Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Amazon, Google, Meta So geht das nicht weiter

Die schwarz-rote Koalition will prüfen, ob eine neue Digitalsteuer sinnvoll ist. Was gibt es da zu prüfen? Google, Meta und Amazon dürfen nicht steuerfrei bleiben.
Wenn Sie Müller heißen, im Büro arbeiten und 3.000 Euro im Monat verdienen, zahlen Sie knapp 18 Prozent Einkommensteuer. Wenn Sie Meier heißen, Abteilungsleiter sind und 6.000 Euro verdienen, müssen Sie 28 Prozent an den Staat abgeben. Richtig so, starke Schultern können höhere Lasten tragen. Sollten Sie, Herr Meier, eine Gehaltserhöhung bekommen, die Sie über 68.500 Euro Jahresgehalt bringt, werden von jedem zusätzlich verdienten Euro sogar 42 Cent als Steuer fällig. Sie sind nämlich Spitzenverdiener, jedenfalls nach der Definition Ihres Finanzamts.
Auch Herrn Schulze sollten wir noch kurz in den Blick nehmen, den Mann, dem die Firma gehört, in der Müller und Meier angestellt sind. Wenn der Laden floriert und Schulze am Jahresende 300.000 Euro Gewinn verbuchen kann, dann wird für ihn die Reichensteuer fällig, er zahlt bis zu 45 Prozent auf seine Einkünfte. Er ist eben wohlhabend.

Zur Person
Uwe Vorkötter Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.
So, jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie sind nicht Müller, Meier oder Schulze. Sondern ein Tech-Unternehmer aus Kalifornien. Sie machen in Germany ein crazy Business und erzielen dort einen Milliardengewinn. Ihr Name ist übrigens Google. Was meinen Sie, wie viel Steuern Sie auf Ihr Einkommen bei uns bezahlen? Die Antwort wird Sie verblüffen: fast gar keine.
Okay, Google ist kein Mister, sondern eine Company. Aber auch Firmen zahlen Steuern. Ihre Einkommensteuer heißt Körperschaftssteuer, dazu kommt die Gewerbesteuer. Wenn Herr Schulze seine Firma als GmbH führt, zahlt er insgesamt "nur" 30 Prozent auf den Gewinn – ungefähr, die Gewerbesteuer ist nicht überall gleich hoch. Warum zahlt Google in Deutschland keine Steuern?
Deutschland? Kennen wir kaum, sagt Google. Wir sind eine US-Firma und haben eine Tochtergesellschaft in Dublin/Irland, die ist auch in Deutschland aktiv. Unsere Steuern zahlen wir in Irland, wie es das Gesetz vorsieht. Irland ist das Land mit den niedrigsten Unternehmenssteuern in der EU.
Nicht der Schönheit Dublins wegen
Auch Meta hat seinen europäischen Sitz in Dublin. Meta betreibt Facebook und Instagram. Die Ortswahl geht nicht auf die Sehenswürdigkeiten der irischen Hauptstadt zurück, etwa das Dublin Castle oder das Wellington Monument. Auch die Guinness-Pubs gaben nicht den Ausschlag. Sondern die schnöden Steuern.
Der Dritte in diesem Bund ist Amazon. Erst einmal: Congratulations to the happy couple! (Glückwunsch an das glückliche Brautpaar!) Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, hatte ja am Wochenende halb Venedig gemietet, um Laura Sánchez zu heiraten. Das war nicht ganz billig, aber er verdient sehr gut. Und, zwinker, Amazon zahlt kaum Steuern. Falls doch, dann in Luxemburg, das ist auch so eine Art Irland.
Ganz ernsthaft: Die drei größten Internetkonzerne der Welt machen in Deutschland glänzende Geschäfte. Sie profitieren von einem freien Markt ohne Zölle; von einer kaufkräftigen Kundschaft; von einem Staat, der ihnen Recht und Sicherheit garantiert, der ihren Mitarbeitern ein Gesundheitssystem und kostenlose Schulen bietet. Die Herren Bezos und Co sagen danke – und bringen ihr Geld möglichst schnell aus dem Land. Nein, sie hinterziehen keine Steuern. Sie vermeiden sie nur.
Diese Steuer ist jetzt im Gespräch
Deshalb geht es in der Politik gerade um die Digitalsteuer. Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, hat eine Abgabe von 10 Prozent auf den Umsatz der Plattformen gefordert. Torsten Frei, der Chef des Kanzleramts, findet den Gedanken vernünftig. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht: "Wir prüfen die Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen." Österreich, Frankreich und Spanien haben bereits eine solche Steuer. Vernünftig wäre eine EU-Regelung für alle. Da müssten aber alle zustimmen. Sie ahnen, wer dagegen ist: Irland und Luxemburg.
