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Glyphosat: Erster Imker gewinnt Prozess gegen Agrarbetrieb


Urteil mit Signalwirkung
Erster Imker gewinnt Glyphosat-Prozess

Von dpa, t-online, mtt

21.06.2022Lesedauer: 3 Min.
Imker Sebastian Seusing (Archivbild): 2020 lieferte er den verseuchten Honig am Landwirtschaftsministerium in Berlin ab.Vergrößern des BildesImker Sebastian Seusing (Archivbild): Nachdem er große Teile seiner Ernte vernichten musste, schloss er seinen Betrieb. (Quelle: snapshot/imago images)
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Ein Agrarbetrieb sprühte Gift, vernichtete so die Existenz des Imkers nebenan. Jetzt gewann der Mann vor Gericht – und könnte deutschlandweit zum Vorbild werden.

Sebastian Seusing ist überzeugt: Von diesem Urteil geht eine Botschaft aus, die weit über Brandenburg hinausstrahlt – und Landwirten in ganz Deutschland den gedankenlosen Pestizideinsatz erschweren könnte. "Für alle Imker ist das eine neue Situation", sagte Seusing, nachdem er am Montag einen wichtigen Erfolg errungen hat.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) sprach dem 48-Jährigen aus Biesenthal bei Berlin nach jahrelangem Rechtsstreit Schadenersatz zu. Konkret ging es um 14.500 Euro, die nun die Stadtgüter Berlin Nord KG zahlen muss. Es ist Beobachtern zufolge das erste Urteil dieser Art in Deutschland.

Die Stadtgüter Berlin Nord KG hatte im April 2019 eine Löwenzahnwiese neben einem von Seusings Bienenständen mit Glyphosat totgespritzt. "Da der Löwenzahn gerade von unseren Bienen als Nektarquelle genutzt wurde und die Anwendung in einer warmen, sonnigen Woche erfolgte, trugen unsere Bienen das Totalherbizid in die Völker ein", klagte der Imker. "Wir entschieden uns sofort dafür, unseren Honig beproben zu lassen. Glyphosat-Rückstände vom bis zu 152-fachen des erlaubten Grenzwerts wurden nachgewiesen."

Glyphosat: Ein Drittel der Ernte wurde Sondermüll

Die Sache brach ihm das Genick. Er musste rund vier Tonnen Honig vernichten, etwa ein Drittel der kompletten Ernte. Den Gesamtschaden beziffert er auf 70.000 Euro. Die Familie verkaufte alle Bienenvölker und zog nach Norddeutschland, wo Seusing heute als Angestellter auf einem Bio-Mutterkuhbetrieb arbeitet.

Der Fall schlug Wellen. Der Brandenburger zog vor Gericht, um wenigstens einen Teil des Verlustes wiederzubekommen: den, der an dem Bienenstand direkt neben dem Löwenzahnfeld entstanden war. Auch wenn weiter entfernte Völker ebenfalls Glyphosat-Honig produzierten und der Imker sicher ist, dass dafür genauso die Stadtgüter Berlin Nord KG verantwortlich ist, konzentrierte er sich nur auf den einen Standort.

Stiftung: "Bisher bleiben Imker auf Schäden sitzen"

Mit Erfolg: Die dortigen Bienenstöcke seien für jedermann sichtbar gewesen, urteilte das Gericht nun. Ein Gerichtssprecher erläuterte, angesichts der Intensität der Glyphosat-Kontamination sei eine Rechtswidrigkeit festgestellt worden. Zudem habe das Agrar-Unternehmen fahrlässig gehandelt und so das Eigentum des Imkers verletzt.

"Das Urteil hat eine wichtige Signalwirkung", kommentierte hinterher Thomas Radetzki von der Aurelia-Stiftung, die sich für Bienen einsetzt und Seusing unterstützte. "Bisher bleiben Imker*innen meist auf ihren Schäden sitzen, wenn ihr Honig durch Agrarpestizide verunreinigt und vernichtet werden muss."

Urteil lässt noch Fragen offen

Dies könnte sich nun ändern. Auch wenn die Berlin Nord KG noch Berufung einlegen kann, glaubt Seusing, dass sich bald auch andere Glyphosat-Geschädigte auf das Urteil berufen werden: "Viele Imker werden sich trauen, ihren Honig überprüfen zu lassen oder gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu klagen."

Allerdings: Das Landgericht traf am Montag keine Entscheidung darüber, ob Landwirte bei einem Glyphosat-Einsatz grundsätzlich damit rechnen müssen, dass Bienenstöcke in der Nähe sind. Und ob Imker Landwirte informieren müssen, wenn sie Bienenwagen aufstellen, ist mit der Gerichtsentscheidung auch nicht geklärt.

Die Aurelia-Stiftung kritisierte daher: "Wir hätten uns gewünscht, dass die Richterin in ihrer Begründung schreibt, dass Bienen zur Landwirtschaft dazugehören und der Landwirt immer damit rechnen muss, dass das, was er spritzt, Bienen erreicht."

Aurelia-Vorstand Radetzki forderte, die Anwendung von Pestiziden in blühenden Pflanzenbeständen müsse grundsätzlich verboten werden – und meint: "Wir brauchen eine Agrarwende."

Verwendete Quellen
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