Rückschlag für Klimaziele Arcelor Mittal stoppt Pläne für "grünen" Stahl

Der Stahlkonzern Arcelor Mittal stoppt den Umbau seiner Werke hin zu "grünem" Stahl. Das Projekt sei schlicht nicht wirtschaftlich genug, erklärte das Unternehmen.
Der klimaneutrale Umbau der deutschen Industrie erhält einen weiteren Rückschlag. Der Stahlkonzern Arcelor Mittal stoppt die "grüne" Umstellung seiner Stahlwerke in Bremen und im brandenburgischen Eisenhüttenstadt. Das Unternehmen könne entsprechende "Pläne zur Dekarbonisierung der Flachstahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt leider nicht weiterverfolgen", teilte der Konzern am Donnerstag überraschend mit.
Gründe seien die Marktsituation sowie die fehlende Wirtschaftlichkeit einer CO2-reduzierten Stahlproduktion. Zugleich kündigte das Unternehmen an, auf Fördergelder der Bundesregierung in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zu verzichten.
"Wir wissen die Finanzierung durch die Bundesregierung und das Land Bremen sowie die Unterstützung des Landes Brandenburg für dieses Projekt zu schätzen", erklärte Geert Van Poelvoorde, Chef von Arcelor Mittal Europe. Aber selbst mit der finanziellen Unterstützung sei die Wirtschaftlichkeit der Umstellung nicht ausreichend gegeben.
Die Ankündigung ist ein Rückschlag für die Bemühungen, den Wirtschaftsstandort Deutschland klimaneutral umzubauen. Zuvor waren schon andere Vorzeigeprojekte gefloppt: etwa der Bau einer Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide oder der Bau einer Chipfabrik durch den US-Konzern Wolfspeed im Saarland.
Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft spielt die Stahlindustrie eine Schlüsselrolle. Denn Stahl ist in der Herstellung klimaintensiv – die Branche ist einer der größten CO2-Emittenten in Deutschland. Das Eisenerz – chemisch gesehen Eisenoxid – wird mit Kohle reduziert und dabei entsteht das Klimagas Kohlendioxid.
Zwei Verfahren sollten die Stahlerzeugung klimafreundlich machen:
- Direktreduktionsanlagen (DRI) setzen statt auf Kohle auf grünen Wasserstoff, der aus Wasser über Windstrom erzeugt wird. Das Problem: Noch ist der grüne Wasserstoff teuer und äußerst knapp.
- Elektrolichtbogenöfen ersetzen die Kohle durch Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Sonne. Doch auch hier sind die Kosten hoch.
So sieht es auch Arcelor Mittal. "Es wird immer deutlicher, dass die Energiewende in allen Bereichen langsamer als erwartet vorankommt. Dazu gehört auch, dass grüner Wasserstoff noch keine tragfähige Energiequelle ist und die DRI-Produktion auf Erdgasbasis als Übergangslösung nicht wettbewerbsfähig ist", teilte das Unternehmen in einer Presseerklärung mit.
Konzern rechnet mit der Politik ab
Die Presseerklärung gerät dabei zu einer Abrechnung mit den Anforderungen der Klimapolitik. "Die Weltwirtschaft hat noch nicht das erforderliche Tempo, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen", stellt das Unternehmen fest und bilanziert: "Der europäische Stahlmarkt steht unter einem beispiellosen Druck aufgrund der schwachen Nachfrage und der hohen Importe."
Arcelor Mittal werde sich in Bremen und Eisenhüttenstadt auf die Planung zum Bau von Elektrolichtbogenöfen konzentrieren – um vorbereitet zu sein, wenn die Produktion mit ihnen dort wirtschaftlich sinnvoll sei, hieß es. Elektrolichtbogenöfen sind strombasiert.
Die Stahlbranche in Europa sieht sich großer Konkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt. Umso mehr sollte das Projekt "Grüner Stahl" die Innovationsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie belegen. Nun folgt ein herber Rückschlag. Zuletzt fürchtete die Gewerkschaft IG Metall in der Stahl- und der Autobranche um Zehntausende Arbeitsplätze im Land, sollte der Umbau an Schwung verlieren.
Entsetzen in Bremen und Brandenburg
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) reagierte entsetzt und forderte: "Der Konzern muss jetzt umgehend eine Perspektive für die Hütte und die Arbeitsplätze aufzeigen. Ich erwarte, dass er sich zu dem Werk und der Stahlproduktion in Bremen bekennt."
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärte in einer ersten Stellungnahme: "Das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt ist Herz und Rückgrat von Ostbrandenburg." Die Landesregierung unternehme alles, um mit den Beschäftigten, dem Bürgermeister, dem Unternehmen sowie allen Beteiligten die Arbeitsplätze im Stahlwerk zu schützen. "Der Industriestandort Deutschland und Europa darf nicht gefährdet werden."
Der frühere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den Umbau der Stahlindustrie mit milliardenschweren Fördergeldern vorangetrieben. Er hatte die Transformation der Stahlindustrie als riesigen Beitrag zum Klimaschutz bezeichnet. Die Stahlprojekte leisteten als wichtige Abnehmer einen entscheidenden Beitrag zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.
In Bremen erzeugt Arcelor Mittal mit rund 3.500 Mitarbeitern rund 3,6 Millionen Rohstahl pro Jahr. Der Konzern ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. In Eisenhüttenstadt zählt der Stahlkonzern 2.700 Beschäftigte.
- Nachrichtenagentur dpa
- www.germany.arcelormittal.com: ArcelorMittal Europe drängt auf schnellere Umsetzung des Aktionsplans für Stahl und Metalle (Pressemitteilung)
- www.butenunbinnen.de: Kein grüner Stahl aus Bremen: Arcelor Mittal kippt Umbau-Pläne
- www.faz.net: Der schwierige Weg zu grünem Stahl