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Pornodreh in Lunser Gotteshaus: "Ich bezahle die Strafe liebend gern – nur nicht an die Kirche"


Pornodreh im Gotteshaus
"Ich bezahle die Strafe liebend gern – nur nicht an die Kirche"

Von Steffen Koller

15.11.2022Lesedauer: 3 Min.
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Kirchenaltar (Symbolbild): Pornodarstellerin Julia Winter suchte lange nach einer Kirche, die Dreharbeiten erlauben würde.Vergrößern des Bildes
Kirchenaltar (Symbolbild): Pornodarstellerin Winter suchte lange nach einer Kirche, die Dreharbeiten erlauben würde. (Quelle: MiS/Screenshot/Julia Winter/imago images)

Nackte Haut im Gotteshaus: Pornodarstellerin Julia Winter dreht ein Video in der Lunser Kirche. Zu viel für die Justiz – die sie vor Gericht sehen will.

"Skandal des Jahres", so nennt Julia Winter selbst überspitzt den kurzen Clip, den sie vor rund acht Monaten ins Netz gestellt hat, beziehungsweise das, was sich daraus entsponnen hat. Im Video, das auszugsweise auf ihrer Homepage zu sehen ist, zeigt sich die Pornodarstellerin auf einer Empore eines Gotteshauses, im Hintergrund sind hölzerne Sitzbänke zu erkennen.

Winter lächelt ihrem Drehpartner lasziv zu, für einen Augenblick ist ihr nackter Hintern zu sehen, dann bricht das Video ab. Den ganzen Clip gibt es nur gegen Geld – und anders, als es viele vielleicht denken mögen, sei das Video nicht als Provokation gegenüber der Kirche gedacht gewesen, sagt Winter t-online. Und trotzdem bringt sie das Video nun vor Gericht.

Ende Januar dieses Jahres sei sie auf der Suche nach einem Drehort für ihren nächsten freizügigen Clip gewesen, erzählt Julia Winter t-online. Mehrere Kirchen hätten sie und ihr Drehpartner abgefahren. Alle Gotteshäuser seien verschlossen gewesen, doch dann wären sie zur Kirche St. Cosmas und Damian in Lunsen (Landkreis Verden) gekommen. "Die Tür war auf, also haben wir uns dazu entschlossen, es hier zu machen", sagt Winter.

15 Minuten Video, 1.500 Euro Strafe

Im Ergebnis steht ein etwa 15 Minuten langer Erotikstreifen, der zunächst jedoch gar nicht online geht. Winter liest in einem Bericht von einem Missbrauchsfall in der Kirche und entscheidet sich, mit ihrem Film "auf das Thema aufmerksam zu machen". Sie habe das Video auf einer bekannten Pornoseite hochgeladen und wenig später die Nachricht bekommen, dass sie es wieder löschen solle.

Ein Bewohner des kleinen, etwa 80 Bewohner umfassenden Ortes habe das Video im Netz entdeckt und die zuständige Pastorin Anja Sievers informiert, berichtete die "Kreiszeitung". Auf ihr Bitten hin wurde die Videoplattform aktiv und schrieb Julia Winter an. "Ich habe dem Ganzen zugestimmt, dem Frieden wegen." Eigentlich, so Winters Annahme, hatte sich die Sache damit erledigt. Doch weit gefehlt. Wenige Wochen später trudelte ein Schreiben der Polizei bei ihr ein. Jemand habe Anzeige erstattet, hieß es dort.

Nochmal Wochen später das nächste Schreiben. Nun von der Staatsanwaltschaft Verden. Ein Strafbefehl über 1.500 Euro. Entweder zahle sie oder gehe ersatzweise 50 Tage in Haft. "Das war ein Schock für mich. Da habe ich das Video schon gelöscht und trotzdem soll ich so viel Strafe zahlen", sagt sie t-online.

Winter: Wollte nie religiöse Gefühle verletzen

Winter legte Widerspruch gegen den Strafbefehl ein, Ende Januar 2023 muss sie sich vor dem Amtsgericht in Achim verantworten. Der Vorwurf: Störung der Religionsausübung (Paragraf 167 Strafgesetzbuch). Konkret wird ihr vorgeworfen: "Sie (...) ließen sich bei einem Geschlechtsakt mit einer unbekannten männlichen Person filmen und spuckten das Ejakulat des unbekannten Täters zwischen die Sitzplätze der Empore." So steht es im Strafbefehl, der kurz in einem Video der 37-Jährigen zu sehen ist.

Winter betont, ihr sei es nie darum gegangen, religiöse Gefühle zu verletzen. Und wäre während des Drehs jemand in die Kirche gekommen, sie und ihr Partner hätten sofort abgebrochen, versichert sie. Ihr sei bewusst, dass diese Art der Aufmerksamkeit "schon ein bisschen extrem" sei, "dennoch bin ich vom Glauben abgefallen, als ich das gelesen habe". Und weiter: "Das war ein ordentlicher Stoß vor den Bug. Das hat schon gesessen."

Vor wenigen Tagen dann der nächste "Hammer": Ihr Drehpartner sei aufgefordert worden, eine Speichelprobe abzugeben. So wolle die Anklagebehörde offenbar herausfinden, ob er ebenfalls am Kirchendreh beteiligt war. Im Clip war der Mann nicht zu erkennen. "Da fehlten mir echt die Worte. Das ist ein Aufwand, bei dem ich mich nur frage: Warum?"

Pastorin verlässt Gemeinde

Ihrer Meinung nach werde der Kirche in Deutschland zu viel Beachtung geschenkt – "trotz aller Missbrauchsskandale, die es dort gibt". Deshalb stehe für sie auch eines mit Sicherheit fest: "Ich zahle die Strafe liebend gern – nur nicht an die Kirche." Auch in die Staatskasse solle ihr Geld nicht fließen. Dürfte sie entscheiden, ginge die Strafe vollständig an eine Hilfsorganisation, die Opfern sexueller Gewalt in Kirchen helfe. "Da bin ich sofort dabei", sagt Winter.

Bis zum Prozessstart wolle sie nun die verschiedenen Angebote entsprechender Organisationen raussuchen und diesen Vorschlag dem Gericht unterbreiten. Was die zuständige Pastorin dazu sagt, ist nicht bekannt. Sie war für t-online am Dienstag nicht zu erreichen.

Wie aus einer Nachricht der Gemeinde-Homepage hervorgeht, braucht es Pastorin Anja Sievers eigentlich auch nicht mehr zu interessieren. Sie tritt zusammen mit ihrem Mann zum 1. Februar eine neue Stelle in Bad Nenndorf an. Der Abschiedsgottesdienst soll demnach noch vor dem Gerichtstermin stattfinden.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Julia Winter
  • kirche-lunsen.wir-e.de: Aktuelles
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