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Glyphosat: Umstrittenes Gift – was hat es damit auf sich?


Umstrittenes Pflanzenschutzmittel
Was man über Glyphosat wissen muss – Wirkung, Einsatz und Streitpunkte

Von dpa, jb

Aktualisiert am 12.05.2025 - 10:59 UhrLesedauer: 5 Min.
Pflanzenschutz gegen Schädlinge: Insbesondere das Mittel Glyphosat ist hoch umstritten.Vergrößern des Bildes
Glyphosat: Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittels, das den Wirkstoff Glyphosat enthält. (Quelle: Patrick Pleul/dpa)
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Das Unkrautbekämpfungsmittel wirkt auf fast alle Grünpflanzen und hat ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer Pflanzenvernichter. Und genau das macht Glyphosat so gefährlich.

Glyphosat zählt zu den beliebtesten und gleichermaßen umstrittensten Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Viele Landwirte schwören auf das Mittel gegen unerwünschtes Unkraut. Naturschützer, Wissenschaftler und die EU hingegen stehen dem Mittel kritisch gegenüber. So diskutieren Verbände, Politik und Wissenschaftler immer wieder über ein Verbot – welches dann kurzerhand beschlossen wird, aber nach einiger Zeit erneut zur Diskussion steht. Es herrscht ein stetiges Hin und Her. Wieso ist das Mittel so umstritten? Und kommt es in Deutschland zum Einsatz?

Wie wirkt Glyphosat?

Das Unkrautbekämpfungsmittel wirkt auf fast alle Grünpflanzen und hat ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer Pflanzenvernichter. Glyphosat blockiert ein ganz bestimmtes Enzym (EPSPS (5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase)), das die Pflanzen benötigen, um essenzielle Aminosäuren zu bilden. Ohne diese Aminosäuren können die Pflanzen nicht wachsen. Stattdessen vertrocknen sie und sterben langsam ab.

Glyphosat wird nicht über die Wurzeln, sondern über grüne Bestandteile wie die Blätter aufgenommen. Der Stoff verteilt sich und bewirkt, dass eine Pflanze vollständig verwelkt und abstirbt. Wo Glyphosat versprüht wird, wächst kein Gras mehr. Und auch kein Kraut, Strauch oder Moos.

Laut Herstellern besitzen Menschen und Tiere dieses Enzym nicht. Deshalb ist ihrer Meinung nach Glyphosat ungefährlich. Einige Studien deuten jedoch darauf hin, dass Glyphosat nicht nur das Pflanzenwachstum, sondern auch die Mikroorganismen im Boden und das Verdauungssystem vieler Lebewesen – auch von Menschen – beeinflussen kann. Es herrscht daher eine stetige Diskussion über die Gefährlichkeit des Mittels.

Wie viel Glyphosat wird eingesetzt?

Nach Angaben des Umweltinstituts München e.V. zählt Glyphosat zu den weltweit meistverkauften Pflanzengiften. Seit der Markteinführung 1974 wurden weltweit etwa 8,6 Milliarden Kilogramm des Wirkstoffs aufgebracht. Derzeit liegt die Menge zwischen 600.000 und 750.000 Tonnen auf der ganzen Welt. Prognosen zufolge könnte dieser Wert in diesem Jahr auf bis zu 920.000 Tonnen steigen.

Wo kommt das Mittel zum Einsatz?

Der weitaus überwiegende Teil entfällt in Deutschland auf die Landwirtschaft. Es wird aber auch im Gartenbau eingesetzt. Nach Angaben des BUND Naturschutz kommt Glyphosat auf 31 Prozent der Acker- und 4 Prozent der Grünflächen in Deutschland zum Einsatz. Damit sollen die Felder vor oder kurz nach der Aussaat und erneut nach der Ernte unkrautfrei gehalten werden.

Während der Wachstumszeit der Nutzpflanzen kommt Glyphosat nicht zum Einsatz, da diese sonst ebenfalls absterben würden. Über Jahre wurde Glyphosat auch entlang von Schienen zur Pflege des Gleiskörpers angewendet, darauf verzichtet die Deutsche Bahn aber seit 2023.

