Musikalische LiebeserklÀrung an eine Ruine
Eine Horrorgeschichte zwischen brachialen KlÀngen, komplexen Texten und Tango-Takten: Das neunte Werk von ASP ist enorm vielschichtig ausgefallen. Etwas anderes war von der wichtigsten Gothrock-Band hierzulande aber auch nicht zu erwarten.
Diese Kritik beginnt mit einem kleinen Irrtum: Ich dachte zunĂ€chst, "Verfallen", so der Titel des Albums, bezog sich auf eine etwas ungesunde, emotionale Verbundenheit zu einer anderen Person. Gemeint ist aber der physische Verfall, was recht zĂŒgig klar wird, zieht man den kompletten Titel des Albums in Betracht. "Verfallen Folge 1: Astoria" heiĂt der erste von zwei geplanten Teilen und der hotelerfahrene Leser weiĂ natĂŒrlich, dass damit die gleichnamige Luxusherberge in Leipzig gemeint ist. Einst Anziehungspunkt der Reichen und Schönen, dann von den Nazis enteignet, heute leerstehende Ruine, widmen sich ASP vor dem Hintergrund des zerfallenden Baus einer Horrorstory, die auf der Kurzgeschichte "Das Fleisch der Vielen" von Kai Meyer basiert.
Stilistisch bleiben sich die Frankfurter auf ihrem mittlerweile neunten Album trotz ungewohnter Thematik treu: Melodien bestimmen das Klangbild, das gerne auch hymnisch ausfallen darf, unterlegt von schweren Riffs und einem SÀnger, dessen Stimme auch nach 15 Jahren Bandgeschichte noch zu fesseln vermag (bestens herauszuhören in "Himmel und Hölle", "Dro(eh)nen aus dem rostigen Kellerherzen" und der LiebeserklÀrung an die eigenen Fans namens "Fortsetzung folgt... (1)".
Keine Schublade will passen
Man gibt sich gewohnt unkonventionell, lĂ€sst sich in keine Schublade stecken und schreckt auch nicht vor gleich drei ZehnminĂŒtern zum Ende des Albums zurĂŒck. Oder Tango-Einlagen in einer der vier "Zwischentöne" benannten Interludien. ASP bleiben im groĂen und ganzen also die Instanz, die man auch auĂerhalb der Gothic-Szene schĂ€tzt.
Bisweilen flacht der ErzĂ€hlfluss von "Verfallen" zwar etwas ab, bevor es aber langweilig wird, kommt der nĂ€chste Song, der schon beim ersten Hören im Ohr bleibt. Vor allem bleibt ein ASP-typisches RĂ€tselspiel darum, was Frontmann Alexander Spreng denn nun mitteilen will. Simple Lyrics sucht man hier vergebens, stattdessen fordert "Verfallen" dazu auf, sich eingehend mit der Materie zu beschĂ€ftigen. Wer das tut, findet ein vielschichtiges, Ă€uĂerst abwechslungsreiches Werk, dass sich bestens in den ASP-Zyklus einfĂŒgt und lediglich hier und da etwas mehr Rock vermissen lĂ€sst, dabei aber noch lĂ€ngst nicht auf den Mainstream zielt.
(Tun Sie sich einen Gefallen und greifen Sie zur limitierten Ausgabe. Die enthĂ€lt neben einer Bonus-CD auch noch die Artworks und Bilder von Joachim Luetke, der unter anderem schon fĂŒr Marilyn Manson tĂ€tig war und das Hotel Astoria grandios inszeniert hat.)
"Verfallen Folge 1: Astoria" von ASP erscheint am 16. Oktober 2015.