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Sollten MĂ€nner und Frauen beim Friseur den gleichen Preis bezahlen?
Hat eine Frau die gleiche Frisur wie ein Mann, zahlt sie im Friseursalon oft trotzdem mehr. Aber warum eigentlich? Ein Berliner Starfriseur bietet seinen
Gleichstellung von Mann und Frau ist ein viel diskutiertes Thema. Es gibt aber noch viele Orte, an denen Frauen nicht gleichbehandelt werden. Beispielsweise in Friseursalons. Hier reicht ein Blick aufs Preisschild.
Berliner Starfriseur möchte ein Beispiel setzen
Bei Starfriseur Shan Rahimkhan, der Salons am Berliner Gendarmenmarkt und am KurfĂŒrstendamm betreibt, sahen die Preisschilder vor nicht allzu langer Zeit in etwa so aus: Damenhaarschnitt 90 Euro, Herrenhaarschnitt 70 Euro. Doch: Akkurat frisierte FuĂballer und MĂ€nner mit Haartransplantationen sind lĂ€ngst nichts Ungewöhnliches mehr. Rahimkhan findet das Preiskonzept nach Geschlecht nicht mehr zeitgemĂ€Ă.
"Es kann ja nicht sein, dass Frauen mehr zahlen als MĂ€nner, obwohl da der gleiche Zeitaufwand dahintersteckt", meint Rahimkhan. Deshalb wird der Preis in seinen Salons ab sofort nach Aufwand und Zeit berechnet, also genderneutral. FĂŒr den Friseur ein lĂ€ngst ĂŒberfĂ€lliger Schritt.
Genderneutrale Preise in Friseursalons
Eine Preisdifferenzierung nach Geschlecht wird "Gender-Pricing", "Woman-Tax" oder "Pink-Tax" genannt und bedeutet, dass Frauen fĂŒr gleiche oder gleichartige Leistungen oder Produkte tiefer in die Tasche greifen mĂŒssen als MĂ€nner.
Von dem Gender-Pricing hat sich augenscheinlich auch ein Friseursalon in Berlin-Neukölln verabschiedet. In dessen Fenster hÀngt ein Schild: Unisex-Preise, Haarschnitt mit Waschen 17 Euro.
So steht es um die Preise in Friseursalons
Die genderneutralen Preise in Friseursalons scheinen doch recht verbreitet zu sein, oder?
Nein, meint der Obermeister der Friseur-Innung Berlin, Jan Kopatz. Das bleibe eine Ausnahme. Die GrĂŒnde dafĂŒr seien vielfĂ€ltig, aber er denkt, die Geschichte könne eine Rolle spielen: "Ich glaube, wir sind da wirklich aus diesem historischen Bereich hergekommen, weil es einmal den Herrenfriseur- und den Damenfriseurbereich gab und dort die Dienstleistungen aufgrund vieler Sachen unterschiedlich kalkuliert waren."
Gender-Pricing: Eine Gewohnheitssache?
Auch der Marketingprofessor der Wirtschaftshochschule WHU in DĂŒsseldorf, Martin Fassnacht, ist der Meinung, dass wir es schlicht und ergreifend gewohnt sind und gelernt haben, dass Frauen im Friseursalon mehr Geld lassen. "Frauen sind eher bereit, fĂŒr Schönheit im weitesten Sinne mehr zu bezahlen", erklĂ€rt er.
Das Gender-Pricing zu rechtfertigen ist aus Sicht des Professors zwar schwerer geworden, weil viel mehr ĂŒber Gleichberechtigung gesprochen werde. Er rechnet jedoch nicht damit, dass Frauen in Zukunft ĂŒberall genauso viel zahlen werden wie MĂ€nner. Denn Unternehmen werden laut Fassnacht immer die Freiheit besitzen, die Preise fĂŒr Frauen höher zu setzen und werden das auch machen.
Studie: Mehr als die HĂ€lfte der Dienstleistungen betroffen
Und dass sie es durchziehen, bestÀtigt eine Studie aus dem Jahr 2017, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegeben wurde. Rund 60 Prozent von 381 ermittelten Dienstleistungen sind vom Gender-Pricing betroffen.
Im Reinigungsgewerbe und im Friseurgewerbe war es besonders auffĂ€llig. Demnach boten rund 89 Prozent der untersuchten Salons Standard-Kurzhaarfrisuren ausschlieĂlich nach Geschlecht unterschiedenen Preisen an. Frauen lieĂen im Schnitt 12,50 Euro mehr im Friseursalon als MĂ€nner. FĂŒr Salons, die weg vom Gender-Pricing wollen, könnte das also finanzielle Folgen haben.
Ăkonomisch oder geschlechtsneutral abrechnen?
ZurĂŒck zu Shan Rahimkhan. Er sieht auch, dass sein neues Preismodell nicht unbedingt ökonomisch sinnvoll ist. Der Friseur rechnet â zumindest in den ersten Monaten nach EinfĂŒhrung â teilweise mit finanziellen EinbuĂen. Denn einige Kundinnen zahlen jetzt tatsĂ€chlich weniger als vorher. "Das ist schon eine sehr schmerzhafte Erfahrung, die ich da mache; aber das muss ich natĂŒrlich auf mich nehmen, wenn ich wirklich ernst bleiben will mit der Geschichte."
FĂŒr seine Salons bleibt Rahimkhan optimistisch. "Ich glaube, dass ganz viele Frauen, die zum Beispiel feinere und kĂŒrzere Haare haben und die sich vorher nicht getraut haben, zu uns zu kommen, weil wir einfach zu teuer waren, dadurch animiert werden, zu uns zu kommen." Er ist ĂŒberzeugt, dass mit geschlechtsneutralen Preisen mittelfristig mehr gewonnen als verloren wird.