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Corona-Lage in der Schweiz: Land reagiert zu spät auf explodierende Zahlen


Zweite Welle
Schweizer Corona-Strategie: zu spät, zu wenig

Von Sophie Loelke

19.10.2020Lesedauer: 3 Min.
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Zürich: Passanten mit Schutzmasken unterwegs an der Bahnhofstrasse. Die Schweiz hat nach einem heftigen Anstieg der Infektionszahlen strengere Regeln erlassen.Vergrößern des Bildes
Zürich: Passanten mit Schutzmasken unterwegs an der Bahnhofstrasse. Die Schweiz hat nach einem heftigen Anstieg der Infektionszahlen strengere Regeln erlassen. (Quelle: Geisser/imago-images-bilder)

Die zweite Welle trifft die Schweiz mit voller Wucht, heftiger als zuvor – und laut Regierung unerwartet früh. Schärfere Maßnahmen sollen das Virus wieder unter Kontrolle bringen. Doch Experten sind unzufrieden.

Im Sommer schien noch alles gut zu sein in der Schweiz. Der Bundesrat erklärte die "außerordentliche Lage" im Juli für beendet, die Kantone erhielten die Kontrolle über die Corona-Maßnahmen zurück. Die Zahl der Neuinfektionen stieg seitdem zwar langsam wieder an, doch die Schweizer reagierten entspannt, die Lage sei unter Kontrolle.

Doch Anfang Oktober war es vorbei mit der Schweizer Ruhe. Es kam zu einem sprunghaften Anstieg der Fälle. Zuletzt meldeten die Behörden 3.105 positiv getestete Menschen an einem Tag (Stand: 16. Oktober). Die Kurve der Neuinfektionen steigt exponentiell an. Steiler als zu Beginn der Corona-Krise.

18 Prozent aller Corona-Tests waren laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuletzt positiv. Ende September waren es noch 5 Prozent. Der Bundesrat hat die neue Woche mit landesweit verschärften Maßnahmen begonnen. Sie sollen dem Wachstum schnell Einhalt gebieten – der Wirtschaft aber möglichst wenig schaden. Die Schweiz will einen kompletten Lockdown vermeiden. Das Leben soll weitergehen dürfen. Restaurants, Bars und sogar Diskotheken haben daher drinnen und draußen noch immer geöffnet – allerdings mit neuen Auflagen.

Regierung hat wichtige Hinweise nicht beachtet

Der Sprecher des Schweizer Bundesrats, André Simonazzi, teilte eine Übersicht über die aktuellen neuen Regeln auf Twitter. Doch es regt sich Kritik. Einigen Experten kommen die Maßnahmen zu spät.

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Die Virologin Isabella Eckerle arbeitet am Genfer Zentrum für neue Viruserkrankungen – und blickt trotz neuer Regeln besorgt in die Zukunft. Ihrer Meinung nach hat das Land Wochen verschlafen und zu spät auf die steigenden Fallzahlen reagiert. Die Schweiz werde daher möglicherweise bald mit hohen wirtschaftlichen Verlusten, vielen Toten und überlasteten Gesundheitssystemen zu kämpfen haben, schreibt die Professorin auf Twitter. Und prognostiziert einen zweiten Lockdown.

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Auch der Schweizer Virologe Andreas Cerny hält die neuen Maßnahmen für zu spät und zu mild. Wichtige Hinweise seien nicht beachtet worden. Er sagt t-online: "Am 1. Juli hatte die Schweizer Covid-19 Task Force eine Empfehlung publiziert, die sagte, man solle die Maskenpflicht dort einführen, wo die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann, am 3. Juli ging der Bundesrat in die Ferien und tat nichts. Ab Mitte September sah man dann auch einen raschen Anstieg der Fallzahlen und der Reproduktionszahl. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Bund eingreifen sollen."

Jetzt fehle es gerade im Bildungsbereich, bei Vereinen und Großveranstaltungen an klaren Vorgaben, die nun die Kantone wieder jeder für sich regeln müssten. Einen kompletten Lockdown sollten sie vermeiden, sagt Cerny, "ganz ausschließen kann man ihn aber nicht".

Schweiz auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen

Eckerle appelliert dringlichst an die Eigenverantwortung der Schweizer Bürger: "Es braucht beides, persönliche Verantwortung und politische Entscheidungen, um diese Pandemie einzudämmen. Die kleinen Entscheidungen jedes Einzelnen können viel bewirken!"

Einzelne Kantone zählen ebenfalls auf die Mithilfe der Bürger – unter anderem beim Informieren möglicher Kontaktpersonen: Die Schweizer Behörden beispielsweise kommen wegen der explodierenden Fallzahlen aktuell nicht hinterher, alle Kontakte schnell genug selbst ausfindig zu machen. Bereits im Juli erschwerte ein Personalmangel die Rückverfolgung.

Trotz des starken Anstiegs der Infiziertenzahlen befinde sich die Schweiz aktuell noch in einem besseren Zustand als zu Beginn der Pandemie, schreibt die "Neue Zürcher Zeitung". Testkapazitäten, Hospitalisierungen und Todesfälle, aber auch die umgesetzten Schutzkonzepte, besonders in der Gastronomie, fallen deutlich besser aus als zu Beginn der Krise.

Die Zahl der im Krankenhaus zu behandelnden Patienten befinde sich zum Beispiel trotz rapide steigenden Neuinfektionen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau: Im März wurden täglich bis zu 170 Menschen eingewiesen, aktuell bewegt sich diese Zahl im Sieben-Tage-Schnitt zwischen 20 und 25. Die Krankenhäuser müssten sich aber definitiv auf mehr Patienten einstellen, denn die neuen Maßnahmen würden, da sie so spät ergriffen wurden, von jetzt an erst in drei bis vier Wochen greifen. Bis dahin werden die Zahlen weiter steigen, sagt Cerny.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Twitter
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