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Aachen: Tierheim schlägt Alarm – volle Gehege und offene Rechnungen


Volle Katzengehege und offene Rechnungen
"Exorbitante Schieflage" – Tierheim schlägt Alarm

Von t-online, abr

07.05.2025 - 15:54 UhrLesedauer: 4 Min.
Eine Katze auf einer Isolierstation im Tierheim Aachen: Da gefundene Katzen vom Tierheim nicht mehr kastriert werden dürfen, können sie lange nicht in das normale Gehege.Vergrößern des Bildes
Eine Katze auf einer Isolierstation im Tierheim Aachen: Da gefundene Katzen vom Tierheim nicht mehr kastriert werden dürfen, können sie lange nicht in das normale Gehege. (Quelle: Simon Abrahamjan )
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Die Lage im Tierheim Aachen ist angespannt: Es fehlt an Geld, Platz und Personal. Die Verantwortlichen fordern mehr Hilfe von der Stadt – und machen ihr Vorwürfe.

Anfang Mai sind die Katzengehege im Aachener Tierheim fast voll: Von 100 Plätzen sind schon 80 belegt. Eine Besserung ist laut Schatzmeister Uwe Luer nicht in Sicht. "Weibliche Katzen gebären so zweimal im Jahr – pro Geburt sind es zwischen sechs bis acht Babys", sagt er. "Bei zurzeit vier werdenden Müttern kann man sich ja ausrechnen, wo das hinführt".

Das noch größere Problem sei, dass gefundene Katzen meist nicht kastriert sind und sich somit schnell vermehren würden. Warum also nicht kastrieren? "Die Stadt lehnt die Kastration ab", sagt Luer. Sie berufe sich auf das "Recht der Fundsache" – gefundene Katzen sind demnach als Eigentum des Besitzers zu betrachten und dürfen erst nach 6 Monaten kastriert werden, wenn sich bis dahin niemand für das Tier meldet. "Das ist schwierig aus meiner Sicht", sagt Luer. Denn dadurch könne man viele Katzen nicht zusammen in Gehege setzen, weil sie sich sonst vermehren würden.

Sie müssten erst mal länger in die sogenannte Isolierstation, die eigentlich nur für sieben Tage vorgesehen sei. Dort leben die Katzen auf engerem Raum als im Gehege. Doch auch diese Station sei mittlerweile voll. Marlies Bungert ist Tierschutzbeauftragte der Städteregion: "Für mich ist das Tierquälerei", sagt sie beim Anblick der Katzen. Anders ist das Problem zum Beispiel in Köln geregelt: Um die Überpopulation von Straßenkatzen einzudämmen, verordnete die Stadt Tierschützer dazu, frei laufende Katzen einzufangen und nach einer Untersuchung kastrieren zu lassen.

Tierheim kritisiert offene Rechnungen der Stadt Aachen

Auch in den Hundegehegen des Aachener Tierheims seien von rund 90 Plätzen bereits 60 belegt. Die hohe Auslastung habe ebenso hohe Ausgaben für Verpflegung und Unterbringung zur Folge. Im vergangenen Jahr hätten diese Ausgaben bei 1,5 Millionen Euro gelegen, sagt Uwe Luer. Von der Stadt bekomme man jährlich 500.000 Euro Zuschuss. Bis zum 31.12.2024 habe das Tierheim diesen als Pauschalbetrag erhalten – eine Million Euro habe das Tierheim selbst aufbringen müssen, so Luer.

"Dann gab es zähe Verhandlungen mit der Stadt und dem Veterinäramt, weil die Pauschalen nicht mal ansatzweise die Kosten gedeckt haben", sagt Luer. Seine Kollegin und Tierheim-Vorstand Stefanie Neske fügt an: "Das haben sie aber nicht verstanden. Sie meinten, wir hätten genug Geld durch Erbschaften."

Statt einem Pauschalbetrag würden nun "tagesgenaue Abrechnungen" gemacht, sagt Uwe Luer. Diese würden monatlich erstellt. Doch die Rechnungen bezahle die Stadt unzuverlässig. "Wir haben derzeit 130.000 Euro in Rechnung gestellt", sagt Luer. "Davon sind bisher 30.000 Euro bezahlt worden". 100.000 Euro seien damit noch offen. Er selbst komme aus der Wirtschaft und sagt: "Ich habe so eine Zahlungsmoral eigentlich noch nie gesehen". Die Stadt reagiere "ignorant", so Luer.

