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Berlinerin schreibt Memoiren für Familien – Oma und Opa als wichtigste Quelle


Oma und Opa als wichtigste Quelle
Berlinerin schreibt Memoiren für Familien

  • Anne-Sophie Schakat
Von Anne-Sophie Schakat

10.04.2021Lesedauer: 3 Min.
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Juliane Primus spricht mit einer Kundin: Die 33-Jährige schreibt für Privatleute deren Lebensgeschichten in Buchform auf.Vergrößern des Bildes
Juliane Primus spricht mit einer Kundin: Die 33-Jährige schreibt für Privatleute deren Lebensgeschichten in Buchform auf. (Quelle: Wolf Lux)

Als Kulturjournalistin hat Juliane Primus zahlreiche Prominente interviewt. Doch irgendwann fragte sie sich: "Was weiß ich eigentlich über meine eigene Oma?" Nun schreibt die Berlinerin Memoiren für Privatleute.

Woher kamen eigentlich die Urgroßeltern? Wie hat Oma den Krieg erlebt? Wie haben sich die Großeltern kennengelernt? Fragen, die sich laut einer repräsentativen Umfrage unter 1.000 deutschen Bürgern im Auftrag der Onlineplattform für Familienforschung Ancestry vor allem immer mehr junge Menschen stellen.

Demnach festigt das Verstehen der eigenen Familiengeschichte bei 44 Prozent der Befragten den familiären Zusammenhalt. 57 Prozent der Generation Z – also der Deutschen, die zwischen 1994 und 2001 geboren wurden – würden sich gerne mit ihren Urgroßeltern unterhalten können. 54 Prozent der Millennials (Jahrgänge 1980 bis 1993) fühlen sich der Studie zufolge bestärkt, eigene Herausforderungen zu bewältigen, wenn sie um die Vergangenheit ihrer Familienangehörigen wissen.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte scheint für viele Deutsche immer wichtiger zu werden – in der Corona-Krise mehr denn je. Das spürt auch Juliane Primus. Die 33-jährige Berlinerin schreibt Memoiren für Privatleute. Meist seien es Kinder und Enkel, immer öfter aber auch ältere Menschen, die sich an ihre "Memoiren-Manufaktur" am Maybachufer in Berlin wenden, erzählt Primus im Gespräch mit t-online.

"Was weiß ich eigentlich über meine Oma?"

Als ausgebildete Journalistin habe sie schon immer gern Interviews geführt. "Als Kultur-Reporterin durfte ich mal ein Interview mit dem Regisseur Wim Wenders führen", erinnert sich die 33-Jährige. "Ich war damals sehr aufgeregt und habe zuvor viel recherchiert, sodass ich unglaublich viel über ihn wusste. Da musste ich plötzlich an meine Oma denken und habe mich gefragt: 'Was weiß ich eigentlich über sie?' Sicherlich nicht so viel wie über irgendwelche Berühmtheiten.“

Vor gut vier Jahren gründete Juliane Primus deshalb die "Memoiren-Manufaktur". Hier können Kunden ihre Lebensgeschichten als Buch aufschreiben lassen. Ob die "Gedankensplitter" mit rund 50 Seiten oder der "Schmöker" mit über 200 Seiten – alle Bücher erscheinen in Kleinstauflage nur für die Familie. Wer möchte, kann hier auch alte und neue Familienfotos mit einbinden lassen.

Sie sehe sich dabei weniger als Ahnenforscherin, sondern viel mehr als Biografin, erzählt Primus. Ihre wichtigste Quelle: die Oma oder der Opa.

Aufwendige Recherche

Rund zwölf Interviews à eineinhalb bis zwei Stunden seien nötig, um ein Leben abzudecken, erklärt die 33-Jährige. Dabei entstehen immer wieder auch Stammbäume mit teils mehr als zwölf Generationen. Ein stichpunktartiger Lebenslauf, bei dem häufig auch die Kinder mithelfen, dient als roter Faden. Alle Bücher werden in der Ich-Form geschrieben und beginnen häufig mit dem Kennenlernen der Großeltern. "Das sind Fragen, die nur noch die Oma bzw. der Opa aus ihrem Gedächtnis beantworten können."

Immer wieder gehe es jedoch auch um Fragen, die sich aus der Familie keiner zu stellen traue. Viele ihrer Gesprächspartner haben Fluchterfahrungen gemacht und etwa den Zweiten Weltkrieg miterlebt. "Bestimmte Anekdoten erzählt zum Beispiel der Großvater immer wieder. Wenn man aber mal länger über die Familiengeschichte nachdenkt, merkt man, dass es dort noch viele Lücken gibt. Die möchte ich schließen", sagt Primus. Als Außenstehende wolle sie verstehen, wie sich das Leben der Interviewpartner abgespielt hat.

"Das Alter macht in gewisser Art frei"

"Ältere Menschen – so ab 75 Jahren – haben häufig schon einen gewissen Frieden mit ihrem Leben geschlossen und können viel unbefangener zurückblicken und besser darüber berichten, als jüngere Personen, die sich noch um ihren Job oder Auswirkungen auf andere Menschen sorgen. Das Alter macht in gewisser Art frei und das ist schön zu sehen. Ich mag meine Arbeit sehr", schwärmt Primus.

Dass die Zeit zum Lückenschließen begrenzt sein kann, musste aber auch sie bei ihrer Arbeit erfahren. Einer ihrer Kunden ist mit einer Corona-Infektion verstorben. "Wir hatten bereits alle Interviews geführt, da erhielt ich plötzlich eine Nachricht von ihm, dass er im Krankenhaus liegt und wahrscheinlich sterben wird", erinnert sie sich. "Das war hart."

"Es kann schnell zu spät sein, Fragen zu stellen"

"Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es für ihn sehr beruhigend war, dass er sein Leben noch einmal festgehalten hat. Auch für seine Frau, Kinder und Enkel ist es wertvoll, dass sie all diese Erinnerungen nachlesen können. Ein Stück weit ist dieses Buch schließlich sein Vermächtnis."

Der Fall habe ihr noch einmal gezeigt, wie schnell ein Leben vorbei sein kann, erinnert sich die 33-Jährige. "Dieser Kunde hatte sich sehr intensiv mit dem Sterben auseinandergesetzt. Viele machen das jedoch nicht", weiß Primus.

Immer wieder bedauerten Freunde und Bekannte, den Großeltern vor ihrem Tod bestimmte Fragen nicht mehr gestellt oder deren Leben nicht dokumentiert zu haben. "Es klingt immer sehr hart, das zu sagen, aber es kann sehr schnell zu spät sein, diese Fragen zu stellen", mahnt die Biografin.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Juliane Primus
  • Ancestry.com Deutschland GmbH: Pressemitteilung vom 25. Februar
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