Welche Folgen hat das Prostitutionsschutzgesetz?
Ein neues Gesetz soll vom 1. Juli an Prostituierte vor Ausbeutung und Zwang schΓΌtzen. Doch auf Hamburgs sΓΌndiger Meile sind Betroffene alles andere als begeistert von den Γnderungen.
Verbesserter Schutz durch neues Gesetz?
Leila, 26, verdient ihr Geld als Prostituierte in einem Bordell nahe der Hamburger Reeperbahn, einem der bekanntesten Rotlichtviertel der Welt. "Ich finde es zwar gut, dass wir stΓ€rker geschΓΌtzt werden sollen, aber die neuen Regelungen bewirken genau das Gegenteil", sagt sie. Denn das "horizontale Gewerbe" ist in Aufruhr. Leila hΓ€lt nicht viel von dem neuen Gesetz, das Prostituierte vom 1. Juli an besser vor Ausbeutung und Zwang schΓΌtzen soll.
"Ich habe in Deutschland keine Meldeadresse, also kann ich mich auch gar nicht bei der BehΓΆrde registrieren", sagt die Bulgarin. So wie ihr gehe es vielen Frauen in dem Gewerbe. "Wenn wir ohne den Anmeldeschein erwischt werden, drohen uns BuΓgelder. Das macht uns Angst." Die BuΓgelder mΓΌssten sie wieder abarbeiten. Sie ΓΌberlege daher, in einen abgelegeneren Stadtteil abzuwandern, sagt Leila.
Was schreibt das Gesetz vor?
In der Branche sehen viele das neue Prostitutionsschutzgesetz, das am 1. Juli 2017 bundesweit in Kraft tritt, mit Skepsis. Dabei scheinen die Ziele des Bundesfamilienministeriums sinnvoll: Das Ministerium nennt die StΓ€rkung der sexuellen Selbstbestimmung sowie den Schutz vor Zwangsprostitution und Ausbeutung.
Dazu sieht das Gesetz unter anderem eine Meldepflicht fΓΌr Sex-Arbeiterinnen vor. Die Anmeldebescheinigung, die regelmΓ€Γig verlΓ€ngert werden muss und mit Namen, Meldeadresse und einem Foto versehen sein soll, mΓΌssen die Prostituierten allerdings mit sich fΓΌhren β und damit ihre AnonymitΓ€t aufgeben. In der Szene wird die Bescheinigung deshalb nur "Hurenpass" genannt. Zudem werden die Frauen verpflichtet, regelmΓ€Γige gesundheitliche BeratungsgesprΓ€che wahrzunehmen.
Der Verein DoΓ±a Carmen, der sich fΓΌr die Rechte von Prostituierten einsetzt, hat in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz eingereicht. Sex-Arbeiterinnen wΓΌrden "einem System entwΓΌrdigender Kontrollen unterworfen" und ihrer "Grundrechte beraubt", kritisiert der Verein.
Welche Folgen hat das Gesetz fΓΌr Freier?
Auch fΓΌr Freier Thomas hat das Gesetz Folgen: Er geht regelmΓ€Γig auf sogenannte "Gangbang Partys", also Veranstaltungen, bei denen eine Frau mit mehreren MΓ€nnern Sex hat. Diese sollen kΓΌnftig, ebenso wie "Flatrate"-Angebote, verboten werden. "Ich frage mich wieso", sagt der 52-JΓ€hrige. Bei den Partys, auf die er gehe, passiere nichts unter Zwang. Die Partys verschwΓ€nden auΓerdem nicht, sondern fΓ€nden stattdessen in Privatwohnungen statt und kΓΆnnten "als Pornodreh" angemeldet werden, sagt der gelernte Elektriker. Freier, die auf ungeschΓΌtzten Sex bestehen, mΓΌssen zudem mit einem BuΓgeld rechnen.
Welche Folgen hat das Gesetz fΓΌr die Branche?
Thorsten Eitner, der Betreiber des Laufhauses "Pink Palace" auf der Reeperbahn, weiΓ nach eigenen Angaben noch nicht, was im Einzelnen auf seinen Betrieb zukommen wird. Sicher sei nur, dass er ein Schild mit einem Hinweis zur Kondompflicht an der TΓΌr anbringen mΓΌsse.
Lady Jana, die ein Dominastudio betreibt, erzΓ€hlt, es sei "ein Schock" fΓΌr sie gewesen, als sie von den geplanten Regelungen erfahren habe. Obwohl die zweifache Mutter, wie bei Dominas ΓΌblich, keinen Geschlechtsverkehr mit ihren GΓ€sten hat, muss sie trotzdem kΓΌnftig regelmΓ€Γig zur vorgeschriebenen Gesundheitsberatung. "Das ist diskriminierend", findet sie. Zudem kΓ€men auch baurechtliche Vorschriften auf sie zu, etwa die Vorgabe nach getrennten Toiletten fΓΌr GΓ€ste und Studiobetreiber.
Kritik gibt es auch von der Fachberatungsstelle "Sperrgebiet". Zwangsprostitution werde durch das neue Gesetz kaum verhindert. "Die Frauen brauchen oft sehr lange, um das Thema anzusprechen. Dazu mΓΌssen sie erst einmal Vertrauen fassen. Im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgesehenen Informations- und BeratungsgesprΓ€chs, in dem es ja auch um andere Themen gehen soll, herauszufinden, ob eine Frau Opfer von Menschenhandel ist, klingt fΓΌr mich nicht besonders plausibel", meint Projektleiterin Julia Buntenbach-Henke.
"Wir wissen, dass viele Prostituierte noch immer eine Offenlegung ihrer TΓ€tigkeit gegenΓΌber BehΓΆrden scheuen, weil sie eine gesellschaftliche Ausgrenzung befΓΌrchten", sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der Hamburger SozialbehΓΆrde. Die Stadt hat sich laut Schweitzer daher auch im Gesetzgebungsverfahren gegen die EinfΓΌhrung dieser Anmeldepflicht eingesetzt. Allerdings wird es die verpflichtende Gesundheitsberatung von Oktober an auch in der Hansestadt geben.
Es gibt aber auch Frauen, die offen mit Ihrer TΓ€tigkeit und Leidenschaft umgehen. Exklusive Interviews von t-onlnie.de finden Sie hier.