Kritik auch am Veterinäramt der Städteregion Aachen

Die einzelnen Rechnungen zweifle die Stadt zudem ständig an, sagt Stefanie Neske. "Wenn wir zum Beispiel sagen, dass ein Hund eine bestimmte Behandlung braucht, wird erst mal hinterfragt, ob man das wirklich braucht", so Neske. "Als es noch die Pauschale gab, war denen das alles egal". Auch bei den Kastrationen sei dies der Fall. "Wir haben früher jedes Fundtier kastriert, das war der Stadt bekannt", sagt sie. "Es hat sie damals aber nicht interessiert, weil sie es nicht einzeln bezahlen mussten",

Kritik gibt es auch am Veterinäramt. "Die vermitteln die Tiere selbst über Ebay, weil es natürlich Geld kostet, die hier unterzubringen", sagt Uwe Luer. Das führe zu "großem Unmut" bei den Tierheim-Pflegern. "Wir haben dann als Tierschutzverein keine Möglichkeit mehr, mit den Interessenten zu reden und Hintergrundinformationen zu sammeln". Stefanie Neske fügt an: "Da hat man oft das Gefühl, die machen das nach dem Prinzip 'Hauptsache raus und keine Kosten'".

Bei Google habe man deswegen schon schlechte Bewertungen bekommen, weil die Menschen dächten, dass das Tierheim hinter der Vermittlung steckt. "In einer Bewertung hieß es zum Beispiel, dass wir dreckige Geschäfte mit dem Veterinäramt machen würden", sagt Tierschutzbeauftragte Marlies Bungert. Wehren könne man sich dagegen nicht – auch nicht gegen das Veterinäramt, das als Behörde die Befugnis zur Vermittlung habe.

"Es muss was durch die Politik passieren", sagt Uwe Luer. Doch die sei nicht sonderlich interessiert – CDU, SPD und Grüne hätten auf Einladungen des Tierheims, sich die Situation vor Ort anzuschauen, nicht reagiert. Man versuche, mit dem jährlich stattfindenden Sommerfest, einem Flohmarkt für Tierausrüstung sowie einer bald startenden Physiotherapie für Hunde ein wenig Geld zu verdienen. Ausreichen werde das aber nicht – Luer spricht von einer "exorbitanten Schieflage" im Tierheim. Es fehle zudem an Personal – "vor allem an Fachpersonal", so Luer.

Veterinäramt reagiert: "Gehen keinesfalls fahrlässig mit der Thematik um"

Auf Anfrage von t-online sagt ein Sprecher der Städteregion stellvertretend für das Veterinäramt, die Verwaltung müsse immer damit rechnen, dass im Tierheim keine Kapazitäten mehr frei seien, was in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen sei. Es brauche somit Alternativen für die Tiere. "Natürlich versuchen wir dann, gegebenenfalls auch auf andere Tierheime beziehungsweise Einrichtungen in anderen Regionen auszuweichen", sagt der Sprecher. "Diese sind dann aber oftmals ebenfalls mehr als aus- beziehungsweise überlastet. Auch aus diesem Grund suchen wir verstärkt private Pflegestellen".

Man nutze unter anderem auch Ebay-Kleinanzeigen, da Menschen dort eben nach Tieren suchen würden. Man stelle die Tiere mit Bildern vor und bitte bei Interesse um Kontaktaufnahme. Wenn sich Interessenten melden, prüfe man "sehr genau", inwieweit die Übernahmevoraussetzungen vorliegen. "Abschließend möchte ich betonen, dass sich alle Beteiligten im Veterinäramt ihrer Verantwortung bei der Vermittlung und Unterbringung von Tieren bewusst sind. Wir gehen keinesfalls fahrlässig mit der Thematik um", so der Sprecher.

Hinweis: Die Stadt wurde zu den Vorwürfen des Tierheims angefragt. Bis Redaktionsschluss gab es allerdings keine Antwort. Sobald eine Antwort vorliegt, wird sie ergänzt.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Anfrage beim Veterinäramt der Städteregion Aachen
  • Anfrage bei der Stadt Aachen
  • Eigene Recherche

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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