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Australiens wilder Norden: Abenteuer auf der Bullo River Station im Outback


Ungewöhnlicher Job
"Deshalb lerne ich hier viel mehr als anderswo"


15.06.2025 - 22:23 UhrLesedauer: 7 Min.
Emily Atkins: Die 19-Jährige arbeitet als Jillaroo im Outback in Australien.Vergrößern des Bildes
Emily Atkins: Die 19-Jährige arbeitet als Jillaroo im Outback in Australien. (Quelle: Anna-Lena Janzen/t-online)
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Die Bullo River Station im Northern Territory liegt weit entfernt von allem – Besucher bekommen einen Einblick in das Leben und die Arbeit im Outback.

Der Helikopter bietet Platz für nur vier Personen. Seine Glaskuppel gewährt einen nahtlosen Ausblick. Schroffe Felsformationen, tiefe Schluchten, weite Grasebenen und glitzernde Flüsse ziehen vorbei, während der warme Wind durch die offenen Seiten in die Kabine strömt. Mit etwas Glück erblickt man unter sich die massigen Umrisse der für die Region berüchtigten Salzwasserkrokodile, die sich an den Flussufern ausruhen.

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Das Fluggerät summt mit etwa 110 Kilometern pro Stunde über die endlose Weite des Northern Territory. "Wir landen gleich auf einem dieser Gipfel", kündigt der Pilot über das Headset an. Die Insassen klammern sich fest an ihre Kaffeebecher und staunen, als er den Chopper sanft auf einem Felsplateau über der zerklüfteten Wildnis aufsetzt. Die Szenerie ist atemberaubend. Pünktlich zum Sonnenaufgang klicken die Kameras.

Eine Sehnsucht, die bleibt

Wer je Zeit im australischen Outback verbracht hat, der trägt die Sehnsucht danach ein Leben lang in sich. Nach dem sanften Grün der Wildnis, dem Rot der Erde und dem hellblauen Himmel, der nachts über und über mit Sternen behangen ist. Nach dem würzigen Duft des Buschs im Morgentau, den Wallabys auf den staubigen Straßen und dem Krächzen der Papageien. Vor allem aber nach der endlosen Weite – fernab jeder Zivilisation.

Die Bullo River Station ist ein solcher Ort, der Sehnsüchte weckt. Diese abgelegene Rinderfarm mit luxuriösem Gasthaus erstreckt sich über 160.000 Hektar im östlichen Northern Territory. Die Farm liegt rund 800 Kilometer von Darwin entfernt, allein ihre Zufahrtsstraße ist 75 Kilometer lang – "der längste Driveway im Northern Territory", erzählt Emily bei der Ankunft, eine der Tourguides von Bullo River. Die meisten Urlauber reisen per Charterflugzeug an. Auf der Landebahn, einer großen Wiese direkt vor dem imposanten Gehöft, werden sie empfangen – mit gekühlten Handtüchern, die nach Zitronengras riechen, und mit selbst gemachtem Eistee. Dann werden sie in eines von den insgesamt zwölf Gästezimmern geleitet. Luxus, Abenteuer und Abgeschiedenheit.

Kein Tag hier ist wie der andere: Während die Gäste sich mit Helikopterflügen vergnügen, am palmengesäumten Pool liegen, in kristallklaren Wasserlöchern baden oder den tropischen Riesenbarsch Baramundi im nahegelegenen Fluss angeln, gibt es für die Angestellten der Farm täglich viel zu erledigen. So auch für Emily Atkins, sie ist eine sogenannte Jillaroo auf der Station. Lachend gesteht sie: "Die Arbeit verlangt dem Körper einiges ab. Besonders das Reiten war am Anfang eine Herausforderung, aber man muss einfach dranbleiben. Jeder, der bereit ist zu lernen, kann es schaffen."

