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Tim Wiese und die Skandale des Ex-Werder-Stars – die zwischen Protz und "Mordversuch"


Chronologie der Skandale
Zwischen Protz und Selbstüberschätzung: Tim Wiese und seine Aussetzer

Von Steffen Koller

Aktualisiert am 02.11.2022Lesedauer: 6 Min.
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Tim "The Machine" Wiese bei einem Wrestling-Turnier in München 2016.Vergrößern des Bildes
Tim "The Machine" Wiese: Hier bei einem Wrestling-Turnier in München 2016. (Quelle: IMAGO/Jan Huebner)

Tim Wiese werden Kontakte zur rechten Szene nachgesagt, sein einstiger Klub Werder Bremen zog die Reißleine. Nicht der erste Aussetzer von "The Machine".

Tim Wiese polarisiert, Tim Wiese eckt an – und das mit zuverlässiger Regelmäßigkeit. Vor Kurzem wurde ein Foto des ehemaligen Torwarts von Bundesligist Werder Bremen öffentlich, das den 1,93-Meter-Mann auf dem Bremer Freimarkt zeigt. An sich nichts Außergewöhnliches, wäre da nicht die Begleitung gewesen, mit der Wiese auf dem Volksfest unterwegs war: Bei dem Mann soll es sich Medienberichten zufolge um Stefan Ahrlich handeln – Neonazi mit guten Kontakten in die Hooligan- und Rockerszene.

Wieses angebliche Ausflüge in die rechte Szene sind jedoch bei Weitem nicht die ersten Aussetzer, die ihm zum Verhängnis wurden. Eine Chronologie seiner Skandale.

Der "Mordversuch" an Ivica Olic

Franz Beckenbauer sprach damals von einem "Mordversuch", für Wiese glich das Foul im Nord-Derby zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV einem Fehler, der im Sport halt passieren könne: Die Rede ist vom 7. Mai 2008. Stürmer Ivica Olic und Tim Wiese gehen beide zum Ball. Der eine, Olic, will das Tor für den HSV erzielen. Der andere, Wiese, versucht das zu verhindern – und das mit mehr als rabiaten Mitteln.

Wiese springt hoch, fährt seinen Fuß aus und trifft Olic mit voller Wucht an Hals und Schulter. Olic sackt zusammen, wird minutenlang behandelt. Und Wiese? Der sieht die Gelbe Karte. Das Spiel läuft weiter. Dass der Kroate noch alle Wirbel im Körper und Zähne im Mund hat, gleicht ein Stück weit einem Wunder. Später versöhnen sich die beiden. Vergeben und vergessen.

Sportlich lief es für Wiese nach seinem Abschied von Werder Bremen eher suboptimal. Zwischen 2012 und 2013 absolvierte er für die TSG Hoffenheim zehn Spiele. Beim SSV Dillingen sprang 2017 immerhin noch ein Pflichtspiel heraus. Das war's – zumindest auf dem Platz. Abseits des Rasens macht Wiese weiter Schlagzeilen – vorrangig negative.

Falschparker Wiese wirft Politesse Geld vor die Füße

Noch bevor Wiese 2017 beim SSV Dillingen angestellt wird, kommt es 2015 zu einem Vorfall in Bremen. Wiese, heute 40 Jahre alt, besucht einen Friseur. Seinen Wagen, einen Chevrolet Camaro ZL 1, parkt er direkt vorm Salon. Jedoch zieht Wiese keinen Parkschein. Und so kommt es, wie es eben kam.

Wie die "Bild" damals berichtet, stürmt der einstige Werder-Keeper aus dem Geschäft, als er bemerkt, dass eine Frau vom Ordnungsamt gerade im Begriff ist, seinem 1000-PS-Auto einen Strafzettel zu verpassen. Er beleidigt die Politesse laut dem Bericht und wirft ihr das zum Begleichen des "Knöllchens" benötigte Geld vor die Füße.

Eine Sprecherin des Innenressorts bestätigt das Ganze damals in dem Bericht und sagt: "Herr Wiese hat dabei lautstark seinen Unmut gegenüber der Verkehrsüberwacherin geäußert und ihr Geld vor die Füße geworfen." Letztlich bleibt es beim öffentlichen Aufschrei, eine Anzeige wird nicht erstattet.

