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Corona-Demos: Hört auf, über Einschränkung der Grundrechte zu diskutieren!


Nach Demo in Berlin
Hört auf, über die Einschränkung der Grundrechte zu diskutieren!

MeinungEin Gastbeitrag von Nick Heubeck

Aktualisiert am 07.08.2020Lesedauer: 4 Min.
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Demonstration am 1. August in Berlin: Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni.Vergrößern des Bildes
Demonstration am 1. August in Berlin: Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)

Nach den Demonstrationen des vergangenen Wochenendes wird diskutiert, wie weit die Versammlungsfreiheit in Corona-Zeiten gehen darf. Demos dürfen jetzt erst recht nicht verboten werden, fordert "Fridays for Future"-Aktivist Nick Heubeck.

Am vergangenen Samstag demonstrierten rund 17.000 Menschen in Berlin gegen die Corona-Auflagen und hielten sich dabei nicht an die vorgeschriebene Maskenpflicht sowie Abstandsgebote. Prompt entstand eine Diskussion über ein mögliches Verbot von Demonstrationen. Für diesen Samstag sind in verschiedenen Städten Deutschlands wieder Aufmärsche angekündigt. Doch auch wenn solche Veranstaltungen zu sogenannten Superspreader-Events werden können, sollte die Versammlungsfreiheit nicht leichtfertig eingeschränkt werden, meint Nick Heubeck von Fridays for Future im Gastbeitrag für t-online.de.

Eine einzige Demonstration – das reicht, um in Deutschland die nächste Debatte über die Einschränkung von Grundrechten zu entfachen. 17.000 Wissenschaftsfeinde und Verschwörungstheoretikerinnen sind am vergangenen Wochenende in Berlin Seite an Seite mit Nazis durch die Stadt gezogen, um gegen die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu demonstrieren. Ohne Masken und Abstände, dafür aber mit Plakaten wie: "Wir sind die 2. Welle".

Die Proteste vom vergangenen Wochenende waren also in mehrfacher Hinsicht völlig verantwortungslos: Mit der absichtlichen Missachtung der Maskenpflicht und Abstandsgebote gefährden die Demonstranten die Allgemeinheit, indem sie massenhafte Ansteckungen billigend in Kauf nehmen. Während im ganzen Land die Angst vor einer zweiten Welle wächst, legt ein gefährlicher Mix aus Nazis, Politikverdrossenen und Impfgegnerinnen in Berlin alles daran, diese noch zu beschleunigen.

Damit nicht genug: Die Aufnahmen der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali etwa zeigen, wie aggressiv die Demonstranten gezielt auf Journalisten und Journalistinnen losgegangen sind. Damit setzen sie einen gefährlichen Trend fort, den wir seit Jahren immer insbesondere auf Demos aus dem rechten Spektrum beobachten können.

"Corona-Rebellen" erreichen Gegenteil

Einige Tage nach dem Aufmarsch in Berlin wissen wir aber auch: Die selbsternannten "Corona-Rebellen" haben das genaue Gegenteil von dem erreicht, wofür sie angeblich auf die Straße gegangen sind. Statt weitere Lockerungen der Pandemie-Auflagen zu bewirken, haben sie durch ihr rücksichtsloses Verhalten eine erneute Debatte über die Einschränkung der Versammlungsfreiheit ausgelöst. Vielen Dank auch.

Konservative wie der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster fordern inzwischen, darüber zu sprechen, welche Versammlungen in Zukunft zugelassen werden und welche nicht. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Jörg Radek will die Genehmigung politischer Kundgebungen stärker prüfen lassen.

Nick Heubeck ist 21 Jahre alt und studiert Kommunikation und Politik in Bamberg. Er ist seit Anfang 2019 bei Fridays For Future aktiv und ist dort für Digitales und Presse verantwortlich.

Versammlungsrecht verteidigen

Statt jetzt über generelle Verbote von Demonstrationen zu philosophieren, sollten wir das Versammlungsrecht gerade in diesem Moment verteidigen. Wer wie einige konservative Stimmen bei der ersten Gelegenheit unsere Grundrechte infrage stellt, sollte sich fragen, wie stark er noch auf dem Boden der Verfassung steht. Unsere Demokratie lebt auch von der Beteiligung ihrer Bürger und Bürgerinnen im Rahmen von Demonstrationen und Kundgebungen.

Während des Lockdowns wurde dieses Recht zu häufig unverhältnismäßig eingeschränkt: Mitte April musste sogar das Bundesverfassungsgericht eingreifen, nachdem einige Behörden Proteste von vornherein nicht genehmigen wollten. Die Richter sprachen sich vehement gegen pauschale Verbote aus – wieso sollten wir die also gerade jetzt wieder zurückholen?

Auch Versammlungsfreiheit hat ihre Grenzen

Natürlich gibt es Fälle, in denen politische Kundgebungen im Vorfeld verboten werden müssen. Nach wiederholten Verstößen gegen Abstands- und Maskenauflagen und einem Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung wurden weitere Demonstrationen von Attila Hildmann in Berlin untersagt. Unsere Demokratie muss es zwar aushalten, wenn sich Menschen auf der Straße gegen die Politik stellen – egal wie weit sie sich dabei von Wissenschaft und Fakten entfernen. Wer die Meinungs- und Versammlungsfreiheit aber ausnutzt, um gegen Menschengruppen zu hetzen und seine Tötungsfantasien öffentlich auszusprechen, muss davon abgehalten werden.

Es gibt also Gründe, angemeldete Demonstrationen nicht wie geplant stattfinden zu lassen. Die Behörden haben ihre Auflagen für Versammlungsanmeldungen aber bereits drastisch gesteigert: Die vorgegebene Zahl der Ordner und Ordnerinnen wurde teilweise verfünffacht, vielerorts gibt es gar Teilnehmerbeschränkungen und immer müssen die Veranstalter Pläne vorlegen, wie sie die Einhaltung von Masken- und Abstandspflicht gewährleisten können. So wird das Risiko verringert, dass die Kundgebungen zum Superspreader-Event werden.

Demo-Verbot nur als letzter Schritt

Solange diese Auflagen allerdings nur auf dem Papier, aber nicht auf der Demonstration gelten, sind sie nutzlos. Ohne ein Plädoyer für Polizeieinsätze zu halten: Wenn Hygieneauflagen zum Schutze aller von so vielen Leuten konsequent und absichtlich missachtet werden, müssen die Versammlungen eben schnell aufgelöst werden. Vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit darf das aber nur der letzte Schritt sein, wenn alle anderen Maßnahmen fehlschlagen.

Allerdings muss man sich wundern, wie zögerlich die Polizei bei den Nazis, Verschwörungstheoretikerinnen und Impfgegnern generell eingreift: Vor allem bei linkeren Demonstrationen war sie in der Vergangenheit schon vor Corona alles andere als zimperlich und schlug dabei schnell über die Stränge.

Dass es zu Polizeieinsätzen aber gar nicht kommen muss, zeigen Beispiele der vergangenen Monate: Mit Fahrraddemonstrationen, langen Straßenzügen und Sitzdemonstrationen kämpft nicht nur Fridays For Future unter Einhaltung von Mindestabständen und Maskenpflicht längst wieder für politische Veränderung. Machen wir also Schluss mit den gefährlichen Diskussionen über die Einschränkung unserer Grundrechte. Ich würde sagen: Wir haben Besseres zu tun.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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