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Corona-Krise: Was bringen Lockdowns wirklich?


Verändertes Kontaktverhalten
Kommt jetzt der nächste Lockdown?


Aktualisiert am 12.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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Lockdown in Stuttgart (Symbolbild): Erwarten uns wieder geschlossene Geschäfte und Restaurants?Vergrößern des Bildes
Lockdown in Stuttgart (Symbolbild): Erwarten uns wieder geschlossene Geschäfte und Restaurants? (Quelle: Arnulf Hettrich/imago-images-bilder)

Schon bevor der erste Lockdown kam, haben wir uns weniger mit Freunden getroffen oder Veranstaltungen abgesagt. Das zeigen aktuelle Auswertungen. Drohen uns jetzt wieder neue Einschränkungen?

Am Wochenende zur Geburtstagsfeier oder zum Konzert, unter der Woche ins Büro, gemeinsames Mittagessen mit den Kollegen, Feierabendbier mit Freunden: Das alles war vor der Corona-Pandemie normal. Und es waren unzählige Kontakte, die heute eine mögliche Ansteckung mit dem Virus bedeuten könnten. Deshalb hat sich unser Kontaktverhalten während der Pandemie drastisch verändert.

Pascal Klamser hat diese Veränderungen wissenschaftlich untersucht. t-online hat mit dem Physiker darüber gesprochen, zu welchen Ergebnissen er kommt, wie sinnvoll die Lockdowns waren und ob es jetzt wieder Einschränkungen geben sollte.

(Quelle: privat/Pascal Klamser)


Pascal Klamser *1989 ist ein Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin am Institut für theoretische Biologie. In seinem Physikstudium, das er 2014 mit dem Master of Science abschloss, hat er Kipppunkte im Erdsystem und Meinungsdynamiken untersucht. Jetzt hat Klamser gemeinsam mit Frank Schlosser und den Mitgliedern des "Covid-19 Mobility Projects" den “Kontakt Monitor” veröffentlicht, mit dem die beiden Wissenschaftler das Kontaktverhalten während der Pandemie untersuchen.

Wie hat sich das Kontaktverhalten in der Pandemie verändert?

"Harter Lockdown", "Lockdown Light", "Teil-Lockdown": Im Laufe der Pandemie gab es immer wieder Einschränkungen, die sich vor allem auf unser Kontaktverhalten ausgewirkt haben. Das zeigen auch die Analysen von Pascal Klamser, die er gemeinsam mit Frank Schlosser im "Covid-19 Mobility Project" darstellt.

"Das sah am Anfang ein bisschen aus wie eine Achterbahnfahrt", erklärt Klamser im Interview mit t-online. Bereits vor dem ersten Lockdown, bei den ersten Fällen in Deutschland, gab es demnach einen Einbruch der Kontakte um rund 50 Prozent.

Vor der Pandemie habe jeder im Schnitt geschätzt 19 Menschen getroffen, dann waren es nur noch durchschnittlich neun pro Tag. "Das lag teilweise auch daran, dass es schon Schulschließungen und andere Maßnahmen gab, aber eben auch daran, dass Privatpersonen ihr Verhalten geändert haben." Im Juni 2020 habe sich das Kontaktverhalten etwas erholt und bei rund 60 Prozent der vorpandemischen Kontakte eingependelt.

"Mit dem ersten Lockdown light gab es dann keine Kontakte mehr am Wochenende bei großen Veranstaltungen, bis zum Sommer 2021 haben dann Arbeitskontakte, also Kontakte in der Woche, unser Leben dominiert", beschreibt Klamser weiter.

Erst der zweite Lockdown ab Mitte Dezember 2020 hat dann unser mittleres Kontaktverhalten langanhaltend auf etwa zehn tägliche Kontakte reduziert. Im vergangenen Sommer seien die Kontakte erstmals wieder angestiegen, ab etwa Juli gab es auch wieder mehr Kontakte bei Veranstaltungen am Wochenende als in der Woche.

"Aktuell sehen wir wieder einen Einbruch, aber wir sind die ganze Zeit unter einem vorpandemischen Niveau gewesen, auch die Veranstaltungen sind bei Weitem noch nicht da, wo wir vor der Pandemie waren", betont Klamser.

Wie wird das Kontaktverhalten analysiert?

Die beiden Wissenschaftler nutzen für ihren "Kontakt-Monitor" die Statistik der GPS-Daten von täglich etwa 600.000 Mobiltelefonen. "Wichtig ist, dass das alles von der Firma 'Net Check' anonymisiert wird, wir können also natürlich nicht nachvollziehen, wer sich wann an welchem Ort aufhält. Wir arbeiten nur mit der gelieferten Statistik", bekräftigt Klamser. Als Kontakt werde dann gezählt, wenn zwei Geräte sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort befinden. Dazu dürfen sie maximal einen Abstand von etwa acht Metern haben.