Wiese und die ominöse Clan-Schießerei in Berlin

Ein paar Jahre bleibt es ruhig um Tim Wiese – bis 2019 eine Auseinandersetzung im Berliner Clan-Milieu eskaliert und Schüsse auf offener Straße fallen. Streit, Schlägereien, Schießereien – für die Hauptstadt mag das ansatzweise zum Alltag gehören. Doch was die Ermittler später auf Videoaufnahmen eines Taxifahrers entdecken, der sich ganz in der Nähe des Vorfalls aufhielt, macht die Fahnder dann doch stutzig.

Auf Dashcam-Aufnahmen des Mannes erkennen die Beamten Tim Wiese. Wiese hat nicht geschossen und war auch nicht Ziel der Schüsse. Dennoch fragen sich die Ermittler: Was hat die einstige Torwart-Legende im unmittelbaren Umfeld eines Clan-Streits zu suchen?

Aus Wiese bekommen die Fahnder nichts raus. Gegenüber der "Bild" sagt ein Ermittler damals: "Der Betroffene wurde vergeblich befragt. Er ist für uns ein unkooperativer Zeuge einer Auseinandersetzung im Milieu." Gegen Wiese wird nie ermittelt, die Sache verläuft im Sand.

Tim Wiese muss vor Gericht – und blechen

Anders gestaltet sich das Ganze in einem weiteren Fall. Im Mai 2018 parkt Wiese seinen weißen Lamborghini so ungünstig an einem Behindertenparkplatz, dass der Besitzer eines direkt daneben stehenden Autos nicht in diesen einsteigen kann.

Klingt unspektakulär, doch gleich mehrere Komponenten machen daraus einen Fall für die Justiz. Denn: Als sich der damals 91-jährige Senior darüber beschwert, er habe durch Wieses Schuld 20 Minuten in der prallen Sonnen warten müssen, platzt dem Torwart der Kragen.

Wie es später in der mündlichen Urteilsbegründung vor dem Amtsgericht Bremen heißt, beleidigt Wiese den Senior mit den Worten "Du müder Sack" beziehungsweise "Du alter Sack". Ganz sicher ist sich das Gericht damals nicht, was jedoch als unerheblich eingestuft wird.

Wesentlich interessanter – und am Ende auch ein Grund für die saftige Geldstrafe von 25.000 Euro: Wiese soll dem gehbehinderten Rentner nach Auffassung der Richterin sinngemäß entgegnet haben, er hätte ja nicht im Stehen auf ihn warten müssen, sondern hätte sich auch hinlegen können, bis Wiese eingetroffen wäre.

Das Gericht wertet diesen Spruch als Respektlosigkeit, heißt es in einem Bericht des "Weser-Kurier". Als Wiese damals das Urteil hört, zeigt sich der sonst nach außen hin so coole Muskelprotz, der sich einst selbst als "menschgewordene Leistungsgrenze" bezeichnete, dann doch erbost. "Bremen ist ein armer Stadtstaat, offenbar wollen sie sich auf diese Art das Geld von den Bürgern holen. Für mich ist das reine Geldmacherei", ruft Wiese laut dem Bericht. Genützt hat es nichts, zahlen muss er trotzdem.

Wieses "Rauswurf" aus der VIP-Lounge

Wie ein "Aussätziger" habe sich Wiese gefühlt, sagt er 2021 über einen Streit in der VIP-Loge des Weserstadions zur "Bild". Während des Nordderbys zwischen Werder und dem HSV kommt es zum Streit.

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Wiese, so seine Darstellung, habe einfach nur die Loge wechseln wollen, um einen Freund zu besuchen. Doch das verbieten die damaligen Hygienevorschriften im Zuge der Corona-Pandemie. Wiese lässt sich davon nicht beirren – und trifft auf Sicherheitspersonal, das ihn "rauswirft". So jedenfalls stellt es Wiese später dar.