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Stockman on horseback at daybreak, Kununurra, Kimberley region, Western Australia CopyrightÂNickxRains AUSCAPExAllxrightsxreserved (Quelle: imago stock&people/imago)

Jackaroos und Jillaroos

Jackaroos (männlich) und Jillaroos (weiblich) sind die traditionellen Bezeichnungen für junge Menschen, die auf australischen Farmen, sogenannten Cattle Stations, arbeiten und dort das Handwerk der Viehzucht erlernen – ähnlich wie amerikanische Cowboys und Cowgirls. Ihre Aufgaben reichen von der Arbeit mit Rindern und Pferden über das Reparieren von Zäunen bis hin zur Pflege von Wasserstellen. Der Begriff "Jackaroo" stammt vermutlich aus dem 19. Jahrhundert, als europäische Siedler die ersten Viehstationen in Australien gründeten. Jillaroos gab es erst später, als die Zahl von Frauen zunahm, die diese traditionell männlich dominierte Arbeit ebenfalls meisterten.

Alltag als Jillaroo: "Die Arbeit verlangt dem Körper einiges ab"

Emily ist mit Farmarbeit aufgewachsen, ihre Eltern Joe und Catherine Atkins leiten heute Bullo River Station. Nach ihrem Schulabschluss entschied sich die 19-Jährige, für eine Saison zu bleiben und die Arbeit aus erster Hand zu erleben. "Wir sind ein kleines Team, und deshalb lerne ich hier so viel mehr als anderswo. Ich verbringe viel Zeit mit meinem Vater und sehe, wie er arbeitet", erzählt sie.

Emilys Tag beginnt früh: "Frühstück gibt es um 6.30 Uhr. Danach prüfen wir die Buggys – Öl, Benzin, alles muss stimmen. Jeder Tag ist anders. Heute haben wir Zäune kontrolliert, Tränken gereinigt, Tanks überprüft und uns um die Pferde gekümmert."

Auch die Arbeit mit den Rindern gehört zu Emilys Aufgaben: "Wir holen die Kälber und Jungrinder rein, trennen sie von den Müttern, markieren sie, taggen und wiegen sie."

Während der Regenzeit von Dezember bis März kümmern sich die Rinder größtenteils um sich selbst und streunen durch das Land. Viele Orte auf der Farm sind dann überschwemmt und für Menschen kaum zu erreichen. Im April beginnt die erste "Musterrunde", bei der die sechs Monate alten Kälber von ihren Müttern getrennt und an den Umgang mit Pferden gewöhnt werden. Im September folgt die zweite "Musterrunde". Dabei kommen oft Hubschrauber zum Einsatz, um die Tiere aus den Paddocks, den Koppeln, zu treiben. Diese Aufgabe findet Emily besonders spannend: "In den großen Paddocks arbeiten oft zwei oder drei Chopper zusammen. Sie koordinieren alles von oben, und wir folgen auf Pferden, falls Tiere ausbrechen."

Anschließend wird das Vieh in die Rinderhöfe nahe der sogenannten Homestead (das Gehöft, die Homebasis auf einer Cattle Station) gebracht, wo es sortiert, geimpft und versorgt wird. Gäste der Farm können dieses Schauspiel von einer eigens eingerichteten Plattform aus beobachten.

Dass die Cattle Station auch Gäste willkommen heißt, sieht Emily als Bereicherung: "Man trifft viele neue Leute und bekommt gleichzeitig alle coolen Spots zu sehen." An ihren freien Tagen genießt sie die Natur in der Umgebung: "Hier gibt es alles – Flüsse, Wasserlöcher, Quellen, Salzwasser und Hügel. Der Naturschutz, den wir hier anwenden, und wie dadurch das Weideland verbessert wird, das finde ich einfach großartig." Doch ein kleines Stück Stadtleben vermisst Emily dann doch: "Shoppen und meine Freunde", gesteht sie mit einem Augenzwinkern.

