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Jeff-Bezos-Hochzeit in Venedig: Luxus pur, Klima egal


Luxus pur, Klima egal
Ein Reflex, der nicht weiterhilft

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

27.06.2025 - 16:12 UhrLesedauer: 4 Min.
Jeff Bezos und Lauren Sánchez: Das Paar wird am Freitag in Venedig heiraten.Vergrößern des Bildes
Jeff Bezos und Lauren Sánchez: Das Paar heiratet in Venedig. (Quelle: IMAGO/Piovanotto Marco/ABACA)
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Die Hochzeit von Jeff Bezos in Venedig zeigt eindrucksvoll, wie groß der ökologische Fußabdruck von Superreichen ist. Das darf aber nicht zu einer Ausrede verkommen.

Sie reisen mit Privatjets und auf Yachten an, um mehrere Tage lang im Luxus zu schwelgen: Mindestens 200 prominente Menschen aus aller Welt haben Amazon-Gründer Jeff Bezos und die TV-Moderatorin Lauren Sánchez zu ihrer aufsehenerregenden Hochzeit nach Venedig eingeladen. Sie logieren in vier Luxushotels, gefeiert wird auf einer Privatinsel, mehrere Orte sind für die unterschiedlichen Veranstaltungen gemietet, ganze Bereiche der Stadt für Boote und Fußgänger abgesperrt.

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Viele Details hat das Brautpaar darüber hinaus nicht bekannt gegeben. Doch so viel kann man sagen: Diese Hochzeit wird nicht nur teuer (geschätzte 50 Millionen Euro), sondern auch alles andere als umwelt- und klimafreundlich.

Ein durchschnittlicher Amazon-Mitarbeiter bräuchte 207 Jahre

Amazon-Gründer Jeff Bezos ist mit einem Vermögen von aktuell 215 Milliarden US-Dollar laut der Milliardärsliste des Wirtschaftsmagazins "Forbes" der drittreichste Mensch der Welt. Auch Tesla-Gründer Elon Musk und der Gründer von Facebook, Mark Zuckerberg, die Platz 1 und 2 der Rangliste belegen, sollen unter den Hochzeitsgästen sein. Wie viele Emissionen das Riesen-Event genau verursacht, lässt sich nur schwer schätzen. Aber allein die beiden Privatjets von Jeff Bezos waren einer Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Oxfam zufolge im Jahr 2023 für 2.908 Tonnen CO2 verantwortlich. Laut Oxfam bräuchte ein durchschnittlicher US-Amazon-Mitarbeiter fast 207 Jahre, um so viel auszustoßen.

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom "Medium Magazin" zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Auch Elon Musk besitzt zwei Privatjets, die den Berechnungen zufolge zusammen 5.497 Tonnen CO2 pro Jahr produzieren. Eine durchschnittliche Person bräuchte demnach 834 Jahre, um so viel CO2 auszustoßen; ein Mensch, der zu den ärmsten 50 Prozent der Welt gehört, sogar 5.437 Jahre.

"Ein für den Planeten verheerender Lebensstil"

Kein Wunder also, dass viele gegen die Party des Superreichen protestieren, etwa mit dem Slogan: "Wenn du Venedig für deine Hochzeit mieten kannst, kannst du mehr Steuern zahlen." Die italienische Sprecherin von Greenpeace argumentiert, Bezos stehe für "die Arroganz einiger Milliardäre mit einem für den Planeten verheerenden Lebensstil" und fordert die Besteuerung der enormen Gewinne der Superreichen als einen "ersten Schritt in Richtung sozialer und klimatischer Gerechtigkeit".

Die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich ist dramatisch, ich will sie überhaupt nicht kleinreden (ich habe schon darüber geschrieben, und auch darüber, wie der jetzige Bundeskanzler mit seinem Privatflugzeug einst zu Christian Lindners Hochzeit nach Sylt reiste). Superreiche höher zu besteuern, wäre ein guter Hebel, um mit dem Geld Emissionen zu senken. Aber in letzter Zeit kommt es mir häufig so vor, als verkomme es zu einer Art Reflex, auf die Schuld von Superreichen zu verweisen, wenn es um die Verantwortung für Klimaschutz geht.

Nur eine Ausrede, um selbst nichts ändern zu müssen?

Wenn ich darüber spreche, wie akut die Klimakrise ist und welche Handlungsoptionen es gibt, höre ich inzwischen seltener: "Aber was ist mit China …?" und dafür häufiger: "Aber was ist mit Superreichen … ?" Ersteres ist mittlerweile in vielen Kreisen als "Whataboutismus" entlarvt – also als ein rhetorisches Mittel, das vor allem dazu dient, die angesprochenen eigenen Probleme zu relativieren. Letzteres dagegen scheint, gerade in linken Kreisen, als angesagtes und legitimes Argument zu gelten. Beides dient nicht selten als Ausrede, um selbst nichts ändern zu müssen, nach dem Motto: "Die anderen sind doch viel schlimmer, was soll ich schon tun?"

Dabei haben beide Punkte einen wahren Kern: China ist seit Jahren der mit Abstand größte Verschmutzerstaat weltweit. Und die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung sind für die Hälfte der CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2015 verantwortlich. Historisch betrachtet ist Deutschland jedoch weiterhin eines der sechs Länder mit den höchsten Emissionen weltweit. Und mit einem mittleren Bruttojahresverdienst von aktuell 52.159 Euro liegen Deutsche deutlich über dem globalen Durchschnitt, ebenso beim Pro-Kopf-Ausstoß von 10,4 Tonnen pro Jahr. Deutschland hat damit international weiterhin einen vergleichsweise großen CO2-Fußabdruck. Und damit auch eine entsprechende Verantwortung und – konstruktiv betrachtet – einen großen Hebel, um etwas zu verändern.

Die Energie lieber nutzen

Gleichzeitig hilft alles, was wir vor Ort tun, um die Emissionen zu stoppen, die Folgen der Erderhitzung abzumildern und besser mit den Auswirkungen umzugehen. Hitze, Hochwasser, Stürme und Dürren spüren wir auch in Deutschland schon seit Jahren, und sie werden immer extremer. Den Fuß selbst nicht vom Gas zu nehmen, nur weil andere weiter rasen, wird den absehbaren Aufprall nicht abmildern.

Auch wenn Zahlen wie diese dazu verleiten: In Deutschland gibt es inzwischen rund 3.900 sogenannte ultrahochvermögende Privatpersonen ("Ultra High Net Worth Individuals" (UHNWI), also Menschen mit einem Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar. Sie besitzen rund 27 Prozent des gesamten Finanzvermögens im Land. Innerhalb eines Jahres stieg ihre Zahl um 500 Personen, ihr Vermögen um 16 Prozent. Deutschland hat die drittmeisten Superreichen, nach den USA und China.

Das ist ungerecht und auch entmutigend, das gebe ich zu. Aber manchmal denke ich: Wer Energie hat, sich zu beschweren, sollte sie lieber nutzen, um sich zu organisieren und Veränderung anzuschieben – und meinetwegen auch gern für eine höhere Besteuerung von Superreichen zu kämpfen. Wer es gar nicht erst versucht, hat schon verloren.

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