So wirkt sich die Pandemie auf die ErnÀhrung aus
Fast Food oder eine gesunde Mahlzeit â was kommt bei Familien im Lockdown hĂ€ufiger auf den Tisch? Das zeigen nun aktuelle Daten. Zudem bereitet eine psychische Erkrankung Ărzten vermehrt Sorgen.
Die Corona-Pandemie stellt den Alltag vieler Menschen auf den Kopf â und das macht sich auch bei der ErnĂ€hrung bemerkbar: Chips und Limo statt ein warmes Mittagessen in der Schule, regelmĂ€Ăig Nudeln mit Pesto aus dem Glas, weil neben der Kinderbetreuung wenig Zeit bleibt, aber auch mehr Obst, GemĂŒse und frisch Gekochtes statt Currywurst und Pommes in der Kantine. "Bei der ErnĂ€hrung gibt es gerade Licht und Schatten", sagt Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft fĂŒr ErnĂ€hrung.
Unterschiedliche Gewohnheiten innerhalb der Familien
Leidtragende könnten vor allem Kinder aus Familien mit niedrigem Bildungsstand sein. "Es zeigt sich, dass die Schere weiter auseinander geht", sagt Donalies. Gut gestellte Familien legten auch im Lockdown groĂen Wert auf eine ausgewogene ErnĂ€hrung.
In Familien mit eher niedrigem Bildungsstand und geringerem Einkommen fehle dagegen oft das Wissen, wie man sich gesund ernĂ€hre. FĂŒr viele der Kinder aus diesen Familien sei das Essen in den Kitas und Schulen deshalb besonders wichtig. "Es gibt Kinder, die bekommen in der Schule oder Kita die einzige ausgewogene Mahlzeit am Tag", sagt Donalies.
Gewichtszunahme bei Kindern beobachtet
Ihr Risiko, in der Corona-Krise zuzunehmen, ist nach einer Studie von MĂŒnchner ErnĂ€hrungsmedizinern und ErnĂ€hrungsmedizinerinnen gröĂer. Nach der reprĂ€sentativen Umfrage unter rund 1.000 Familien hatten gut ein Viertel aller Eltern und neun Prozent der unter 14-JĂ€hrigen im Laufe der Pandemie an Gewicht zugelegt. Bei den ĂŒber 10-JĂ€hrigen aus Familien mit niedrigem Schulabschluss waren es sogar 23 Prozent, wie die Experten in der im Fachjournal "Annals of Nutrition and Metabolism" veröffentlichten Untersuchung schreiben.
"Die Kinder hocken mehr zu Hause rum. Sie bewegen sich zum Teil weniger und snacken mehr", erlĂ€utert Autor Hans Hauner, Professor fĂŒr ErnĂ€hrungsmedizin an der Technischen UniversitĂ€t MĂŒnchen. So aĂ ein Teil der Kinder in den befragten Familien zwar mehr Obst und GemĂŒse als vor der Pandemie. Etwa ein FĂŒnftel aller Kinder griff aber auch öfter zu Schokolade, Chips und Limo. Vor allem Kinder ĂŒber zehn Jahren langten bei sĂŒĂen und salzigen Snacks hĂ€ufiger zu.
Mehr SĂŒĂigkeiten und weniger Sport
Dass viele Kinder seit Beginn der Corona-Pandemie ungesĂŒnder leben, ergab auch eine bundesweite Studie des UniversitĂ€tsklinikums Hamburg-Eppendorf zur seelischen Gesundheit und dem Wohlbefinden von 7- bis 17-JĂ€hrigen. DafĂŒr befragte das Forscherteam von Mitte Dezember 2020 bis Mitte Januar 2021 mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche und mehr als 1.600 Eltern. Danach ernĂ€hrten sich viele Kinder und Jugendliche ungesund mit vielen SĂŒĂigkeiten, zehnmal mehr Kinder als vor der Pandemie trieben ĂŒberhaupt keinen Sport mehr.
Der ErnĂ€hrungsmediziner Hauner befĂŒrchtet deshalb, dass die Corona-Krise das Problem mit krankhaftem Ăbergewicht bei Kindern und Jugendlichen verschĂ€rfen könnte â mit möglicherweise langfristigen Folgen. "Studien zeigen: Etwa 80 Prozent der adipösen Jugendlichen bleiben im spĂ€teren Erwachsenenalter adipös", sagt Donalies. Und diese haben dann ein höheres Risiko fĂŒr Diabetes, Bluthochdruck oder Herzkreislauferkrankungen.
Wie wichtig richtige ErnĂ€hrung ist, darauf macht jĂ€hrlich am 7. MĂ€rz der "Tag der gesunden ErnĂ€hrung" aufmerksam. Der Verband fĂŒr ErnĂ€hrung und DiĂ€tetik veranstaltet diesen bereits zum 24. Mal. Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf Diabetes mellitus, den Ursachen fĂŒr die Erkrankung und der richtigen ErnĂ€hrungstherapie. Wegen der Corona-Pandemie wird es allerdings keinen Aktionstag geben. Dieser könnte aber zu einem spĂ€teren Zeitpunkt nachgeholt werden, heiĂt es auf der Homepage.
Mehr Essstörungen bereiten Sorge
Das Klinikum NĂŒrnberg bekommt zurzeit noch eine andere Folge der Corona-Pandemie zu spĂŒren. Auf der psychosomatischen Kinderstation behandeln die Fachleute seit Ende des ersten Lockdowns deutlich mehr Kinder und Jugendliche mit Essstörungen. "Es sind etwa doppelt so viele wie sonst", sagt Chefarzt Patrick Nonell. "Die Magersucht sticht dabei besonders hervor."
Mehr Stress in den Familien, weniger soziale Kontakte, der Wegfall von festen Tagesstrukturen und dadurch auch von festen Mahlzeiten â all das seien Risikofaktoren, die Essstörungen begĂŒnstigen können. Gerade MĂ€dchen, die an Magersucht erkrankten, könnten Stress oft nicht so gut verarbeiten, sagt Nonell.
Sie litten besonders stark unter der Verunsicherung und dem Kontrollverlust in der Pandemie. Dieses versuchten sie auszugleichen, indem sie ihr Gewicht noch stĂ€rker kontrollierten. "Dadurch haben sie das GefĂŒhl, wenigstens das selbst in der Hand zu haben", erlĂ€utert Nonell.