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Klimastreik in Berlin: "Eltern lieben ihre Kinder, aber wählen nicht in ihrem Interesse"


Klimastreik in Berlin
"Eltern lieben ihre Kinder, aber wählen nicht in ihrem Interesse"


24.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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"Deutschland einer der größten Klimaschurken": Klimaaktivistin Greta Thunberg kritisierte die deutsche Politik bei ihrem Auftritt in Berlin scharf. Ihre Rede im Video. (Quelle: reuters)

Noch ein Mal "Fridays for Future" bevor der neue Bundestag gewählt wird. Eine Entscheidung, von der mancher als "Jahrhundert-" oder "Klimawahl" spricht. Mit dabei ist eine, der das Thema besonders wichtig ist.

Eine Menschenmasse wogt vor dem Bundestag. In bunten Grüppchen sind Tausende zusammengekommen, picknicken, reden, lachen, diskutieren. Aber vor allem: machen Politik – Klimapolitik. Im Hintergrund der Polizeiabsperrung sind unzählige Fahrradklingeln zu hören, manchmal beherrschen Trommeln den Klangteppich. Durch die Luft fliegen Seifenblasen.

Wer heute hier ist, ist wegen der "Fridays for Future"-Demonstration gekommen. Die finden zwar in vielen Städten bundesweit gleichzeitig statt, die größte aber ist in Berlin auf der Wiese vor dem Bundestag. 100.000 Teilnehmende brachen nach Angaben der Veranstalter von dort zu einem Marsch durch die Stadt auf.

Mitten unter den Menschen steht Jana Brix. Die 25-jährige Studentin setzt sich schon lange für das Klima ein. Früher privat, im Freundes- und Familienkreis, jetzt auch offiziell. Sie unterstützt die Grünen, kandidiert bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Brix trägt eine graue Strickjacke, eine braune Hose. Ganz besonders sticht daher ihre leuchtend grüne FFP2-Maske aus ihrem Gesicht hervor.

Sie ist heute hier, weil die Bundesregierung, die nächsten Sonntag gewählt wird, die letzte ist, die für das Klima noch etwas machen kann, sagt sie. "Ich finde es eine Unverschämtheit, dass konservativere Parteien den Klimaschutz langsam angehen wollen." Das macht sie wütend. "Immer wird gefragt, wie teuer der Klimaschutz ist. Dabei kommt es uns bald viel teurer zu stehen, wenn wir das Klima nicht schützen", so die Studentin.

Protestierende in Berlin: "Die Ausgaben für das Klima sind nicht genug"

Dabei haben sich die Ausgaben für den Klimaschutz durchaus erhöht. Um etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr, allein im Zeitraum von 2010 bis 2018 auf 72,5 Milliarden Euro, so die aktuellsten Zahlen des Umweltbundesamts.
Aber das ist Brix nicht genug.

Sie will mehr, deshalb geht sie immer wieder auf Klima-Demos. Auf über zehn war sie schon. Stolz blickt sie dabei, wenn sie von ihrem Engagement erzählt. Und diese Demo heute sei eben ganz besonders wichtig, so die Ethnographie-Studentin. Die Bundestagswahl steht an.

"Jetzt können wir hier noch mal ganz konkret sagen, was sich ändern muss." Doch das allein reiche nicht. Sie spricht jetzt lauter, versucht einen Poetry-Slammer auf der Bühne zu übertönen, der lautstark und von der Menge bejubelt den Kohleausstieg fordert.

"Klimaschutz bedeutet Klimagerechtigkeit. Eben nicht nur den CO2-Ausstoß verringern, sondern ein gerechtes System schaffen, das nicht auf dem Rücken anderer Länder aufbaut", sagt Brix. Man müsse eben die Spielregeln verändern. Dabei muss sie ein bisschen lachen, ihre Augen strahlen hinter ihrer Maske hervor.

Die Grünen in der Kritik

Dafür, so sagt sie, seien ihr die Grünen eigentlich nicht radikal genug. Das geht auch anderen so. Greta Thunberg, die Initiatorin der Klimabewegung "Fridays for Future" kritisierte die Wahlprogramme aller Parteien – auch der Grünen. Ihr ging keines der Programme weit genug, was den Klimaschutz angeht, sagte sie heute bei ihrem Auftritt vor dem Bundestag. Immer wieder hagelt es Kritik an den Grünen von Seiten der "Fridays for Future"-Bewegung.

Aber das sei eben die einzige Partei, die sich für das Klima, das ihr so wichtig ist, einsetzt, sagt Brix – und die groß genug ist, um tatsächlich etwas zu bewirken. Andere Parteien hätten eine bessere Klimapolitik, aber die seien eben zu klein, zu unbedeutsam. Deshalb steht die Studentin heute hier, mit ihrer grünen Maske. Nicht um Wahlkampf zu betreiben, sondern um die Welt vor dem Abgrund zu retten, wie sie sagt. Um wirklich etwas zu ändern.

"Die Mitte der Gesellschaft ist hier"

Hinter Brix steigen wieder Seifenblasen in den strahlend blauen Himmel, der Wind weht sie über die ganze Wiese. Vorbei an tausenden Köpfen. Viele Schüler sind dabei. Mit Schülerstreiks nahm die "Fridays for Future"-Bewegung ihren Anfang. Aber dennoch ist die Menge bunt gemischt.

Neben vielen spielenden Kindern und "Omis und Opis for Future" findet man auch die Mitte der Gesellschaft, so eine Pressesprecherin von "Fridays for Future Berlin" – also ganz normale Menschen: mittelalt, unauffällig gekleidet. Manche haben sich frei genommen, andere kommen direkt von der Arbeit.

Der Wind trägt die Seifenblasen auch vorbei an hunderten Plakaten und Schildern. Viele sind bunt bemalt, sollen aufrütteln. Auf einem ist ein trauriger Eisbär in einem Rettungsring zu sehen, der sich fragt, was mit seiner Heimat, dem Nordpol, passiert ist. Ein anderes weist darauf hin, dass man das Klima mit Bier vergleichen kann – warm sei beides blöd.

"Eltern lieben ihre Kinder, aber wählen dann nicht in deren Interesse"

Brix fühlt sich wohl in der Menge. "Es fühlt sich gut an, dass so viele Leute heute gekommen sind. Es steckt ja auch total viel Arbeit dahinter." Dennoch blickt sie ein wenig skeptisch um sich. "Wir waren aber schon mal so viele – und da ist dann auch nichts passiert."

Auch Brix hat ein Schild dabei. "Eltern wählen für ihre Kinder", steht darauf. Das Klima sei für alle zukünftigen Generationen wichtig, ob diese nun schon wählen dürfen, oder nicht, erklärt sie. "Viele ältere Leute denken nicht darüber nach, wie die Welt in 50 Jahren aussieht. Eltern lieben ihre Kinder, aber wählen dann nicht in deren Interesse."

Über ihre eigenen Eltern möchte die 25-Jährige lieber nicht sprechen. Sie schaut kurz zu Boden als sie das sagt, ihr freundliches Gesicht wird ernst. Aber ganz schnell lässt sie sich wieder von der Energie der Menge mitreißen, lacht, skandiert und feiert. Eine Seifenblase platzt an ihrer Strickjacke. Aber das bekommt sie schon gar nicht mehr mit.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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