Von einem Rauswurf, so Werder-Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald damals gegenüber der "Deichstube", könne keine Rede sein: "Seine Darstellung als Opfer und seine grundsätzliche Kritik am Verein können wir so nicht stehenlassen. Tim Wiese hat die Erläuterungen zum Hygiene-Konzept ignoriert und sich über die Anweisungen des Sicherheitspersonals hinweggesetzt. Legende hin oder her – sein Verhalten gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war nicht zu akzeptieren." Wiese habe es dann vorgezogen, selbst zu gehen, statt sich von den Securitys an seinen eigentlichen Platz begleiten zu lassen.

Tim Wiese und seine Kontakte nach rechts

Unrühmlicher Höhepunkt der zahlreichen Aussetzer: Tim Wieses offenkundige Kontakte zu ehemaligen Größen der Bremer Neonazis-Szene. Große Aufmerksamkeit bekommt die Geschichte vor vier Wochen. Anfang Oktober entrollen Fans in der Ostkurve des Weserstadions ein Banner, auf dem zu lesen ist: "Wer mit Nazis abhängt, hat im Weserstadion nichts zu suchen – Keine Bühne für Tim Wiese."

Teile der Werder-Anhänger meinen damit die fragwürdigen Beziehungen des 40-Jährigen zu Personen aus dem Umfeld der Hooligan- und Neonazi-Gruppierungen "Standarte Bremen" und "Radikal Kameraden Bremen".

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Wiese wehrt sich gegen die Vorwürfe, versichert mehrfach, dass die Personen, mit denen er seine Freizeit verbringe, keine Nazis seien. Insbesondere Fotos mit Stefan Ahrlich auf dem Bremer Freimarkt und mit Heiko Dörfer sind vielen Fans ein Dorn im Auge. Letzterer ist Fitnessstudio-Betreiber aus Lilienthal und Gründer des Motorradklubs "Radikal Kameraden Bremen".

Ex-Torwart wehrt sich gegen Nazi-Vorwürfe

Wiese äußert sich kurz nach dem Abschiedsspiel von Klub-Legende Claudio Pizarro gegenüber der "Deichstube" so: "Heiko (Dörfer) betreibt seit 25 Jahren ein Fitnessstudio in Lilienthal. Dort haben wir uns vor Jahren kennengelernt, weil ich dort intensiv trainiere. Wir sind befreundet. Heiko ist nicht rechtsradikal, in sein Studio gehen doch ganz viele Leute – Omas, Opas, alle." Dörfer selbst, so sagt er es, sei nicht rechtsradikal. Er sei vielmehr "ein Patriot" und liebe sein Land.

Zunächst reagiert der Verein nicht auf die Kritik an Wiese. Doch dann greifen die Vereinsbosse durch. Mitte Oktober heißt es in einer Mitteilung des Klubs: "Wir haben mit Tim Anfang des Jahres ein offenes, aber auch sehr ernstes Gespräch dazu geführt und ihm unmissverständlich deutlich gemacht, dass dieser Umgang nicht mit den Werten des SV Werder Bremen zusammenpassen würde."

Und weiter: "Uns bleiben trotz seiner Aussagen Zweifel, dass Tim sich diesen Kreisen nicht zugehörig fühlt." Nun sehe man den 40-Jährigen in der Verantwortung, "diese Zweifel nachhaltig auszuräumen".

Als Reaktion lädt Werder Wiese bis auf Weiteres nicht mehr zu offiziellen Veranstaltungen des Vereins ein. Auch wird ihm untersagt, bei Spielen der Werder-Traditionsmannschaft mitzuspielen. Wie "Bild" berichtet, sei es am vergangenen Mittwoch im Weserstadion zu einem weiteren Gespräch zwischen Wiese und Vereinsbossen gekommen.

Dabei stellen die Chefs klar, dass sie weiter an ihrer Entscheidung festhalten würden. Klar machten sie aber auch: Sie unterstellen Wiese kein rechtes Gedankengut, nur bleibe sein Umgang für den Verein "irritierend". Es soll weitere Gespräche geben. Ausgang offen – und wahrscheinlich nicht das letzte Kapitel in der "Skandalakte" von Tim Wiese.

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