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Ein Ort der Kontraste

Die Besitzer von Bullo River haben eine ambitionierte Vision: Alexandra und Julian Burt haben die Station 2017 übernommen und vereinen seitdem nicht nur Viehwirtschaft und Tourismus, sondern auch Naturschutz auf ihrem Land. Denn das ist Lebensraum für zahlreiche einheimische Tierarten wie Wallabys, exotische Vögel oder Krokodile. In Zusammenarbeit mit der Australian Wildlife Conservancy (AWC), einer führenden Naturschutzorganisation, setzen sie auf regenerative Landwirtschaft und Renaturierung. Die Ökologen betreiben auf dem Gebiet gezielte Programme, die sich auf Brandschutz, Wildtiermanagement und die Bekämpfung invasiver Pflanzenarten konzentrieren.

Der innovative Ansatz der Familie Burt und ihre Zusammenarbeit mit der AWC, stößt bei vielen traditionellen Farmern im Norden Australiens meist noch auf Skepsis. Viehzucht und Naturschutz stehen im Outback traditionell nicht miteinander im Einklang – die Farmer sehen andere Tierarten auf den Weideflächen oft als Plage, die es fernzuhalten gilt.

Als erfahrener Landwirt musste auch Joe Atkins, der in Bullo River den landwirtschaftlichen Teil des Unternehmens leitet, sich zunächst an die neuen Prozesse gewöhnen. "Wir stoßen unsere Köpfe zusammen, um Wege zu finden, wie das alles funktionieren kann." Mit Begeisterung spricht er von den Erfolgen der Initiativen, von denen letztlich auch die Rinder etwa durch bessere Weideflächen profitieren.

Gesündere Quellsysteme, regenerierte Seen, eine größere Vielfalt an Vegetation und eine reiche Tierwelt prägen das Bild. Ein entscheidender Schritt war die drastische Reduzierung der Rinderherde – von rund 7.000 auf etwa 2.500 Tiere. Die frei gewordenen Flächen wurden in einheimisches Buschland zurückverwandelt. "Die Besitzer wollen wirklich etwas verändern", so Joe. "Unser Viehmanagement basiert auf einem stressfreien Umgang mit den Rindern und ist eng an die Jahreszeiten gebunden." Die sichtbaren Erfolge sollen Bullo River Station zu einem Modell für nachhaltige Landwirtschaft im Outback machen.

Jeder Tag ein neues Abenteuer

Eine Einführungstour zu Beginn des Aufenthalts gibt Besuchern einen ersten Einblick in das Leben auf der Station und ihre Geschichte. Jahrtausende lang war das Land Heimat der indigenen Völker Miriwoong und Gajirrawoong, deren Felsmalereien noch heute in den Schluchten zu entdecken sind. 1960 wurde das Gebiet erstmals für pastorale Nutzung freigegeben, und eine Landebahn machte das abgelegene Fleckchen im Outback zugänglich. Seitdem hat die Station wechselnde Besitzer erlebt, darunter die australische Autorin Sarah Henderson und ab 2001 ihre Tochter Marlee Henderson, die Bullo River gemeinsam mit ihrem österreichischen Ehemann Franz erstmals für den Tourismus öffnete.

Travis Martin: Ein kreativer Kopf in der Wildnis

Solaranlagen decken heute rund 80 Prozent des Strombedarfs der Station, und ein üppiger Gemüsegarten mit Hühnern versorgt die Küche mit frischen Zutaten für die Gäste und das Team. Auf den Tellern landet frischer Fisch und Fleisch aus der Region, saisonales Obst und Gemüse. Chefkoch Travis Martin stammt aus Neuseeland und hat sich für eine Saison in Bullo River niedergelassen, um sich einer neuen Herausforderung zu stellen. "Hier liegt der Fokus wirklich auf der Nutzung dessen, was das Land hergibt", erklärt er. "Da drüben steht ein Affenbrotbaum – seine Nüsse können geerntet und zu Süßigkeiten verarbeitet werden. Ich arbeite gerade daran, Marshmallows daraus zu machen."

Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Gastronomiebranche, seinem eigenen Restaurant in Neuseeland und Reisen um die Welt hat Travis erlebt, wie Überfluss in der Lebensmittelindustrie zur Norm geworden ist. "Avocados zu jeder Jahreszeit – das ist doch nicht normal", sagt er kopfschüttelnd. Diese Erkenntnis habe ihn dazu gebracht umzudenken: "Wir sollten wieder zu dem zurückkehren, was uns früher ausgemacht hat: das nutzen, was gerade verfügbar ist, was die Saison hergibt. Kreativ werden, mit dem kochen, was wir haben, und dabei aufhören, so verschwenderisch zu sein."

Besonders erfreut er sich an den saftigen Mangos, die das Team auf der Farm erntet. "Von Papaya-Mango-Salaten hin zu Sorbets und Eiscreme – jetzt experimentiere ich auch damit, die Mangos zu dehydrieren und Süßigkeiten für Lunchboxen herzustellen."

Aufgrund der Abgeschiedenheit muss auch in der Küche umgedacht werden: "Man muss gut planen. Es ist nicht so, dass man einfach in die Stadt fahren kann, um etwas zu holen", sagt Travis. Einmal die Woche fährt das Bullo-Team für Erledigungen rund 200 Kilometer nach Kununurra, einer 5.000-Einwohner-Stadt in Westaustralien. Die Einschränkungen inspirieren Travis jedoch: "Wir überlegen ständig, wie wir jedes Produkt recyceln und mehrfach verwenden können."

Ein weiteres ambitioniertes Projekt der Station ist der Bau einer eigenen Fleischmanufaktur. Dafür wird derzeit ein bahnbrechendes Programm getestet: die Kreuzung von Wagyu-Bullen mit Brahman-Kühen, um künftig Qualitätsrindfleisch für den australischen Markt herzustellen. Brahman-Kühe sind gut an das heiße Klima im Outback angepasst. Wagyu-Rinder werden für ihre feine Marmorierung geschätzt. Die neue Kreuzung soll in Zukunft ein besonderes Geschmackserlebnis bringen.

Im Jahr 2026 plant die Bullo River Station eine umfassende Renovierung sowohl des Gästehauses als auch des Haupthauses. In dieser Zeit wird der Gästebetrieb vollständig ausgesetzt. Die Wiedereröffnung ist für Mai 2027 vorgesehen.

(Quelle: Anna-Lena Janzen/t-online)

Bullo River Station

Lage: Die Bullo River Station liegt im nordwestlichen Teil des Northern Territory, nahe der Grenze zu Westaustralien. Sie befindet sich etwa 800 Kilometer südwestlich von Darwin und 200 Kilometer östlich von Kununurra.
Anreise: mit dem Charterflugzeug: ab Darwin (ca. 90 Minuten), ab Kununurra (ca. 30 Minuten), mit dem Auto: ab Kununurra (ca. 4 Stunden, vorzugsweise mit einem Geländewagen).
Übernachtung: ab 1.450 australischen Dollar pro Nacht (all-inclusive).
Aktivitäten: Angeln, Hubschrauberflüge, Buschwanderungen, Schwimmen in Wasserlöchern, indigene Felskunst besichtigen, Farmaktivitäten und vieles mehr.
Essen: Frische, saisonale Gerichte, die mit Zutaten aus dem eigenen Garten und der Region zubereitet werden.
Klima und Reisezeit: Tropisch. Die Bullo River Station ist während der Trockenzeit von April bis September für Gäste geöffnet. In der Regenzeit ist die Station von Oktober bis März geschlossen. 2026 ist sie für Renovierungen geschlossen und soll im Mai 2027 wiedereröffnet werden.
Einreise: Deutsche benötigen ein Touristenvisum für Australien – erhältlich unter www.border.gov.au.
Weitere Informationen zu Aktivitäten und Unterkünften im Northern Territory finden Sie auf der offiziellen Tourismus-Website der Region.

Transparenzhinweis: Die Reise der Autorin wurde von Tourism Northern Territory unterstützt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interviews mit Emily Atkins, Joe Atkins und Travis Martin

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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