Kein tödlicher Unfall Ein Jahr ohne Verkehrstote: Was Helsinki anders macht

Ein Jahr lang kein tödlicher Unfall – in einer europäischen Großstadt ist das Realität geworden. Was dazu führte und was andere Städte daraus lernen können.
Seit Juli 2024 ist in der finnischen Hauptstadt kein Mensch mehr im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Wie Stadtverwaltung und Polizei übereinstimmend berichten, gab es im gesamten Zwölfmonatszeitraum bis Juli 2025 keinen einzigen tödlichen Unfall auf den Straßen Helsinkis. Für eine Stadt mit rund 690.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist das eine bemerkenswerte Entwicklung – auch im internationalen Vergleich.
Laut der Stadtverwaltung ist dies das erste Mal seit Beginn der systematischen Unfallaufzeichnungen, dass kein Todesopfer im Verkehr registriert wurde. Im gleichen Zeitraum wurden allerdings auch 277 Unfälle mit Verletzten gezählt. Ende der 1980er-Jahre lag diese Zahl noch bei rund 1.000, zudem starben damals jährlich etwa 30 Menschen im Straßenverkehr.
Was sich verändert hat – und warum
Verantwortlich für den Rückgang der Verkehrstoten ist nach Angaben der Stadt vor allem die Einführung weitreichender Tempolimits. Auf mehr als der Hälfte aller Straßen in Helsinki gilt inzwischen Tempo 30. Besonders in Wohngebieten sowie rund um Schulen und Kindergärten wurden die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten gesenkt.
Zudem wurden Fußgängerüberwege und Radwege ausgebaut und die Verkehrserziehung in Schulen verstärkt. Polizei und Stadtverwaltung haben außerdem das Netz automatisierter Überwachungssysteme verdichtet – unter anderem durch zusätzliche Verkehrskameras.
Auch strukturelle Veränderungen spielen eine Rolle. Das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs wurde in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Viele Menschen nutzen Straßenbahnen und Busse statt des eigenen Autos. Das entlastet nicht nur den Verkehr, sondern senkt laut Stadtverwaltung auch das Unfallrisiko.
Vision Zero: Immer mehr Städte aktiv
Der Erfolg in Helsinki fügt sich in ein breiteres verkehrspolitisches, europäisches Konzept, das unter dem Namen "Vision Zero" bekannt ist. Dahinter steht die Idee, die Zahl der Verkehrstoten langfristig auf null zu senken. Die finnische Hauptstadt gehört laut einer Datenauswertung der Prüfgesellschaft Dekra zu den größten europäischen Kommunen, die dieses Ziel in einem Zwölfmonatszeitraum erreicht haben. Espoo, einer Nachbarstadt von Helsinki, gelang dies bereits zuvor. In Deutschland weisen unter anderem Aachen, Gelsenkirchen und Mönchengladbach vergleichbare Zeiträume ohne tödliche Unfälle auf – allerdings bei deutlich geringerer Einwohnerzahl.
Eine europäische Entwicklung ist dieser Trend ohnehin: In Paris, Brüssel und Bologna gilt Tempo 30 inzwischen in weiten Teilen des Stadtgebiets. Auch Amsterdam, Edinburgh oder Lyon setzen verstärkt auf niedrigere Geschwindigkeiten. Eine Auswertung mehrerer Städte durch eine Studie aus dem Jahr 2024 kommt zu dem Schluss, dass die Einführung von Tempo-30-Zonen die Zahl der Verkehrsunfälle um durchschnittlich 23 Prozent reduziert. Die Zahl der Getöteten ging demnach um 37 Prozent zurück.
Wie weit ist Deutschland?
Auch in Deutschland diskutieren zahlreiche Städte über flächendeckende Tempolimits. In München etwa sind Tempo-30-Zonen auf bis zu 300 Straßen vorgesehen. Die Zahl der täglichen Verkehrstoten liegt hierzulande laut Statistischem Bundesamt weiterhin bei durchschnittlich acht Menschen – bei etwa 84 Millionen Einwohnern.
- spiegel.de: "Helsinki: Kein Verkehrstoter in einem ganzen Jahr
- tagesschau.de: "Helsinki ohne Verkehrstote: Was hinter dem Erfolg steckt"
- eurailpress.de: "Ein Jahr ohne Verkehrstote"