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Gitarrenmusik lebt - Von Emo-Pop bis Neo-Folk: Sechs neue US-Indie-Perlen


Gitarrenmusik lebt
Von Emo-Pop bis Neo-Folk: Sechs neue US-Indie-Perlen

Von dpa
12.04.2019Lesedauer: 4 Min.
American Football haben einen Reifeprozess durchlebt.Vergrößern des BildesAmerican Football haben einen Reifeprozess durchlebt. (Quelle: Atiba Jefferson./dpa)
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Berlin (dpa) - Von wegen Gitarrenmusik ist Schnee von gestern - Indierock, Neo-Folk und Americana boomen. Die Deutsche Presse-Agentur stellt sechs interessante US-Alben des Frühjahrs vor.

Mit dem Bandnamen AMERICAN FOOTBALL hat das Quartett um Sänger und Gitarrist Mike Kinsella schon mal einen klaren Startvorteil. Musik für Football-Stadien machen die Jungs aus Urbana/Illinois auf ihrem dritten Album, schlicht "LP3" (Big Scary Monsters/Alive) betitelt, jedoch nicht. Eher sind die acht Lieder einem melancholischen Shoegaze-, Emo- oder Post-Rock zuzuordnen.

Über zwei Jahrzehnte erstreckt sich die Geschichte dieser Band, vom Debüt 1999 über den Nachfolger von 2016 bis zur aktuellen "LP3". "Irgendwann haben wir uns von einer Reunion-Band zu einer ganz normalen Band entwickelt", sagt Bassist Steve Holmes über die jüngsten Jahre der Konsolidierung. Und der Reifeprozess ist in jedem einzelnen Ton dieser äußerst schönen Indiepop-Platte spürbar. So selbstbewusst und ausgeruht wie 2019 klangen American Football nie zuvor.

Besonders die Ballade "Uncomfortably Numb", in der Kinsella und Gastsängerin Hayley Williams (Paramore) toll harmonieren, wäre in einer gerechten Welt ein Riesenhit fürs ambitionierte Radio. Aber auch der mit einem zarten Glockenspiel-Ton beginnende Opener "Silhouettes", das von einer herrlichen Trompetenmelodie eröffnete "Doom In Full Bloom" und die beiden anderen Duette ("Every Wave To Ever Rise" mit Elizabeth Powell von Land Of Talk, "I Can't Feel You" mit Rachel Goswell von den Shoegaze-Göttern Slowdive) treffen mitten ins Herz.

Weniger feingliedrig, eher wuchtig und nach "Wall Of Sound" klingt das neue Werk des Projekts STRAND OF OAKS von Timothy Showalter. Dass "Eraserland" (Dead Oceans/Cargo) überhaupt erscheinen konnte, verdankt der Singer-Songwriter mit der imposanten Hippie-Haarpracht guten Freunden, die ihm über eine Art künstlerischen Burnout nach seinen Alben "HEAL" (2014) und "Hard Love" (2017) hinweghalfen: Mitglieder der Folkrockband My Morning Jacket sowie an der Gitarre Jason Isbell (früher Drive-By Truckers, heute solo eine große Americana-Nummer).

Diese Begleitmusiker prägen den Sound von "Eraserland" so sehr, dass man fast glaubt, eine unveröffentlichte gemeinsame Session der Genannten zu hören. Zumal Showalters mächtige Stimme der des Frontmannes von My Morning Jacket, Jim James, ziemlich ähnlich ist, vor allem im grandiosen Neunminüter "Forever Chords" zum Schluss. Das Allstar-Treffen führt zu einer Reihe hymnischer Lieder (manche mit durchaus angenehmer U2- oder Springsteen-Nähe), die von der zurückgewonnenen Lebensfreude des Strand-Of-Oaks-Protagonisten künden. Das vorab als Single veröffentlichte "Ruby" sei gar "der glücklichste Song, den ich je geschrieben habe", ließ der 36-Jährige aus Indiana froh verlauten.

Ebenfalls in die große Schublade "Neo-Folkrock" passt "For The Morning" (Fantasy/Universal), das Soloalbum von TYLER RAMSEY, dem früheren Leadgitarristen und Co-Songwriter der Band Of Horses. Das schön kitschig gemalte Cover-Artwork zeigt den natürlich bärtigen, langhaarigen Musiker mit Hund vor einer fast mystischen Hügellandschaft. Die zehn Ramsey-Songs sind denn auch inspiriert von der überwältigenden Naturszenerie, die sein Haus in den Bergen bei Asheville/North Carolina umgibt.

