t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalBerlin

Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Anschlagsopfer nicht als Nebenkläger zugelassen


Neuköllner Anschlagsserie
Anschlagsopfer nicht als Nebenkläger zugelassen – "absoluter Skandal"

Von t-online, ads

Aktualisiert am 03.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Der brennende Wagen des Linken-Politiker (Archivbild): Kocak war gerade noch rechtzeitig aufgewacht – seine Eltern schliefen im Haus.Vergrößern des BildesDer brennende Wagen des Linken-Politiker (Archivbild): Kocak war gerade noch rechtzeitig aufgewacht – seine Eltern schliefen im Haus. (Quelle: Ferat Kocak/dpa)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Rechtsextreme steckten sein Auto in Brand – dennoch darf Ferat Kocak vor Gericht nicht als Nebenkläger auftreten. Er ist darüber fassungslos.

Keine besonderen Rechte für Ferat Kocak im Prozess um die Neuköllner Anschlagsserie: Die Richterin hat seinen Nebenanklage-Antrag abgelehnt. Das zeigen Recherchen von rbb24.de. In der Verhandlung am 29. August wird gegen die mutmaßlichen Haupttäter der rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln ermittelt.

Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, Brandanschläge auf den Linken-Politiker und einen Buchhändler verübt zu haben. Beide Opfer waren vor der Tat dafür bekannt, sich gegen Rechtsextremismus einzusetzen.

"Das macht mich traurig und auch wütend", sagt Kocak rbb24.de. Im Schreiben des Gerichts hatte die Richterin dem Bericht zufolge angegeben, er habe "keine körperlichen und seelischen Schäden" erlitten, die Folgen der Tat seien nicht erheblich genug. Dies schließe ihn als Nebenkläger aus. Das gleiche bescheinigte sie den Recherchen zufolge auch einem zweiten Opfer der Serie: Er war in einem Graffito im Hausflur mit dem Tode bedroht worden.

"Diese Angst, dass jederzeit etwas passieren kann, ist immer da"

Kocak zeigt sich über die Ablehnung seines Nebenanklage-Antrags fassungslos: Erst kürzlich habe er sich wegen seiner "allgegenwärtigen" Angstzustände und "schlaflosen Nächte" wieder an eine Therapeutin gewendet. Seine Mutter habe nach dem Anschlag einen Herzinfarkt gehabt. Zwei Mal musste er seiner Anwältin zufolge den Job wechseln: "angesichts seiner Ängste, Schlafstörungen und der damit einhergehenden Konzentrationsschwierigkeiten".

"Diese Angst, dass jederzeit etwas passieren kann, ist immer da", erzählt er rbb24.de. Unbekannte hatten in der Nacht zum 1. Februar 2018 einen Brandanschlag auf dem Grundstück von Kocaks Eltern verübt. Dafür verantwortlich sollen Sebastian T. und Tilo P. sein. Ihnen wird vorgeworfen, sein Auto neben seinem Elternhaus in Berlin-Rudow in Brand gesteckt zu haben. Dabei hätte es wegen einer Gasleitung, die ebenso Feuer fing, zu einer Explosion kommen können – die wohl Kocak selbst verhinderte.

Gerichtssprecherin: Anderer Richter hätte anders entscheiden können

Er wachte im Gegensatz zu seinen Eltern wohl gerade noch rechtzeitig auf und begann mit dem Löschen. "Ich möchte meine Position als Betroffener einbringen. Ich möchte, dass die Menschen sehen und hören können, wie Rechtsextremismus das Leben von Menschen verändern und zerstören kann", so Kocak gegenüber rbb24.de. Doch das wird nach der Ablehnung seines Antrags – zumindest im Gerichtssaal – wohl nicht passieren.

Gerichtssprecherin Lisa Jani zufolge steht diese Entscheidung der Richterin zu. Damit er als Nebenkläger auftreten dürfte, müsste er "zum Beispiel Traumatisierungen oder erhebliche körperliche Verletzungen" erlitten haben. "Im vorliegenden Fall hat die zuständige Richterin gesagt: Hier sind schwere Folgen nicht zu erkennen." Es könne "durchaus sein, dass ein anderer Richter anders entscheiden hätte".

Opferberaterin: Entscheidung ein "absoluter Skandal"

Heike Kleffner vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt nennt die Entscheidung einen "absoluten Skandal": Kocak werde die Chance genommen, "die Tatfolgen dadurch zu bearbeiten und auch zu überwinden" – das, was eine Nebenanklage eigentlich ermöglichen solle.

Das Berliner Landeskriminalamt (LKA) rechnet der Neuköllner Anschlagsserie mehr als 70 Taten zwischen Juni 2016 und März 2019 zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Opfer waren Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten.

Die beiden verdächtigen Männer waren seit Jahren im Fokus der Polizei. Für eine Anklage reichten die Indizien aber lange nicht. Zwei vom Senat eingesetzte Sonderermittler hatten im Mai festgestellt, die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die beiden Männer hätten in einigen Punkten besser laufen können.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website