G8 kontra G9 So lange dauert es bis zum Abitur - die Bundesländer im Überblick
Vor 15 Jahren gaben die Bundesländer Vollgas, um flächendeckend das Turbo-Abi nach zwölf Jahren Schulzeit (G8) einzuführen. Jetzt treten viele auf die Bremse und kehren zu G9 zurück oder bieten beide Formen an. Die föderale Bildungslandschaft in Deutschland ist ein Flickenteppich.
G8 durchziehen oder zu G9 zurückkehren – das wird in den Bundesländern immer wieder zum Wahlkampfthema. Aktuell in Nordrhein-Westfalen. Acht Monate vor der Landtagswahl 2017 zeichnet sich bereits deutlich ab: Schulpolitik wird wieder ein Wahlkampfschlager der Opposition.
"Wir Erwachsenen versündigen uns an euch." Mit dieser klaren Aussage löste die nordrhein-westfälische Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) kürzlich Wirbel aus. Sie bezog dies auf den Stress der Schüler im "Turbo-Abitur".
Lange hat die NRW-Schulministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmannin - trotz anhaltender Kritik vor allem aus Bürgerinitiativen - eisern an G8 festgehalten. Inzwischen gibt es eine Kehrtwende. Sowohl Regierung als auch Opposition bringen flexible Modelle ins Spiel, die Schülern die Wahl zwischen dem kurzen und dem langen Weg zum Abi ermöglichen.
Massive Proteste von Eltern gegen G8
In den meisten anderen Bundesländern wurden in den vergangenen Jahren ähnlich erbitterte Schlachten zwischen Landesregierung und Opposition über die Schulpolitik geschlagen. Mehrere Länder sind nach massiven Elternprotesten zumindest teilweise zu G9 zurückgekehrt, haben mehr Wahlfreiheit zugelassen oder sind derzeit - wie Bayern - noch mitten in dieser Auseinandersetzung.
G8 oder G9? Die Bundesländer im Überblick
Baden-Württemberg bleibt grundsätzlich bei G8. Aber die grün-schwarze Landesregierung hat 44 Gymnasien die Rückkehr zu G9 als "Schulversuch" erlaubt. Diese Schulen sind völlig überlaufen. Eine Petition des Philologenverbandes für die freie Wahl der Schulen für G8 oder G9 war nicht erfolgreich.
In Bayern plant, den Gymnasien die Rückkehr zu G9 freizustellen. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) erwägt dies aber erst ab dem Schuljahr 2018/19. Den Schulen soll bei der Entscheidung keine Vorgabe gemacht werden. Auch beide Varianten an einer Schule sollen demnach möglich sein. Eine generelle Rückkehr zum G9 alter Prägung schließt die CSU-Landesregierung aus.
Berlin und Hamburg: Eltern, die 13 Schuljahre bis zum Abitur bevorzugen, können ihre Kinder an integrierten Schulformen wie Stadtteilschulen anmelden. An den Gymnasien wird das Abitur nach zwölf Jahren abgelegt. In Hamburg gelang es einer Elterninitiative nicht, genug Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, um auch an Gymnasien zu G9 zurückzukehren.
Bremen: An den Gymnasien wird in der Regel G8 angeboten. Ein Gymnasium im kleinsten Bundesland bietet G9 an. An den Oberschulen besteht die Möglichkeit, alle allgemeinbildenden Abschlüsse zu erlangen, auch das Abitur in der G8- oder G9-Form. Abitur können Schüler zudem an Freien Waldorfschulen erwerben. Dort sind es neun Jahre, wenn man vier Jahre Grundschulzeit abzieht.
Hessen hat unter CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier im Schuljahr 2013/14 Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 eingeführt. Durchgängig gilt sie derzeit aber nur für Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 7. Für ältere Schüler ist G8 an Gymnasien noch weitgehend verpflichtend. Rund 75 Prozent der neuen Gymnasiasten in Hessen werden das Abitur wieder nach neun Jahren ablegen. Es gibt derzeit noch 29 Gymnasien und drei kooperative Gesamtschulen mit G8-Angebot.
Niedersachsen kehrte nach den Sommerferien 2016 als erstes Bundesland komplett zum Abi nach 13 Schuljahren zurück. Leistungsstärkeren Schülern soll weiter die Möglichkeit eingeräumt werden, schon nach zwölf Jahren das Abitur zu machen.
Nordrhein-Westfalen bietet beide Möglichkeiten: Neben 612 Gymnasien mit zwölf Schuljahren gibt es ähnlich viele Alternativen an über 500 weiteren Schulen für das Abi nach 13 Jahren: an 203 Gesamtschulen, 223 Berufskollegs sowie zwölf Gymnasien im Modellversuch.
Rheinland-Pfalz ist als einziges West-Bundesland nicht auf den generellen G8-Zug aufgesprungen war. Es gibt dort G8-Ganztagsgymnasien, und schon immer gab es für gute Schüler die Möglichkeit, das Abitur schon nach acht Jahren an einem neunjährigen Gymnasium abzulegen. Die Regel sind aber neun Jahre.
Das Saarland hat ein Zwei-Säulen-Modell: Am Gymnasium gibt es das Abitur nach zwölf Schuljahren, an der Gemeinschaftsschule nach 13 Jahren.
Schleswig-Holstein hat Wahlfreiheit für die Schulträger, das sind meist die Kommunen. In der Regel bieten die Gymnasien das Turbo-Abi an. Neun Gymnasien sind zum neunjährigen Bildungsgang zurückgekehrt, an vier Gymnasien kann zwischen G8 und G9 gewählt werden. An den Gemeinschaftsschulen sind 13 Jahre bis zum Abi üblich.
In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird an den Gymnasien das Abitur in der Regel wie schon immer nach zwölf Schuljahren abgelegt.