Werfen Sie mit mir einen Blick auf die Dimensionen, um die es geht, finanziell und politisch. Ich verspreche Ihnen, Sie werden staunen.
Aber erst müssen wir noch etwas klarstellen: Sie halten Google wahrscheinlich für eine Suchmaschine, YouTube (gehört auch zu Google) für eine Videoplattform, Facebook und Instagram für soziale Netzwerke und Amazon für einen Onlinehändler. Das stimmt auch alles. Aber vor allem sind diese Plattformen die größten Verkäufer von Werbung der Welt. Viel größer alle Fernsehsender und Verlage zusammen.
Wissen Sie, wie viel Umsatz Google mit Werbung macht? Ich habe Gemini gefragt, die KI von Google, die sollte das doch wissen. Gemini stellt sich dumm: "Google macht in Deutschland mit Werbung viel Umsatz, aber genaue Zahlen sind nicht öffentlich bekannt."
Achtung, Gemini, hier kommen die Zahlen: Google erzielt in diesem Jahr voraussichtlich 7,8 Milliarden Euro Umsatz mit Werbung. Nur in Deutschland. Meta: 4,8 Milliarden. Amazon: 2,7 Milliarden Euro – nur mit Werbung, in dieser Zahl sind die Umsätze aus dem Onlinehandel oder die Abo-Einnahmen von Amazon Prime nicht enthalten. Also, bei der Digitalsteuer geht es nicht um Kleingeld.
Das Gegenteil von Wettbewerb
Ein kurzer Einschub: Elon Musk und seine Plattform X kommen hier gar nicht vor. Das liegt daran, dass X wirtschaftlich einfach zu unbedeutend ist. Musk hat mit seinem ganzen Kettensägen-Wahnsinn die Werbekunden erfolgreich vertrieben. Dafür bekommt er von mir ein Extra-Like.
Allein die drei Plattformen, über die wir hier reden, vereinen mehr als die Hälfte des Werbemarktes auf sich, in Deutschland, in Europa, weltweit. Ökonomen sprechen von einem Oligopol. Oligopole schränken den Wettbewerb ein. Wettbewerb ist das Lebenselixier der Marktwirtschaft.
Dieses Oligopol hat wirtschaftliche Macht. Aber nicht nur. Sondern auch Meinungsmacht. Google, YouTube, Facebook und Instagram sind Schwergewichte der neuen Medienwelt. Bei ihnen entscheidet sich, wer in dieser Welt gefunden wird, worüber und wie öffentlich geredet wird. Ihre Algorithmen orientieren sich an den Interessen des Werbebusiness.
Es ist überfällig
Ich will Ihnen die Stars des Internets nicht madig machen. Ich nutze sie doch selbst intensiv. Die Steuersätze am Anfang dieser Kolumne habe ich nicht in einer Bibliothek recherchiert, sondern schnell gegoogelt. Als ich den Text schrieb, klingelte der DHL-Bote und brachte ein Päckchen von Amazon. Diese Plattformen haben viel zu bieten, ihre Technologie ist überragend, ihr Kundenservice ist meistens besser als im Geschäft um die Ecke.
Aber sie vereinigen wirtschaftliche und publizistische Macht in einer Form, die wir nie kannten. Auch wenn Bezos und seine Kumpel betonen, wie gut sie es meinen mit der Welt und unserer Gesellschaft: Ihre Dominanz ist eine Gefahr. Sie sind die Oligarchen des Internet-Zeitalters. Oligarchie ist die Herrschaft der Reichen. Das ist etwas anderes als Demokratie. Die Öffentlichkeit, die sie schaffen, ist nicht unabhängig. Sie tut nur so.
Die Digitalsteuer ist überfällig. Weil Eigentum verpflichtet, das steht im Grundgesetz. Aber die Digitalsteuer ist nur eins von mehreren Instrumenten. Ein striktes Wettbewerbsrecht, das den Missbrauch der Macht verhindert, gehört auch dazu. Und der Schutz der Verbraucher. Und ein Medienrecht, das die Plattformen in die Verantwortung nimmt für die Inhalte, die sie verbreiten. Bisher ist das nicht der Fall. Die Politik ist nicht für Google, Meta und Amazon da. Sondern für Müller, Meier und Schulze.
- Eigene Überlegungen