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Warum das Entschuldigen Kindern oft so schwer fällt


"Es tut mir leid!"
Warum Entschuldigungen Kindern oft so schwer über die Lippen kommen

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 21.11.2018Lesedauer: 4 Min.
"Der Schuldbegriff ist in unserer Kultur unheimlich belastet."Vergrößern des Bildes"Der Schuldbegriff ist in unserer Kultur unheimlich belastet." (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)
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In dem Wort "entschuldigen" steckt die Möglichkeit, sich von einer Schuld zu befreien. Dazu muss man sich aber erst mal "schuldig" fühlen. Und genau hier liegt meist das Problem – wenn Kinder in Situationen kommen, in denen sie sich entschuldigen sollen, das aber nicht wollen.

Auch eine Überreaktion ist eine Reaktion

Unsere Kinder sollen freundliche, höfliche und rücksichtsvolle Menschen werden. Sozial sein, sich gut in Gruppen bewegen können. Mitgefühl zeigen. Und deswegen fordern wir Erwachsenen auch von einem Kind, das einem anderen wehgetan oder ihm etwas kaputt gemacht hat, dass es sich entschuldigt. Und sind dann hilflos bis empört, wenn es sich weigert.

Die Frage ist allerdings, warum sich das Kind weigert: Liegt es daran, dass ihm die Situation peinlich ist? Dass es das Entschuldigen als ein Eingestehen von Schwäche empfindet? Oder daran, dass wir nur eine Momentaufnahme des Ganzen mitbekommen haben und daher den falschen Schuldigen zur Ent-Schuldigung zwingen wollen?

Ist man immer schuld, wenn man sich entschuldigt?

Wir wissen nicht, welches verletzende Wort, welcher gezielte Blick, welche Geste dazu geführt hat, dass eines der Kinder überreagiert. Dass es sich nicht anders zu helfen wusste. "Denn auch beim Triezen gibt es eine Grenze", erklärt Andreas Engel von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung.

Mit wem zeigen wir also Mitgefühl, auf wen nehmen wir Rücksicht? Ist es wirklich sozial, wenn ich ein Kind, das das Gefühl hat, sich nur verteidigt zu haben, zu einer Entschuldigung bewege? Schließlich wird es so automatisch zum Täter und das andere Kind zum Opfer. Rollen, die im Normalfall ziemlich sicher beiden nicht gerecht werden und die sich schnell verselbstständigen können.

"Der Schuldbegriff ist in unserer Kultur unheimlich belastet. Wenn man das Ganze ein bisschen runterdimmt und sagt, Schuld ist eine Verursachung, sich also fragt, wer hat warum den Streit ausgelöst, dann sieht die Sache schon ein bisschen anders aus." Und dann kann man auch andere Lösungen für die Streithähne finden.

Die Entschuldigung als Friedens-Hilfsmittel

Fühlt sich ein Kind im Recht und soll sich dann auch noch entschuldigen, dann ist da nicht mehr zu erwarten als ein herausgepresstes "Tschuldigung". Das Wort wird häufig verwendet, ohne auch nur im Ansatz ernst gemeint zu sein – nicht nur von Kindern. Es ist für uns alle immer wieder mal nicht mehr als eine leere Worthülse, mit der wir uns Probleme vom Hals halten. "Dass das Kind mit dem Wort auch mal so umgeht, würde ich in die Kategorie 'Risiken und Nebenwirkungen' einordnen", sagt der Diplompsychologe.

"Menschen, die schlau sind – und das sind Kinder in der Regel –, lernen schnell, dass sie etwas auch zu ihren Gunsten verwenden können. Was in Ordnung ist." Letztendlich ist es eine Anpassungsleistung, die wir alle täglich leisten – man schafft eine Oberfläche, die vielleicht nicht völlig ehrlich den echten Gefühlen entspricht, aber das gehört zu unserer Gesellschaft. "Kinder sind früh in der Lage zu verstehen, welchen Sinn ein solches Ritual hat und dass es ein guter Weg sein kann, einen Neuanfang zu machen, sich wieder zu vertragen, den Streit zu beenden. Beziehungen brauchen solche Rituale."

Wir sind nicht von Geburt an empathisch

Natürlich ist es nicht in Ordnung, anderen weh zu tun, ihnen Sachen wegzunehmen oder sie mit Erde zu beschmeißen. Trotzdem ist es wichtig, mit den Kindern zu sprechen und ihnen genau zuzuhören. Herauszufinden, warum etwas getan wurde, um gemeinsam zu überlegen, ob die Reaktion wirklich angemessen war beziehungsweise, was man stattdessen hätte machen können. Denn damit einem Kind etwas leidtun kann, muss es erst verstehen, welche Gefühle es beim anderen erzeugt hat.

Um diese Empathie zu entwickeln, braucht es jemanden, der dem Kind Bedürfnisse und Gefühle spiegelt. So lernt es, sich in andere hineinzuversetzen, Impulsivität zu kontrollieren und zum Beispiel Reue zuzulassen. "Die Reaktion des anderen Kindes genügt oft schon, um etwas auszulösen. Und vor allem: daraus zu lernen für die Zukunft. Nur, wenn eine Entschuldigung von Herzen kommt, kann der andere auch wirklich verzeihen."

Die Mutter als Agentin der Gesellschaft

Wir alle schleppen mehr oder weniger ein Gewissen mit uns herum. Sigmund Freud nannte es das Über-Ich. Es beäugt unser Handeln und Denken kritisch und diktiert uns Regeln. Ein aufkommendes Schuldgefühl ist ein Vorgang, bei dem das Geschehene mit den inneren Anforderungen abgeglichen wird.

Bei kleinen Kindern ist dieses Gewissen aber noch nicht ausgeprägt, es entsteht gerade erst. Der in unserer Gesellschaft so wichtige Eigentumsbegriff zum Beispiel ist ihnen fremd. Sie verstehen nicht, warum das andere Kind weint, wenn sie im Sandkasten dessen Eimer nehmen, um damit zu spielen.

Richten sich dann alle Augenpaare auf die Mutter des Eimerdiebs, dann wird es "unfair und unheimlich knifflig. Weil die Mutter in dem Moment auftreten soll als Verteidigerin eines Begriffes, von dem sie spürt, dass ihr Kind ihn noch gar nicht begriffen hat." Erziehungsberater Andreas Engel rät Eltern in einer solchen Situation, sich stellvertretend für das Kind zu entschuldigen. Erstens tut es einem ja auch leid, dass das andere Kind traurig ist, zweitens löst es die angespannte Situation und drittens lernen schon die ganz Kleinen von unserem Vorbild.

Das eigene Verhalten reflektieren

Dazu gehört auch, dass sich Eltern bei ihren Kindern entschuldigen. Sie um Verzeihung bitten, wenn sie selbst etwas falsch gemacht haben oder unfair waren. "Das ist sozusagen der Königsweg – wenn Eltern in der Lage sind, einen Fehler zuzugeben und sich um einen Neuanfang bemühen."

Gutes Sozialverhalten lernen Kinder von ihren Eltern. Es gilt also, immer wieder zu reflektieren, wie man selbst mit seinen Kindern umgeht. Anschreien oder auch nur anschnauzen, herumschieben, ihnen etwas aus der Hand reißen – das alles sind Verhaltensweisen, die nicht dazu führen, dass das eigene Kind sozialer wird.

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