Eine Band wie ein Haus: Silly macht weiter mit zwei Neuen
Berlin (dpa) - Zu DDR-Zeiten lauerte die Zensur, sogar der englische Name brachte der Band Silly anfangs Γrger. Es gab Liebeschaos in der Band. Und SchicksalsschlΓ€ge: Frontfrau Tamara Danz starb frΓΌh an Krebs, mit 43.
Nach dem Mauerfall wurde die Musik von Silly einige Zeit in die Ostalgie-Schublade gesteckt, viele wollten lieber Englisches hΓΆren. Dann kam die Zeit mit Anna Loos, aber die ist vorbei, so wie eine Beziehung endet.
2019 hat ein Kapitel mit zwei neuen SΓ€ngerinnen begonnen: AnNa R. (51), frΓΌher eine HΓ€lfte von Rosenstolz, und Julia Neigel (55), deren grΓΆΓter Hit "Schatten an der Wand" ist. Mit den beiden ging die Band auf Tour - dazu erscheint ein Album mit zehn Remakes und drei neuen Liedern.
Unweigerlich ist es auch ein Denkmal fΓΌr Tamara Danz mit Klassikern wie "Die wilde Mathilde" und "So'ne kleine Frau". Die Stimmen der beiden Neuen passen. Beim neuen Lied "Werden und Vergehn" werden auch die Rosenstolz-Fans die Wunderkerzen schwenken. "Unter'm Asphalt" ist ein Silly-Hit aus der zweiten Reihe. Wave, das gab es auch in der DDR und klingt heute noch gut.
In einem MDR-Dreiteiler wurde gerade noch einmal deutlich, was fΓΌr eine Legende Danz im Osten ist und was fΓΌr eine filmreife Geschichte die Band seit Ende der 70er Jahre mitmachte, zwischen Ost und West, wo sie der Fotograf und Manager Jim Rakete frΓΌh entdeckte. Er staunte, wie viel Pathos sich die Band auf der anderen Seite der Mauer traute.
Und es gab Liebesrochaden: Auf einem Foto sieht man, wie Gitarrist Uwe Hassbecker und Keyboarder Ritchie Barton den Sarg von Tamara Danz tragen, der eine der Lebenspartner, der andere der Ex-Freund. Vor ihrem Tod wΓΌnschte sich Danz, dass mit ihr nicht auch noch die Band stirbt, wie Bassist JΓ€cki Reznicek (67) in der Doku erzΓ€hlt.
Die Musiker machten weiter, die Rocker-Frisuren blieben. Lange Haare, MΓ€nnerschmuck, drei freundliche und unprΓ€tentiΓΆse Kumpel: So posieren sie fΓΌrs Foto am Berliner Gendarmenmarkt. In seiner Wohnung kocht Hassbecker den Kaffee fΓΌr die GΓ€ste selbst.
Die Musiker haben erlebt, was viele Ostdeutsche kennen: DDR-Karrieren zΓ€hlten nach dem Mauerfall nur noch wenig, egal ob systemtreu oder nicht. Mit der Herablassung gegenΓΌber Silly ist es "weitgehend" vorbei, wie Barton (67) sagt. "Das war in den 90er Jahren so, im Γbrigen sehr hΓ€ufig von im Osten sozialisierten Journalisten. Das war schon merkwΓΌrdig." Heute sei der Fanclub bunt gewΓΌrfelt: Ost, West, Nord und SΓΌd.
Die Fans wachsen nach. "Vorne sind bei Konzerten die jΓΌngeren, nach hinten wird es dann Γ€lter", sagt Barton. "In der etwas Γ€lteren Generation ist es so, dass die Leute meistens DDR-Vergangenheit haben, selbst wenn sie vielleicht seit etlichen Jahren im Westen leben. Wir hΓΆren von Leuten aber auch immer wieder: Ich habe euch nicht gekannt, bis jetzt, dann sind sie ganz begeistert, als hΓ€tten wir gestern angefangen, Musik zu machen."
SΓ€ngerin und Schauspielerin Anna Loos war fΓΌr die Band ein TΓΌrΓΆffner fΓΌr ein Publikum, das Silly nicht kannte. Mittlerweile geht Loos musikalisch eigene Wege. Wird es ein Comeback mit ihr geben? Hassbecker (61) sagt: "Es ist im Moment kein Thema. Sie ist glΓΌcklich mit dem, was sie macht. Wir sind glΓΌcklich mit dem, was wir jetzt machen. Wir hatten eine gute Zeit miteinander, zwΓΆlf Jahre. Und manchmal ist es eben dann genug. Beziehungen gehen manchmal auch auseinander. Das ist ja so was wie eine Beziehung."
Gerade hat die Band nach der Corona-Zwangspause im sΓ€chsischen Bad Elster das erste Konzert seit fast zwei Jahren gespielt. Das Bangen, ob die Herbst-Tour wie geplant stattfinden kann, bleibt. Hassbecker sagt, Corona werde mit Sicherheit Biografien umschreiben. "Es wird sich sehr vieles Γ€ndern. Es werden sehr viele Leute rausgehen aus dem Job. Es stellt vieles in Frage, was in unserer Branche passiert." FΓΌr ihn sei es gar nicht leicht gewesen. "Es stellt unsere Existenz als Musiker in Frage."
Ob die Pandemie eines Tages in die Musik einflieΓt, wird laut seinem Bandkollegen Barton wahrscheinlich Γ€hnlich sein wie in den frΓΌhen 90ern. "Da konnten wir auch nicht sofort die neue Situation reflektieren und umsetzen." Gerade gehe es nicht nur um die Geschichten, die mit Corona zusammenhΓ€ngen, sondern allgemein die politischen Lagen. "Afghanistan ΓΌberschattet Sachen wie Corona. Da stellen sich Fragen in Richtung Politik, die mΓΌssen erst mal beantwortet werden."
Im August riefen Bands wie Die Γrzte und Tocotronic auf, sich impfen zu lassen. Barton sagt, Silly habe diskutiert, bei der Aktion mitzumachen. "Da sind natΓΌrlich Wahrheiten drin, die man unterschreiben kann. Es war uns aber zu zugespitzt auf die Branche." Hassbecker sagt: "Wir konnten uns nicht einigen. Es ist natΓΌrlich ein Akt der SolidaritΓ€t mit allen Menschen, nicht nur mit Musikern oder Leuten aus der Branche, sondern eben auch mit den Kindern, wenn man sich als Erwachsener impfen lΓ€sst."
Auf dem Cover des neuen Albums "Instandbesetzt" ist ein stilisiertes Haus zu sehen. Es erinnert an den Stammsitz der Band im brandenburgischen MΓΌnchehofe. FΓΌr Hassbecker ist es eine Art Gleichnis zur Band. "Ein Haus, was ein bisschen in die Jahre gekommen ist, auch schon ein paar Dellen und geplatzte Ecken hat. Aber mit einer schΓΆnen warmen AtmosphΓ€re, einem knarrenden Parkett und luftigen RΓ€umen. Und mit Leuten, die wechseln, die ein und ausgehen und sich gegenseitig und das Haus instandbesetzen."