt gar nicht gerechnet, weil ich wirklich nicht das Gefühl hatte, dass ich zu grob mit dem Pferd umgegangen bin."

Von den sozialen Medien nehme sie nun gezwungenermaßen Abstand: "Ich habe dann meinen Instagram-Account erstmal deaktiviert. Trotzdem gibt es immer Leute, die Handynummern bekommen, die E-Mail-Adressen bekommen. Ganz kann man sich davor nicht schützen. Es war natürlich hart, das alles lesen zu müssen."

Sie habe ihren Instagram-Account "zu meinem eigenen Schutz jetzt erst einmal deaktiviert", so Schleu. "Da werden teilweise Wort gewählt, wo Leute sich angeblich für das Tierwohl und für Lebewesen einsetzen, aber dann in einer Art und Weise mit mir oder auch meinen Angehörigen sprechen, wo ich sage, das ist nicht ok, das geht viel zu weit. Ich wusste, dass Bilder um die Welt gehen werden, die nicht schön sein werden, aber ich hatte nicht mit so einer Art von Shitstorm oder mit so viel negativem Hass gerechnet."

Bundesverband kritisiert Trainerin, fordert aber Fairness

Der Berufsverband der Trainerinnen und Trainer im Deutschen Sport hat nach dem Reit-Drama im Modernen Fünfkampf in Tokio "einen fairen Umgang mit der Bundestrainerin und der Athletin" gefordert. In einer Mitteilung am späten Samstag betonte der BVTDS aber auch, dass das Verhalten von Trainerin Kim Raisner und Fünfkämpferin Annika Schleu aus seiner Sicht "falsch" gewesen sei und "zu Recht öffentlich kritisiert" werde.

Beide hätten unter einem hohen Erfolgsdruck gestanden, schrieb der Berufsverband. In einer emotionalen Situation hätten sie Fehler gemacht.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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