Romantischen Folk, Roots-Rock und Alternative-Country verschmilzt der Singer-Songwriter mit der an Neil Young, Ray LaMontagne oder Jim James erinnernden Stimme in einer süffigen Mixtur, die zum Glück ohne platte Ländler-Klischees auskommt. Aufregend neu ist das natürlich alles schon seit den großen Zeiten von Crosby, Stills, Nash & Young nicht mehr - aber immerhin im besten Sinne gut abgehangene Americana-Qualitätsware. Vor allem das prächtige "White Coat" und der Pedal-Steel-Schluchzer "Evening Country" evozieren Bilder von weiten, unberührten US-Landschaften.

Von ganz anderem, unkonventionellerem Kaliber ist der Sound, den die Texaner WHITE DENIM auf ihrem neuen Album präsentieren. In knapp unter 30 Minuten, die dafür vor Ideen geradezu überborden, hauen sie - weniger als ein Jahr nach dem siebten Album "Performance" - den Kracher "Side Effects" (City Slang/Rough Trade) raus. So spontan und rotzig wie ein Livealbum klingen die neun meist kurzen Tracks, sie streifen Post-Punk, groovenden Jazz-Funk und Seventies-Bluesrock (etwa "Reversed Mirror").

Das einstige Quartett ist mittlerweile eine rotierende Truppe um James Petralli (Gitarre, Gesang) und Steve Terebecki (Bass, Keyboards). "Side Effects" basiert auf Rough Mixes, ist also keine ausgiebig produzierte und womöglich geglättete Platte, wie Petralli einräumt. Der besonders im Konzert spürbaren Energie und Experimentierfreude dieser 2005 gegründeten US-Band kann man sich gleichwohl auch in der Demo-Version nicht entziehen. White Denim bleiben eines der spannendsten Versprechen im Ami-Rock.

Ebenfalls unangepasst und weit entfernt vom US-Mainstream ist der gebürtige Kalifornier Scott Kannberg unterwegs, einst Mitglied der Kultband Pavement von Stephen Malkmus, jetzt Frontmann der SPIRAL STAIRS. Das neue Album "We Wanna Be Hyp-No-Tized" (Nine Mile Records) ist ein großes Vergnügen - eine mitreißende Melange aus bläsergetriebenem Garagenpop, kernigem Südstaatenrock mit messerscharfen Gitarren und viel Georgel sowie Kannbergs leicht windschiefen, stets lässig-coolen Bariton-Sprechgesängen.

Das hört sich nicht immer subtil an - eher so, als hätte der alte Sauertopf Lou Reed mit einer Soulband im Hintergrund mal so richtig Spaß gehabt. Ein echtes Feelgood-Album aus den Staaten also in einer Zeit, die viele US-Indierocker zu pessimistischen oder frustrierten Platten inspiriert. Kann man trotzdem ohne schlechtes Gewissen hören.

Zum Abschluss und als Kontrastprogramm ein eher intellektuelles Album: das neue Werk des wie Kannberg aus Kalifornien stammenden CHRIS COHEN. Auf "Chris Cohen" (Captured Tracks/Cargo) bastelt der Singer-Songwriter, Multiinstrumentalist und Produzent (Weyes Blood) zum dritten Mal nach "Overgrown Path" (2012) und "As If Apart" (2016) einen so ätherischen wie luftigen Indiepop, der an Cass McCombs, Damien Jurado oder Mac DeMarco erinnert.

Besonders gelungen sind "Sweet William", das zunächst von einem schrägen Klimperklavier geprägt ist und kurz vor Schluss überraschenderweise kippt, das schluffig-psychedelische "Twice In A Lifetime" und der Latin-Popsong "What Can I Do?". Aber auch karger Folk wie "House Carpenter" oder experimentellere Sounds passen auf diesem abwechslungsreichen Album gut zu Cohens sonorem Gesang. Eine kluge, für den Massenerfolg wohl zu introvertierte Platte - nichts Neues bei dem früheren Deerhoof-Mitglied.

Konzerte:

Strand Of Oaks: 21.5. Köln, 24.5. Berlin

Tyler Ramsey: 26.5. Berlin

White Denim: 21.-23.6. Southside/Hurricane (Festivals)

Spiral Stairs: 12.9. Berlin, 13.9. Köln

Chris Cohen: 11.5. Berlin, 13.5. Hamburg

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