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Klimawandel: Windkraft in Deutschland – nicht alle können überzeugt werden


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Neue Wege für die Energie
Warum glauben Menschen das?

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 25.10.2024Lesedauer: 4 Min.
Ein Arbeiter auf einer Windkraftanlage.Vergrößern des Bildes
Ein Arbeiter auf einer Windkraftanlage: Immer wieder gibt es heftige Diskussionen über Windkraftanlagen. (Quelle: Lucas Maier)
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Um komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, braucht es deutlich mehr Windkraft. Doch gegen die Projekte gibt es oft Widerstand.

Windkraft ja – aber nicht bei mir! Manchmal habe ich das Gefühl, so könnte man den Diskurs um Windräder überspitzt zusammenfassen. In Umfragen stimmten im Jahr 2021 bundesweit 75 Prozent der Befragten dem Ausbau von Windenergie an Land zu. Das ergab etwa die Ariadne-Studie. Auch eine neuere Studie von 2024 belegt mehrheitliche Zustimmung der Bevölkerung für die Windkraft. Gleichzeitig erfahren konkrete Ausbauprojekte vor Ort oft Widerstand, bis dahin, dass die Vorhaben eingestellt werden müssen.

Forschende haben daher untersucht, was dazu führt, dass Menschen Desinformationskampagnen gegen Windkraft Glauben schenken. Es ging explizit nicht darum, dass es natürlich auch berechtigte Kritik oder Bedenken zu konkreten Vorhaben gibt. Die Frage lautete gezielt: Warum glauben Menschen Falschinformationen?

Der neuen Studie zufolge, die in den USA, Großbritannien und Australien durchgeführt wurde, hängt das weniger vom Alter oder Geschlecht ab, auch nicht vom Bildungsgrad oder dem vorhandenen wissenschaftlichen Grundwissen – sondern eher vom eigenen Weltbild und eigenen Werten. Menschen, die für Verschwörungstheorien offen sind, glauben auch öfter an Desinformation zu Windkraftanlagen. Das wurde so ähnlich schon mal in einer deutschen Studie nachgewiesen. Auch die politische Einstellung war hier nicht ausschlaggebend.

 
 
 
 
 
 
 

Um die Erderhitzung zu stoppen und unsere Lebensgrundlagen zu erhalten, müssen wir – so schnell es geht – den Ausstoß von Treibhausgas-Emissionen beenden und auf erneuerbare Energien umstellen. Daher stellt sich natürlich die Frage, wie möglichst viele Menschen für den Ausbau gewonnen werden können. Die Studien legen nahe: Mit Informationskampagnen wird man diejenigen, die Desinformation Glauben schenken, nicht gewinnen können.

Das heißt nicht, dass Aufklärungskampagnen nichts bringen. Kris de Meyer, Neurowissenschaftler und Direktor der Climate Action Unit des University College London (UCL), forscht unter anderem dazu, wie Menschen sich ihre Meinung bilden und wie es zu gesellschaftlichen Polarisierungen kommt. Er erklärt es anschaulich anhand einer Pyramide. De Meyer sagt: Zu vielen Themen sind Menschen zunächst unentschieden, sie sitzen praktisch ganz oben auf der Pyramide, relativ nah beieinander. Etwa bei der Frage, ob der Ausbau von Windenergie eine gute Sache ist. Zu irgendeinem Zeitpunkt entscheiden sie sich, eher in die eine oder die andere Richtung zu tendieren, basierend auf den Informationen, die sie zu diesem Zeitpunkt besitzen.

Interessant ist der nächste Schritt: Unser Gehirn beginnt, sich selbst zu rechtfertigen. Es sucht nach weiteren Gründen, warum wir die richtige Wahl getroffen haben. "Und diese Rechtfertigung der eigenen Entscheidung macht es sehr viel wahrscheinlicher, dass unsere nächste Entscheidung oder Handlung in dieselbe Richtung geht", sagt De Meyer in einem TED-Talk zum Thema.

