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TV-Tipp: 50 Jahre Pornofilm "Deep Throat"


TV-Tipp
50 Jahre Pornofilm "Deep Throat"

Von dpa
23.02.2022Lesedauer: 3 Min.
Los Angeles im Jahr 1973: Eine Menschenmenge drängt sich vor dem Pussycat Theatre, in dem "Deep Throat" gezeigt wird.Vergrößern des BildesLos Angeles im Jahr 1973: Eine Menschenmenge drängt sich vor dem Pussycat Theatre, in dem "Deep Throat" gezeigt wird. (Quelle: Joe Rubin/Arte/dpa./dpa)
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Berlin (dpa) - Kann man sich das heute noch vorstellen? Will man es sich überhaupt heute noch vorstellen? Volle Kinosäle, meist mit eher männlichem Publikum, viele aus dem besten Mittelstand.

Und vorne auf der Leinwand ein Mann mit Arztkittel und Schnauzbart, der erschrocken eine absurde Diagnose stellt: "Linda! Ihre Klitoris sitzt tief unten in der Kehle." Und der prompt Oralsex mit seiner beseelten Patientin treibt. So mancher Zuschauer reagierte bei den sehr expliziten Szenen geschockt. Der Hardcore-Porno "Deep Throat" - größter Skandalfilm und Kassenschlager des Jahres 1972 - beschäftigt noch heute Cineasten wie Geschichts- und Sexualwissenschaft. Kurz vor dem 50. Geburtstag des Machwerks erläutert Arte in seiner Doku "Deep Throat - Als der Porno salonfähig wurde", warum dieser Streifen auch 2022 als wichtig gilt.

US-Historiker Whitney Strub sieht es im sehenswerten Dokumentarfilm von Agnès Poirier (Mittwoch, 22.05 Uhr) so: "Obwohl "Deep Throat" in vielerlei Hinsicht albern ist, ist er ein seriöser Film über Sexualität. Zu einer Zeit, als Amerika versuchte, herauszufinden, was sexuelle Revolution ist und was sie für den Alltag bedeutete." Die Produktion, die von dem filmbegeisterten Damenfriseur Gerard Damiano gedreht und von der Mafia bezahlt wurde, hat laut Strub nämlich einen genialen Dreh: Indem sie das weibliche Lustzentrum gaga-artig in den Hals versetzte, machte sie die Klitoris überhaupt erstmals zum Thema.

"In den 70ern legte kaum jemand Wert auf den Orgasmus der Frau. Nein, das war völlig unwichtig", erinnert sich Sexfilm-Darstellerin Annie Sprinkle. "Doch genau das ist die Geschichte dieses Films." Regisseur Damiano hatte sich beim Frisieren jahrelang Kundinnenkummer angehört.

Hauptdarstellerin Linda Lovelace (1949-2002) stolperte ins seltsame Projekt inmitten von Jahren eines grausigen Ehe-Martyriums. Ihr Mann, der frühere Nachtclubbesitzer Chuck Traynor (1937-2002), war zugleich ihr Zuhälter und verkaufte seine Frau immer wieder für billigste Pornoproduktionen. Bei manchen besonders widerlichen Drehs habe er sie sogar mit dem Revolver bedroht, schrieb sie später in ihrer Autobiografie "Ich packe aus". Lovelace hatte solche Abgründe erlebt, dass sie das hastige "Deep Throat"-Projekt in Florida als Aufstieg wahrnahm.

Und sie legte enormes Gefühl in die wenigen dürftigen Dialoge. Linda beklagt sich in dem Film bei ihrer Freundin am Pool sitzend: "Sex sollte mehr sein als ein bisschen Kribbeln. Es sollten Glocken läuten, Dämme brechen, Bomben explodieren, irgendwas halt."

Porno-Regisseurin Paulita Pappel hat in dem Sexfilm viel gelacht, war aber über eine Szene doch sehr erstaunt: "In dem Moment des Orgasmus, wo sie endlich mal kommt, sehen wir Bilder von Glocken, Feuerwerk und so weiter. Das ist von der filmischen Perspektive her gesehen interessant. Denn es ist eigentlich nicht das, was der Pornokonsument sehen will." Pappel sieht aber auch andere bemerkenswerte Aspekte an dem Film. "Man könnte es auch aus einer anderen Perspektive sehen. Oralsex ist eine Praxis, wo zum Beispiel eine Frau nicht schwanger werden kann. Und somit hat es auch emanzipatorisches Potenzial."

Dieser Sichtweise mag sich nicht jeder anschließen. In den frühen 1970ern lösten alle diese beabsichtigten oder unbeabsichtigten Botschaften des Film aber Riesendebatten aus. In den USA hatte die Zensur gerade ihren Schrecken verloren. Hatten die obersten Gerichte zehn Jahre zuvor noch Klassiker aus dem 19. Jahrhundert als obszön gebannt, hatten sie inzwischen nach immer neuen Prozessen resigniert. Und oft den Bürgern überlassen, was man obszön finden kann. In dieser Situation stieg die 23-jährige Lovelace zum ersten Pornostar auf. Sie fand sich unversehens als Ikone der sexuellen Revolution wieder.

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