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Kollapsgefahr durch Klimakrise: Bäume könnten ersticken


Alarm im Regenwald
Bäume drohen wegen Erderhitzung zu ersticken – schwere Folgen


Aktualisiert am 04.09.2023Lesedauer: 3 Min.
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Das Blätterdach eines tropischen Regenwalds (Symbolbild): Die Blättoberfläche erwärmt sich deutlich schneller als die umliegende Luft. Für die Bäume kann das lebensgefährlich werden.Vergrößern des Bildes
Das Blätterdach eines tropischen Regenwalds (Symbolbild): Die Blattoberfläche erwärmt sich deutlich stärker als die umliegende Luft. Für die Bäume kann das lebensgefährlich werden. (Quelle: Imago/ Andreas Altenburger)

Ohne Bäume kein Leben: Sie produzieren Sauerstoff, speichern CO2, spenden Kühle und Schatten. Doch inzwischen ist es teils schon so warm, dass ihr Lebenskreislauf in Gefahr ist.

Die Welt setzt auf Bäume als Schattenspender, Holzlieferanten und Klimaretter. Zig Konzerne versprechen, für jedes verkaufte Produkt einen Baum pflanzen zu lassen oder erklären ihr Geschäft trotz teils enormer Treibhausgasemissionen als klimaneutral – schließlich investieren sie in den Schutz von Wäldern. Doch die menschengemachte Erderhitzung ist bereits jetzt so weit fortgeschritten, dass die seit Millionen Jahren etablierte Überlebensstrategie der Bäume zu scheitern droht.

Die tropischen Regenwälder könnten ersticken. Denn die Temperaturen an der Blattoberseite nähern sich dem kritischen Punkt, ab dem die Fotosynthese nicht mehr funktioniert. Sie ist für Pflanzen das, was für Menschen die Atmung ist. Bei Tropenbäumen liegt der Erstickungspunkt bei etwa 46.7 Grad Celsius – ab da versagt der Kreislauf, der aus Licht, Wasser und CO2 durch chemische Abläufe Glucose und Sauerstoff produziert. Wie nah tropische Bäume bereits an dieser Schwelle sind, zeigt eine neue Studie, die am Mittwoch im renommierten Wissenschaftsjournal "Nature" erschienen ist.

Mithilfe von Daten des Ecostress-Satelliten der Nasa, der zur Messung von Pflanzentemperaturen entwickelt wurde, und eigenen Aufzeichnungen mit Blattsensoren konnte das internationale Forscherteam zeigen: Die Blätter der Tropenbäume erreichen mittags schon jetzt Maximaltemperaturen zwischen 34 Grad und mehr als 40 Grad. Und: Aktuell überschreiten 0,01 Prozent der Blätter zu dieser heißesten Zeit des Tages den kritischen Hitzepunkt von 46,7 Grad.

Das mag recht gering erscheinen, doch die Lage könne durch die Klimakrise schnell eskalieren, warnen die Forscher. "Wenn man die Luft um zwei bis drei Grad erwärmt, steigt die tatsächliche Temperatur an der Oberfläche der Blätter um acht Grad", erklärte der Hauptautor Christopher Doughty von der Northern Arizona University in einem Pressegespräch.

Tote Blätter, schrille Warnung

Aktuell geben Prognosen wie jene des Klima-Thinktanks Climate Analytics deutlichen Anlass zur Sorge, dass dieses Szenario in den kommenden Jahrzehnten eintreten könnte: Laut ihren Berechnungen wird die globale Durchschnittstemperatur bis Ende dieses Jahrhunderts – verglichen mit der vorindustriellen Zeit – um rund drei Grad steigen, wenn die Klimaschutzbemühungen auf heutigem Niveau verharren.

In tropischen Gebieten der Erde ist das schlimmste anzunehmende Szenario allerdings noch wärmer: Hier rechnen die Experten des Weltklimarats mit einem Temperaturplus von bis zu vier Grad. Für die Regenwälder wäre das der absolute Todesstoß, so Studienautor Doughty. Für diesen Fall sage die Studie "ein möglicherweise komplettes Absterben der Blätter voraus".

Dieser Kahlschlag durch die Klimakrise könnte als neuer Faktor für den prognostizierten "Kipppunkt" gelten, an dem sich tropische Wälder wegen des Klimawandels und der Abholzung in savannenähnliche Landschaften verwandeln. Wie das Kippen anderer wichtiger Klimasysteme des Planeten, beispielsweise des Golfstroms oder des Permafrostbodens, hätte dies unberechenbare und unumkehrbare Konsequenzen für die klimatischen Bedingungen und damit alles Leben auf der Erde.

Offene Fragen, aber schlechte Anzeichen im Amazonas

Die Forscher unterstreichen jedoch auch, dass es noch viele Ungewissheiten darüber gibt, wie hohe Blatttemperaturen ganze Wälder beeinflussen. "Ob Sie es glauben oder nicht, wir wissen nicht sehr viel darüber, warum Bäume sterben", sagte Mitautor Gregory Goldsmith von der Chapman University. Während klar sei, dass ein Baum ohne Wurzeln nicht überleben kann, sei das Zusammenspiel von Hitze, Dürre, Wasser und Temperatur auf die Gesundheit ganzer Bäume noch relativ unerforscht.

So könnte es durchaus sein, dass bestimmte Arten den Verlust all ihrer Blätter überstehen können und Begleitfaktoren wie die Dichte der Baumkronen eine Rolle dabei spielen, ob es trotz kritischer Temperaturen überhaupt so weit kommt.


Quotation Mark

"Die Sterberate der Bäume im Amazonasgebiet ist derzeit höher als in Zentralafrika."


Christopher Doughty, University of Northern Arizona


Die Statistik aus dem Amazonas, wo die Temperaturen höher sind als in anderen Tropenwäldern, stimmt jedoch nicht sonderlich hoffnungsvoll: Dort hat die Geschwindigkeit des Baumsterbens in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Die dortige Sterberate der Bäume "ist derzeit höher als in Zentralafrika, was möglicherweise auf die hohen Temperaturen zurückzuführen ist", so Doughty.

Denn den Amazonas-Regenwald trifft ein Doppelhammer: Neben der Erhitzung durch den weltweiten CO2-Ausstoß schlägt hier auch ein lokaler Faktor zu – die massive Abholzung von Waldflächen. In der Nähe von kahlgeschlagenen Gebieten kühlen weder Schatten noch das Wasser, das sonst aus den Blättern der Bäume verdunstet. Der örtliche Erhitzungseffekt in tropischen Gebieten mit Rodungsflächen liegt laut dem World Resources Institute bei einem ganzen Grad.

Verwendete Quellen
  • nature.com: "Tropical forests are approaching critical temperature thresholds"
  • france24.de: "Tropical forests nearing critical temperatures thresholds"
  • climateactiontracker.org: "2100 Warming Projection"
  • wri.org: "Global Emissions and Local Deforestation Are Combining to Create Dangerous Levels of Heat Stress in the Tropics"
  • pik-potsdam.de: "Kipppunkte im Klimasystem"
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