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Sexuelle Belästigung: Was Opfer tun können


Vertrauen Sie Ihrem Gefühl
Sexuelle Belästigung: Wie sich Opfer wehren können

Von Annemarie Munimus

Aktualisiert am 17.01.2018Lesedauer: 4 Min.
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Ein Mann berührt eine Frau am KnieVergrößern des Bildes
Ein Mann berührt eine Frau am Knie: Ist das schon sexuelle Belästigung? (Quelle: andriano_cz/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Eine Hand auf dem Schenkel, als Komplimente getarnte Anzüglichkeiten wie "Ach, nicht nur hübsch, sondern auch schlau!". Das Spektrum an unterschiedlichen Formen von sexueller Belästigung ist riesig. Doch wie sollten Betroffene am besten reagieren? t-online.de hat die Diplom-Psychologin Dr. Charlotte Diehl nach konkreten Handlungsmöglichkeiten befragt.

Oft denken Menschen, die Opfer von sexueller Belästigung werden, dass sie ein bestimmtes Verhalten provoziert hätten. Ein kurzer Rock oder ein Ausschnitt geben jedoch niemandem das Recht, Sie sexuell zu belästigen.

Dass sexuelle Belästigung von Frauen keine seltenes Phänomen ist, bestätigen Umfragen.

Das Wichtigste zuerst: Sie sind nicht schuld!

Manche Täter argumentieren, sie fühlen sich durch die aufreizende Kleidung einer Frau belästigt oder provoziert. Dies lässt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes jedoch nicht gelten: "Wenn Frauen enge Kleidung tragen, ist das keine sexuelle Belästigung. Denn die Kleidung einer Frau verletzt einen Mann nicht in seiner Würde."

Vertrauen Sie Ihrem Gefühl

Oft ist sexuelle Belästigung subtil und nicht zweifelsfrei zu erkennen. Ein beherzter Griff an den Po ist deutlicher zu spüren, als ein anzüglicher Kommentar. Viele Betroffene denken dann: "Hat er das jetzt wirklich gesagt?" oder "Vielleicht habe ich mich verhört".

"Es ist wichtig, die eigenen Gefühle ernst zu nehmen und zu reagieren", sagt die Diplom-Psychologin Charlotte Diehl, die an der Universität Bielefeld unter anderem zu sexueller Belästigung geforscht hat. Betroffene sollten nicht versuchen, die Situation neu zu interpretieren. "Ihre Gefühle sind immer richtig. Fakt ist: Wenn es Ihnen unangenehm ist, darf der Gegenüber nicht weitermachen".

Wie unterscheiden Sie einen Flirt von sexueller Belästigung?

Der Flirt oder Spaß hört dort auf, wo das Gegenüber auf sein Geschlecht reduziert wird. "Beim Flirten und freundschaftlichen Necken spricht man die Person selbst an, nicht nur ihr Geschlecht. Es braucht ein wenig Empathie und das Gegenüber sollte genau beobachtet werden: Wie reagiert er/sie? Macht er/sie mit oder versucht er/sie sich aus der Situation herauszuwinden?", sagt Diehl.

Sexuelle Belästigung ist besonders unangenehm, weil sie meist wiederholt stattfindet. "Einzelfälle misslungener Flirtversuche sind nicht wirklich das Problem und werden von den meisten verkraftet. Zum Problem wird es, wenn die Flirtversuche trotz Absage immer wieder unternommen werden", sagt die Dipolom-Psychologin.

Warum es vielen Opfer schwer fällt, sich zu wehren

Aus Untersuchungen wisse man, dass Frauen ihre eigene Reaktion auf sexuelle Belästigungen hypothetisch anders einschätzen, als ihr Verhalten in der konkreten Situation tatsächlich aussieht, so Diehl.

"Während Frauen in Interviews auf beschriebene, also hypothetische Belästigungssituationen fast immer mit Wut und Empörung reagieren und klar sagen, dass sie die Situation verlassen würden, eine schlagfertige Antwort bereit hätten oder sich Hilfe holen würden, ist dies in simulierten tatsächlichen Belästigungssituationen ganz anders. Hier dominiert das Gefühl der Angst". In der Realität zögen sich Frauen eher zurück und vermieden Auseinandersetzung.

Was Sie gegen sexuelle Belästigung tun können

Sprechen Sie das Problem an. Egal, ob die Belästigung im beruflichen Kontext passiert, im privaten Umfeld oder in der Öffentlichkeit: Sagen Sie der Person, dass Sie sich durch ihr Verhalten belästigt fühlen und dass sie damit aufhören soll. "Wir haben in Studien herausgefunden, dass negative Rückmeldungen an den Täter tatsächlich zu einem signifikanten Rückgang von belästigendem Verhalten führen können", sagt Diehl.

