Facebook stempelt Regierungskritik als "Fake News" ab

In Singapur sieht sich Facebook erstmals gezwungen, einen regierungskritischen Nutzerbeitrag auf Anweisung des Staates als "Fake News" zu kennzeichnen. Dabei versucht d
In Singapur hat Facebook einen von der Regierung beanstandeten Nutzerbeitrag mit einem Berichtigungshinweis versehen. Hintergrund ist ein umstrittenes Gesetz gegen die Verbreitung vermeintlich falscher Nachrichten ("Fake News") im Internet.
Seit Samstag steht unter dem betroffenen Eintrag der "States Times Review": "Facebook ist gesetzlich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass die Regierung von Singapur sagt, dass dieser Beitrag falsche Informationen enthalte." Der Hinweis ist nur fΓΌr Nutzer in Singapur sichtbar. Der Beitrag selbst wurde nicht verΓ€ndert.
Hinter dem betroffenen regierungskritischen Blog soll Medienberichten zufolge ein australischer Blogger stehen. Die zustΓ€ndige BehΓΆrde habe ihn daraufhin aufgefordert, den ihrer Ansicht nach unwahren Beitrag zu berichtigen. Nachdem dieser der Anweisung zunΓ€chst nicht Folge geleistet habe, soll die BehΓΆrde von Facebook verlangt haben, einen sogenannten Berichtigungshinweis zu verΓΆffentlichen.
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Der beanstandete Beitrag war laut der Nachrichtenagentur Reuters am 23. November verΓΆffentlicht worden und handelt von der angeblichen Verhaftung eines Whistleblowers und VorwΓΌrfen der Wahlmanipulation. Γber den tatsΓ€chlichen Wahrheitsgehalt ist bislang nichts bekannt. Doch der Zeitpunkt ist kritisch: In Singapur wird in den nΓ€chsten Monaten ein neues Parlament gewΓ€hlt.
Hohe Geldstrafen drohen
Im Mai hatte das Parlament des sΓΌdostasiatischen Stadtstaats das "Gesetz zum Schutz von Online-FΓ€lschungen und -Manipulationen" verabschiedet. Dieses trat im Oktober in Kraft. Es sieht unter anderem vor, dass klassische Medien ebenso wie Internet-Konzerne nach staatlicher Aufforderung Artikel entfernen mΓΌssen.
Unter bestimmten UmstΓ€nden kΓΆnnen sie auch gezwungen werden, Berichtigungshinweise zu verΓΆffentlichen. Im Extremfall drohen Einzelpersonen umgerechnet bis zu 66.000 Euro Geldstrafe und maximal zehn Jahre Haft. Firmen und Organisationen mΓΌssen bei einem VerstoΓ mit einer Geldstrafe von umgerechnet bis zu 663.000 Euro rechnen.
Bislang ist nur ein weiterer Fall bekannt, in dem ein Oppositionspolitiker einen regierungskritischen Facebook-Kommentar bereitwillig zurΓΌckgezogen hat, nachdem dieser unter Singapurs neuem "Fake-News-Gesetz" beanstandet worden war.
So reagiert Facebook
Das neue Gesetz sei zwar erst seit kurzem in Kraft, teilte ein Facebook-Sprecher per E-Mail mit. Das Unternehmen hoffe jedoch darauf, dass die Regierung Singapurs die neuen Regeln wie versprochen "maΓvoll und transparent" durchsetzen werde.
Das Gesetz betrifft auch soziale Netzwerke wie Facebook, Google und Twitter, die alle in Singapur groΓe Niederlassungen haben. Kritiker befΓΌrchten, dass mit dem Gesetz die Pressefreiheit in dem autoritΓ€r regierten Land weiter eingeschrΓ€nkt wird. Die Asia Internet Coalition, eine Vereinigung von Internet- und Technologiefirmen spricht von dem "bislang weitreichendsten Gesetz dieser Art".
Doch auch im Rest der Welt sieht sich Facebook regelmΓ€Γig gezwungen, Inhalte auf Anweisung des Staates zu entfernen. Laut eigenen Angaben hat Facebook allein im ersten Halbjahr 2019 in mehr als 18.000 FΓ€llen BeitrΓ€ge blockiert, weil sie in dem jeweiligen Land laut BehΓΆrdenangaben gegen nationale Gesetze verstoΓen haben sollen.
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- Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Was Sie ΓΌber das Anti-Hass-Gesetz wissen mΓΌssen
Deutschland hat 2018 das NetzDG eingefΓΌhrt
In Deutschland kann Facebook seit 2018 nach dem sogenannten Netzwerkdurchsetzunsgesetz (NetzDG) gezwungen werden, strafrechtlich relevante Inhalte innerhalb einer gewissen Frist zu entfernen. Darunter fallen beispielsweise Aufrufe zur Gewalt, Drohungen, Volksverhetzung und das Verbreiten von verfassungsfeindlichen Symbolen oder Terrorpropaganda. Nach Ansicht des zustΓ€ndigen Bundesamts fΓΌr Justiz kommt Facebook dabei allerdings seinen Transparenzpflichten nicht ausreichend nach und hat deshalb ein BuΓgeld verhΓ€ngt.
Laut Facebooks Transparenzbericht lΓΆscht das soziale Netzwerk die meisten als unpassend gemeldeten Botschaften wie zum Beispiel Hasskommentare nicht auf Anweisung der deutschen BehΓΆrden oder aufgrund der besonderen Gesetzeslage, sondern, weil die BeitrΓ€ge gegen die internen Community-Regeln verstoΓen. Auch dieses Vorgehen ist umstritten. Immer wieder landen FΓ€lle vor Gericht, weil sich Nutzer zu Unrecht in ihrer Meinungsfreiheit beschrΓ€nkt fΓΌhlen.
- Nachrichtenagentur dpa
- Reuters: "Facebook issues corrective label on user's post under new Singapore fake news law"
- BBC: "Facebook bows to Singapore's 'fake news' law with post 'correction'"