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Wir würden anfangen, mit Freundinnen, Familie oder Kollegen darüber zu sprechen oder sogar in sozialen Netzwerken dazu zu posten. All das ziehe weitere Rechtfertigungen und Handlungen nach sich. "Und ehe wir uns versehen, gehen wir Schritt für Schritt den ganzen Weg an der einen Seite der Pyramide hinunter", so De Meyer. "Je tiefer wir gehen, desto mehr sind wir überzeugt."

Dabei entfernen wir uns immer stärker von denen, die die andere Seite der Pyramide gewählt haben – und auch von dem, was wir selbst anfangs glaubten. De Meyer nennt das den "Prozess der Selbst-Überzeugung".

Die öffentliche Meinung ist demnach bei vielen Themen erst mal normal verteilt. Einige Menschen sind stark für etwas, andere stark dagegen, viele eher unentschieden in der Mitte. Versuche ich nun, andere mit einer Kampagne von meiner Meinung zu überzeugen, werde ich irgendwo in dieser Normalverteilung, deren Verlauf in einem Diagramm wie eine Glocke aussieht, eine Pyramide errichten. Einige Menschen werden den Schritt in die eine, andere in die andere Richtung machen. Einige Menschen werde ich also näher an mich heranholen, andere werde ich stärker von mir wegschieben.

Starke Zustimmung in bestimmten Regionen

Die Kunst ist es, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien nötig, gar überlebenswichtig ist. Das war in den vergangenen Jahren durchaus erfolgreich. Der Ariadne-Studie zufolge hat sich die Zustimmung in Deutschland von 43 Prozent im Jahr 2017 bis 2021 um ganze 32 Prozentpunkte gesteigert. Die Daten ermöglichen es, die Zustimmungswerte bis auf die Ebene der Landkreise herunterzubrechen (gut einzusehen beim Klimadashboard, das unterschiedliche Daten im Bereich Klima anschaulich aufbereitet). Dabei wird klar, dass es in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands durchaus unterschiedlich starke Zustimmungsraten zur Windkraft gibt.

Die Zustimmung ist den Forschenden zufolge in Regionen, in denen Windräder oder Solaranlagen ausgebaut wurden, in den vergangenen Jahren überproportional stark gewachsen. Bei jedem Versuch, andere zu überzeugen, besteht aber auch eine Gefahr, den Diskurs zu polarisieren.

Je mehr sich die Positionen voneinander entfernen, desto schwieriger wird es in einer Gesellschaft, vor allem in Demokratien, weil wir irgendwann kein geteiltes Verständnis mehr von der Realität haben. Als Beispiel führt De Meyer die Entwicklung in den USA an. 1994 hatten Republikaner und Demokraten empirischen Untersuchungen zufolge noch einen großen Anteil ähnlicher Positionen, 2017 war der überlappende Teil nur noch gering. Wörter wie Klimaschutz, Gendern oder Migration würden im Prozess der Selbst-Überzeugung sehr unterschiedlich aufgeladen und hätten schließlich nicht mehr die gleiche Bedeutung. "Und das heißt: Wir können nicht mehr miteinander sprechen, ohne uns gegenseitig zu verärgern", sagt De Meyer.

Es lohnt sich, früh mit der Aufklärung anzufangen

Der Studie aus Deutschland zufolge half es aber durchaus, Informationen zur Verfügung zu stellen, sogar bei denjenigen, die eine große Offenheit gegenüber Verschwörungen zeigten. Interessanterweise war das jedoch weniger wirksam, wenn die Informationen als Debatte präsentiert wurden, also auch widersprechende Argumente aufgeführt wurden. Wenig wirksam war es – De Meyers Schema entsprechend – außerdem bei Menschen, die bereits Verschwörungen zu Windparks Glauben schenkten.

Die deutschen Forschenden schlussfolgern daher, dass es sich lohnt, früh mit der Aufklärung anzufangen, anstatt später Verschwörungen etwas entgegenstellen zu wollen. Für lokale Projekte bedeutet das: Redet mit allen Beteiligten auf Augenhöhe, greift ernsthafte Bedenken auf, räumt sie wenn möglich aus – und fangt früh genug damit an.

Verwendete Quellen
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