Was können Sie konkret sagen?

Laut Diehl gibt es keine universell funktionierenden Sätze. Meist trete sexuelle Belästigung überraschend auf, sodass die Betroffenen zunächst einmal irritiert und überrumpelt seien. "Die Wenigsten können dann mit dem perfekten Satz kontern."

Betroffene können aber versuchen, so konkret wie möglich zu sein. Mögliche Sätze sind beispielsweise:

  • "Ich fühle mich von dir/Ihnen belästigt."
  • "Ich möchte das nicht."
  • "Ich möchte nicht angefasst werden."

Sexuelle Belästigung im beruflichen Kontext

Im beruflichen Kontext sollten Betroffene laut Diehl wie folgt reagieren:

  1. Sprechen Sie den Belästiger – wenn möglich – direkt an. Sagen Sie ihm, dass Sie sein Verhalten nicht dulden, und dass Sie es als übergriffig empfinden.
  2. Suchen Sie sich Verbündete – Unterstützung von Kollegen oder Personen aus Ihrem privaten Umfeld.
  3. Wenn direktes Ansprechen nicht hilft, sollten Sie den Arbeitgeber informieren. Er hat die Pflicht, alle Beschäftigten vor sexueller Belästigung zu schützen.
  4. Sollte der Arbeitgeber nicht reagieren oder er selbst der Belästiger sein, sollten Sie sich Unterstützung, beispielsweise in einer Beratungsstelle suchen (Antidiskriminierungsstelle des Bundes). Suchen Sie sich rechtlichen Beistand bei einem Arbeitsrechtler.
  5. Um Ihre Argumentation abzusichern, sollten Sie Protokoll über sexuelle Belästigungen führen und eventuelle Beweismittel wie SMS, E-Mails oder Fotos sichern.

Sexuelle Belästigung in der Freizeit

In Bars oder Diskotheken sind sexuelle Übergriffe, oft unter Einfluss von Alkohol oder Drogen, leider keine Seltenheit. Wenn Ihnen jemand in solchen Situationen zu nahe kommt, können Sie sich wehren.

  1. Sagen Sie klar, dass Sie die Berührungen oder Sprüche nicht möchten.
  2. Suchen Sie die Nähe von Ihren Freunden und Bekannten.
  3. Falls diese nicht verfügbar sind, können Sie umstehende Personen ansprechen und um Hilfe bitten.
  4. Informieren Sie das Barpersonal oder die Türsteher, wenn die anderen Maßnahmen wirkungslos bleiben.

Sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit

Viele Frauen – aber auch Männer – erleben Belästigungen in der Öffentlichkeit, beispielsweise in Bus und Bahn. Sie erfahren Berührungen von Fremden, oder anzügliche Bemerkungen.

  1. Artikulieren Sie möglichst laut, dass Sie sich belästigt fühlen und dass Sie das nicht möchten. Dadurch involvieren Sie anwesende Personen.
  2. Versuchen Sie auf Abstand zu gehen und bitten Sie andere direkt um Hilfe.
  3. Rufen Sie die Polizei oder nutzen Sie die Notrufsäulen am Bahnsteig, sofern vorhanden, falls Sie sich unsicher oder bedroht fühlen.

Sexuelle Belästigung durch einen Bekannten

Wenn Personen Ihres Vertrauens Sie belästigen, erscheint es oftmals sehr schwierig, das Problem anzusprechen. Aber niemand muss Berührungen oder sexuell anzügliche Bemerkungen über sich ergehen lassen, auch nicht von Freunden oder Bekannten. Sagen Sie auch hier deutlich, was Sie nicht möchten. Erklären Sie der Person, wie Sie sich dabei fühlen. Ändert sich das Verhalten nicht, sollten Sie auf Abstand zu der Person gehen und sich Hilfe von Angehörigen, Freunden oder gegebenenfalls von der Polizei holen.

Was Sie nach einem Vorfall tun können

Viele Frauen – aber auch Männer – schämen sich für das, was ihnen widerfahren ist. Gewissensbisse oder Schuldgefühle kommen hinzu. Oft spielen Betroffene die Situation herunter.

Doch wie mit dem Erlebten umgehen? Sprechen Sie mit vertrauten Personen über das, was Ihnen passiert ist. Wenn Opfer von sexueller Belästigung sich anderen anvertrauen, stellen sie häufig fest, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind. Das ist zwar in der Sache schlimm, jedoch kann der Austausch mit anderen Betroffenen auch helfen.

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