Warum setzen Landwirte auf das Mittel?

Bauern wollen mit dem Unkrautvernichter Kräuter und Gräser bekämpfen, die mit den Nutzpflanzen um Raum, Wasser, Nährstoffe und Sonnenlicht konkurrieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitteln wirkt Glyphosat unter praxisüblichen Anwendungen nicht über den Boden nach. Wenn Landwirte auf die Unkrautbekämpfung per Pflug verzichten können, sparen sie bei Arbeitszeit- und Maschinenkosten.

Die Glyphosate Renewal Group und der Deutsche Bauernverband weisen darauf hin, dass sich beim Pflügen die CO2-Emissionen und der Verbrauch fossiler Brennstoffe erhöhen könnten. Auch führe das Pflügen zu einem unerwünschten Verlust von Bodenmaterial und zur Zerstörung von Kleinstlebewesen, die für die Humusbildung essenziell seien.

Wo begegnet Verbrauchern Glyphosat?

Wegen des Einsatzes in der Landwirtschaft finden sich Spuren des Wirkstoffs in Nahrungsmitteln – und zwar nicht nur in denen, die direkt vom Feld kommen. Über Futtermittel kann es etwa ins Fleisch gelangen, erklärt die Verbraucherzentrale Hamburg. Das bestätigen auch immer wieder Untersuchungen von "Öko-Test".

Auch in anderen Produkten wie Bier wurde schon Glyphosat entdeckt. Die Menge sei aber unbedenklich, schreibt etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Kläranlagen können jedoch auch immer wieder etwas Glyphosat im Abwasser nachweisen. Es wird vermutet, dass knapp ein Prozent des Glyphosats, das in der Landwirtschaft genutzt wird, auch in Gewässern landet. Je nach Lage des Wohngebiets könnte die Belastung sogar höher sein.

Glyphosat in Waschmittel?

Doch stammt das Glyphosat aus dem Abwasser wirklich aus der Landwirtschaft? Dazu hat Professorin Carolin Huhn von der Universität Tübingen geforscht. Die Ergebnisse lösten rege Diskussionen aus. Denn laut den Ergebnissen spielt auch Waschmittel eine bedeutende Rolle.

Für ihre Studie untersuchte Huhn über einen längeren Zeitraum hinweg die Glyphosat-Konzentrationen in Flüssen und Bächen in Europa und den USA. Dabei fiel auf, dass die höchsten Werte in europäischen Gewässern im Sommer gemessen wurden – also außerhalb der typischen Zeiten für den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft. Zudem stiegen die Glyphosatwerte nicht wie erwartet nach Regenfällen an, was bei landwirtschaftlicher Herkunft zu erwarten wäre.

Huhn vermutet, dass bestimmte Inhaltsstoffe in Waschmitteln, sogenannte Phosphonate (z. B. DTPMP), in Kläranlagen zu Glyphosat umgewandelt werden. Diese Stoffe werden als Wasserenthärter eingesetzt. In den Kläranlagen könnten sie durch chemische Prozesse in Glyphosat und dessen Abbauprodukt AMPA umgewandelt werden. Diese gelangen dann über das Abwasser in die Gewässer.

Die Studie ist allerdings umstritten. Es sind noch weitere Untersuchungen notwendig, um die genauen Mechanismen und das Ausmaß der Glyphosat-Entstehung aus Waschmitteln zu verstehen.

Wo darf Glyphosat verwendet werden?

Grundsätzlich dürfen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nur auf Flächen in Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwirtschaft eingesetzt werden.

In Haus- und Kleingärten, Naturschutzgebieten, Nationalparks, öffentlichen Parks und Gärten, auf Sportplätzen, Schulgelände und Spielplätzen ist die Anwendung genauso verboten wie in der Regel auf befestigten Flächen wie Fußsteigen oder Einfahrten. Generell glyphosatfrei ist der ökologische Landbau. Allerdings kann ungünstiger Wind die Substanz auf die Felder von Bio-Bauern tragen. Und auch zur Vorsaatenbehandlung darf Glyphosat nicht verwendet werden.

