Analog entschleunigt: Fotografieren statt knipsen
Ingolstadt/Dresden (dpa/tmn) - Bis Anfang der 1990er Jahre wurden Analogkameras noch weiter perfektioniert. Dann war Schluss, weil die Digitalkamera kam. Doch Kleinbildfilm-Fotografie hat nach wie vor viele Fans - und findet auch neue AnhĂ€nger. Und das hat GrĂŒnde.
Daniel Wollstein ist Fotograf aus Pfaffenhofen an der Ilm vor den Toren MĂŒnchens. Er fotografiert beruflich digital und privat analog. "Analoge Fotografie entschleunigt. AuĂerdem reizt es mich, dass das physische Bild einen hohen Stellenwert erhĂ€lt", sagt er. Im Gegensatz zum schnellen und vielen Fotografieren mit Digitalkameras ist der analoge Fotograf limitiert.
Ein Kleinbild-Film lÀsst meist nur 36 Aufnahmen zu und kostet ebenso Geld wie das spÀtere Entwickeln und Abziehen von Fotos auf Papier. "Bei jedem Foto muss sich der Betrachter mit der Fotografie intensiv auseinandersetzen. Das Bild entsteht bei der Aufnahme und nicht erst bei der Nachbearbeitung", sagt Wollstein.
Kamera ohne alles
Als Kamera empfiehlt Wollstein die OM-Serie von Olympus, weil sie klein und kompakt ist, eine gute QualitĂ€t bietet, ein breites Spektrum an Objektiven bereithĂ€lt und gĂŒnstig ist. Analoge Kameras von Nikon und Canon seien zwar ebenso gut, aber teurer. "Wenn schon analog, dann richtig analog, ohne Autofokus und Programmautomatik. Nur ein Belichtungsmesser sollte in der Kamera integriert sein."
Das Puristische, Hochwertige reizt auch Marwan El-Mozayen. "Viele Fotografen lieben das haptische Erlebnis einer klassischen Kamera mit ihrem MetallgehÀuse. Das hat eine gewisse Wertigkeit", sagt der Herausgeber des internationalen Fotofachmagazins "Silvergrain Classic".
Zu den klassischen analogen Kamera-Herstellern zÀhlt El-Mozayen etwa Hasselblad, Rolleiflex, Canon, Nikon, Minolta oder Leica. Solche Kameras finden sich auf Online-MarktplÀtzen und -AuktionshÀusern ebenso wie in FotofachgeschÀften. Das sind dann auch die Adressen, wenn es um eventuelle Reparaturen und Ersatzteile geht. Hier kann auch das Portal "Camerarescue.org" eine gute Anlaufstelle sein.
Zwei Objektive zum Start
Zum Kamera-GehÀuse empfiehlt Daniel Wollstein ein lichtstarkes Standard-Objektiv (50 mm) und ein Weitwinkel-Objektiv mit 28 mm Festbrennweite. "Mit einem 50-Millimeter-Objektiv erhÀlt man die wenigsten Verzerrungen und lernt, Perspektiven einzuschÀtzen", sagt der Wollstein. Fotografieren statt knipsen eben.
Seine Filme kauft Wollstein beim FotogroĂhĂ€ndler oder auf Online-MarktplĂ€tzen. Aber auch DrogeriemĂ€rkte haben noch analoge Filme im Angebot und bieten einen Entwicklungs- und Fotoservice an. "Die QualitĂ€t geht meist in Ordnung", sagt der Fotograf. "Wer Top-Scans oder -AbzĂŒge haben will, sollte sich jedoch ein Profilabor suchen."
Angelika Görner ist Fotografin und betreibt einen Fotolaborservice in Dresden. Ihr ist aufgefallen, dass die analoge Fotografie von jungen Menschen wieder neu entdeckt wird: "Sie probieren analoge Kameras aus und entdecken die Vorteile", sagt sie. Als GrĂŒnde nennt auch sie Entschleunigung sowie die Herstellung von Unikaten und einer insgesamt ĂŒberschaubaren Menge an Bildern, wo sonst inflationĂ€r digital drauflosgeknipst wird.
Bei den SchwarzweiĂ-Filmen sieht Görner den Ilford HP5 mit einem guten Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis vorne. Aber auch Kodak 400T-Max oder Kodak 400TX seien eine gute Wahl, wenn auch teurer. Bei den Farbfilmen nutzten einige gern den gĂŒnstigen Kodak Gold, andere wiederum den etwas teureren Kodak Portra mit der ISO 400.
Filme werden weiter produziert
Auch von Fuji sind noch Farbfilme zu haben. Aber das Angebot an SchwarzweiĂ-Filmen ist insgesamt gröĂer. Hier stellen auch Adox, Agfa, Forma und Orwo immer noch oder wieder her. FĂŒr die Selbstentwicklung gibt es etwa spezielle Labor-Boxen zu kaufen, die eine Dunkelkammer fĂŒr die Filmentwicklung ĂŒberflĂŒssig machen.
Bei der ISO-Zahl gilt: Je höher, desto lichtempfindlicher der Film. Und je empfindlicher ein Film ist, desto mehr Spielraum erhÀlt der Fotograf bei Blende und Zeit. Die meisten Fotografinnen und Fotografen wÀhlten einen 400er-Film, sagt Görner.
Zum analogen Fotografieren muss man nicht zuletzt die Grundlagen der Fotografie kennen. "Der Fotograf wird bei jedem Bild gefordert, muss immer eine Entscheidung treffen, da er das Bild nur einmal machen kann", erklĂ€rt Marwan El-Mozayen die Herausforderung. Das Ergebnis sei entweder gut oder nutzlos: "Es ist eine andere Philosophie des Arbeitens. Fotografen mĂŒssen konzentrierter und genauer arbeiten. Film verzeiht keine Schludereien."