"Trifft sich ein Paar oder eine Familie beispielsweise öfter am Tag, wird das allerdings nur als ein Kontakt gezählt – aber bei einem Festival können in kurzer Zeit richtig viele Kontakte gesammelt werden", erläutert der Wissenschaftler.

Insgesamt seien aber alle Kontakte gleichbedeutend, egal ob ein Treffen einmal oder zehnmal am Tag stattgefunden habe. Aber natürlich sendet nicht jedes Handy Daten und nicht durchgehend werden Daten gesendet, sodass bei Weitem nicht alle Kontakte erfasst werden.

Welchen Einfluss haben die Impfungen auf unser Kontaktverhalten?

Ob die Impfungen einen Einfluss auf verstärktes Kontaktverhalten während der Sommermonate hatten, versuchen Klamser und sein Team gerade herauszufinden. "Es ist schwer auseinanderzuhalten: Man sieht eine Rückkopplung zwischen den Fallzahlen und Kontakten und es ist schwer zu sagen, welches von beiden das andere beeinflusst", erklärt der Wissenschaftler.

Ähnlich sei es bei den Impfungen. "Wir sehen, dass die Bundesländer, die jetzt eine hohe Inzidenz haben, eigentlich ein geringes Kontaktverhalten haben, aber auch eine niedrige Impfquote", erklärt Klamser. Umgekehrt sei dort, wo die Impfquote hoch sei, auch das Kontaktverhalten hoch. "Das kann schon ein Treiber sein." Das sei dennoch differenziert zu betrachten.

Wie wirksam waren die unterschiedlichen Lockdown-Arten?

"Der erste Lockdown war unvergleichbar", bekräftigt Klamser, "weil damals auch viel Angst mit reingespielt hat." Deshalb seien auch bereits vor dem offiziellen Lockdown die Kontakte überall zurückgefahren worden.

Der zweite Lockdown, der Lockdown light, hingegen wurde oft in seiner Effektivität angezweifelt. "In unseren Daten sieht man aber schon, dass vor allem die Variation der Kontakte an Wochenenden, also die Größe der Gruppen an Wochenende, zurückgegangen ist", so Klamser.

Einige Monate vor dem Lockdown light sei diese Variation immer am Wochenende am höchsten gewesen, wenn es Großveranstaltungen oder auch Partys oder größere Treffen gegeben habe. "Der Lockdown light ist also aus unserer Sicht schon effektiv gewesen, um große Veranstaltungen am Wochenende zu verhindern", betont Klamser. Dadurch sei natürlich auch das Infektionsrisiko verringert worden.

Der dritte Lockdown, der ab Mitte Dezember 2020 galt, habe einen starken Einfluss auch auf die mittlere Zahl der Kontakte gehabt. "Dieser Lockdown hat im Alltag für jeden eine Reduktion der Kontakte nach sich gezogen", erklärt der 32-Jährige. Es gebe eindeutige Unterschiede zwischen dem Lockdown light und dem "richtigen", langen Lockdown.

Droht uns jetzt wieder ein Lockdown?

Obwohl bis jetzt noch keine neuen Maßnahmen von der Regierung kamen, zeigen die Analysen von Pascal Klamser, dass schon jetzt die Kontakte wieder zurückgehen. Braucht es dann trotzdem noch einen erneuten Lockdown, um die dramatisch steigenden Zahlen zu stoppen?

"Ich hoffe sehr, dass es dazu nicht kommt", sagt Klamser. "Es ist ein gutes Signal, dass die Menschen auf die Inzidenzen schauen und ihr Kontaktverhalten dementsprechend anpassen. Jedoch ist die Variation der Kontakte (ein Schätzer für die Gruppengröße) ausschlaggebender, und die Werte dafür stagnieren in der Woche und steigen am Wochenende an."

Das Hauptproblem sei allerdings, dass es zu wenige Geimpfte in Deutschland gebe. Es wäre also viel wichtiger, noch mehr Impfanreize zu setzen. "Insgesamt ist die Situation aber schwer abzuschätzen, wir liefern jetzt mit dem Kontaktverhalten ja nur ein Puzzle-Teil", bekräftigt der Wissenschaftler. Allein daraus Rückschlüsse zu ziehen, sei schwierig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interview mit Studienleiter Pascal Klamser
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