Warum ist Glyphosat aus Umweltaspekten umstritten?

Durch weniger Wildpflanzen auf und neben den Feldern gibt es geringeren Lebensraum für Insekten und Feldvögel. Das schadet auch der Landwirtschaft selbst, denn deren Erträge hängen maßgeblich von bestäubenden Insekten ab. Und das Herbizid findet sich letztlich in der gesamten Nahrungskette – bis hin zu Säugetieren.

In den vergangenen Jahren haben Untersuchungen wiederholt Hinweise darauf ergeben, wie Glyphosat auf Honigbienen wirkt – etwa auf die kognitiven Fähigkeiten oder auf das Immunsystem. Eine Studie der Universität Konstanz kommt zu dem Schluss, dass Glyphosat die Lernfähigkeit von Hummeln beeinträchtigt, was ihre Fortpflanzungs- und Überlebenschancen verringere.

Ist Glyphosat krebserregend?

Darum kreist seit Jahren eine Debatte. Die Internationale Agentur für Krebsforschung, ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation, stuft das Mittel 2015 als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" ein. Das bedeutet, dass eine Krebsgefahr grundsätzlich möglich ist. In diese Kategorie fällt aber genauso rohes und verarbeitetes Fleisch.

Im Gegensatz dazu schrieb etwa die Europäische Chemikalienagentur 2022, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht genügten, um Glyphosat als krebserregenden, genverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoff einzustufen. Auch kommen u. a. die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung und die US-Umweltbehörde EPA zu einem solchen Schluss.

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Genauso weist Glyphosathersteller Bayer den Verdacht zurück, dass der Unkrautvernichter krebserregend sei. Dennoch ist der Konzern in den USA mit zahlreichen Klagen konfrontiert. Bayer musste in bestimmten Fällen hohen Schadenersatz zahlen, hat andererseits aber auch Prozesse gewonnen.

Was bedeutet eine Verlängerung der Zulassung bis 2033?

Eigentlich sollte Glyphosat ab 2024 verboten sein. Doch im November 2023 hat die Europäische Kommission die Zulassung bis zum 15. Dezember 2033 verlängert. Die EU-Kommission begründet ihre Entscheidung damit, dass weder die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) keine eindeutigen Hinweise auf erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt gefunden hat und lediglich weitere Forschung empfahl.

Für Verbraucher bedeutet das, dass sie weiterhin mit Rückständen in der Umwelt sowie auf Lebensmitteln oder gar im Wasser rechnen müssen. Allerdings vorwiegend außerhalb Deutschlands beziehungsweise bei importierten Produkten. Denn Deutschland hat trotz EU-Zulassung weitreichende Beschränkungen erlassen, etwa das massive Ausbringen des Mittels kurz vor der Ernte. Damit wollen viele Landwirte Unkrautdurchwuchs und Zwiewuchs verhindern, die das Ernten des Getreides sonst erschweren.

Was sagen Umweltverbände?

Umwelt- und Naturschutzverbände stehen der Verlängeurng bis 2033 kritisch gegenüber. Sie sprechen von einer "Katastrophe für Mensch und Artenvielfalt".

Verwendete Quellen
  • spektrum.de: "Könnte Glyphosat aus Waschmitteln stammen?" (Deutsch)
  • bmel.de: "Neubewertung von Glyphosat – Stand des EU-Verfahrens" (Deutsch)
  • bpb.de: "EU verlängert Glyphosat-Genehmigung" (Deutsch)
  • bmel.de: "BMEL zur Entscheidung der EU-Kommission über Glyphosat" (Deutsch)
  • bmel.de: "Aktuelle Regelungen zum Einsatz von Glyphosat in Deutschland" (Deutsch)

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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