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Retro-Produkte: Warum Kassette, Vinyl oder Polaroid wieder beliebt sind


Retro-Produkte im Trend
Warum Kassetten, Vinyl und Polaroid wieder beliebt sind

dpa, Matthias Arnold

Aktualisiert am 02.09.2019Lesedauer: 4 Min.
Walkman: Zum 40. Geburtstags des Abspielgerätes stellt Sony seine Highlights in dem Bereich aus.Vergrößern des BildesWalkman: Zum 40. Geburtstags des Abspielgerätes stellt Sony seine Highlights in dem Bereich aus. (Quelle: AFLO/imago-images-bilder)
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Streaming, Smartphone oder Digitalkameras: Moderne Technik umgibt uns, dennoch feiern alte, wieder aufgelegte Multimedia-Produkte ein Comeback. Was steckt hinter dem neuen Retro-Hype?

Hach ja, damals ... als man noch aufsprang, um den Lieblingssong im Radio mitzuschneiden; oder den Bandsalat mit Bleistift und Geduld bändigen konnte. Wer in den 80er oder 90er Jahren aufgewachsen ist, kommt bei Musikkassette oft ins Schwärmen. Andere werden nostalgisch, wenn sie an den Commodore 64 denken, an die erste Spielekonsole von Nintendo oder die alten Party-Bilder aus der Sofortbild-Kamera.

All diese Multimedia-Produkte prägen schon lange nicht mehr den Massenmarkt. Streaming-Dienste wie Spotify, Smartphone-Spiele und die Digitalfotografie haben sie von dort verdrängt. Laut Daten des Bundesverbands Musikindustrie ist etwa der Umsatz mit Kassetten in Deutschland von damals schon niedrigen 13 Millionen Euro im Jahr 2009 auf unter eine Millionen Euro im vergangenen Jahr gefallen. Allein zwischen 2017 und 2018 ging er demnach um ganze elf Prozent zurück. Einzig die Schallplatte erlebt bei den analogen Tonträgern schon länger ein größeres Comeback: Zwischen 2009 und 2018 hat sich der Umsatz mit Vinyl demnach auf rund 70 Millionen Euro versiebenfacht.

Musikkassette werden wieder beliebter

Doch in der Nische haben auch Musikkassette und Co. überlebt – und erfreuen sich dort sogar wachsender Beliebtheit. So sehr, dass Start-ups und Unternehmen neue Geschäftsmodelle um sie herum aufgezogen haben – oder alte aufrecht erhalten konnten.

"Wir haben uns über die Jahre quantitativ sowie qualitativ immer wieder weiterentwickelt, um der stetig steigenden Nachfrage nach Kassetten nachzukommen", sagt etwa Franziska Kohlhase vom Leipziger Unternehmen T.A.P.E. Muzik. Dort produzieren eine Handvoll Mitarbeiter seit 2004 "Audiokassetten und Zubehör", wie es auf der Internetseite heißt.

Die Nachfrage käme vor allem von Bands, Labels oder Großkunden, "meist nach kleinerer Stückzahl, manchmal aber auch nach mehreren Tausend Einheiten", sagt Kohlhase. Die Kunden liefern ihre Stücke als digitale Dateien. "Diese werden auf professionellen Kopiermaschinen direkt auf großen Tonbandrollen kopiert bevor das Tonband dann in die Kassetten gespult wird." Das garantiere eine wesentlich bessere Klangqualität als das Kopieren des Tonbands auf Kassetten.

Walkmen für junge Käufer

Das Unternehmen ist kein Einzelfall. Auch größere Player haben den Trend erkannt und entsprechende Produkte ins Angebot genommen. Die Modekette Urban Outfitters etwa, die vor allem eine junge Zielgruppe im Blick hat, verkauft in ihrem Online-Shop Walkmen, Eminem-Kassetten oder Polaroidkameras. Das chinesische Start-up Ninm sammelt derzeit Geld für die Entwicklung eines tragbaren Kassetten-Players mit neuester Bluetooth-Technik. Auf der Seite des Unternehmens wird auch eine Sofortbildkamera angeboten im Design analoger Spiegelreflex-Kameras.

Denn der Retro-Trend bei Multimedia-Produkten erstreckt sich auch auf die Fotografie. Im vergangenen Jahr seien in Deutschland 460.000 Sofortbildkameras verkauft worden, teilt der Photoindustrie-Verband auf Anfrage mit – mehr als vier Mal so viel wie noch 2014. "Die Generation Z, die einen großen Anteil an der Käufergruppe von Sofortbildkameras stellt, reizt diese neue Erfahrung", sagt eine Sprecherin. "Und natürlich können sich auch viele Nostalgiker für die Neuauflage des Sofortbildes begeistern."

Fans machen sich für Retro-Produkte stark

Dabei gibt es auch ungewöhnliche Wendungen. So werden die Sofortbildkameras unter dem Traditionsnamen Polaroid inzwischen von einer Firma gebaut, die ursprünglich als Fanprojekt begann. Das "Impossible Project" formierte sich in den Niederlanden, nachdem Polaroid die Schließung der dortigen Film-Fabrik angekündigt hatte – mit dem Ziel, die Produktion aufrechtzuerhalten. 2016 brachte Impossible dann eine eigene neuentwickelte Sofortbildkamera auf den Markt. Im Jahr darauf kaufte der Haupt-Anteilseigner vom Impossible die Marke Polaroid samt des Lizenzgeschäfts.

Und auch die modernen Versionen alter Spielekonsolen wie Nintendo Entertainment System oder der ersten Playstation kommen gut an. "Knapp jeder zweite Gamer (49 Prozent) in Deutschland findet die Neuauflagen von SNES, Playstation und Co. interessant", ermittelte der Verband der deutschen Games-Branche jüngst in einer Online-Umfrage unter mehr als 2.000 Spielebegeisterten. Jeder vierte Befragte habe sich bereits eine gekauft.

Alte Produkte mit modernen Features

"In erster Linie funktionieren solche Trends natürlich gut bei Konsumenten, die die Zeit selber miterlebt haben", sagt Sascha Raithel, Professor für Marketing an der Freien Universität Berlin. "Das ist auch ein psychisches Phänomen: Erfahrungen aus der Jugend werden positiver abgespeichert, als sie es eigentlich waren." Seltener könnten solche Trends aber auch bei jungen Menschen funktionieren, die die Zeit nicht mehr unmittelbar selbst erlebt hätten. Er warnt Unternehmen aber davor, mit der eigenen Zielgruppe alt zu werden. Häufig werde übersehen, dass nachwachsende Generationen andere Interessen und Vorlieben hätten.


Wohl auch deshalb konzentrieren sich die Anbieter von Retro-Produkten vor allem auf die Fassade: Alte Spielekonsolen mögen gut ankommen, doch die Grafik von damals sicherlich nicht. Deshalb steckt unter der Retro-Plastikhülle moderne Technik. Die Spiele müssen auch nicht mehr eingesteckt werden, sondern sind auf der Festplatte installiert. Auch die damalige Klangqualität von Kassetten dürfte niemanden mehr überzeugen, und dass man einen Player mit dem Computer koppeln kann, wird dem Verkauf ebenfalls helfen. Die Originale mögen gefeiert werden, doch auf die digitalen Annehmlichkeiten von heute mag vor allem die jüngere Generation nicht komplett verzichten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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