Freiheit auf der Osterwiese Karussellfahrt wird für Emma zum besonderen Erlebnis

Für Katharina ist ein Besuch auf der Bremer Osterwiese nicht nur Zuckerwatte und Karussellfahren – denn eines ihrer Zwillingsmädchen ist schwerbehindert.
Katharina und ihr Mann Christian aus Bremen sind Eltern der zehnjährigen Zwillinge Emma und Sophie. Doch ein paar Monate nach der Geburt der beiden wirbelte eine Diagnose das Familienleben völlig durcheinander – seitdem ist jeder Tag eine ganz besondere Herausforderung.
Die Mädchen seien in der 37. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt zur Welt gekommen – völlig gesund, bis auf ein paar Anpassungsstörungen, erzählt Katharina t-online. Doch dann kam alles anders. "Emma war gerade einmal drei Monate und zwei Tage alt, als sie unser Familienleben auf den Kopf stellte", so die 37-jährige Bremerin.
Nach vielen Untersuchungen und Krankenhausaufenthalten bekam die Familie im Dezember 2013 eine erschütternde Diagnose: Deletion 14q12. Bedeutet: Emma hat das Mikrodeletionssyndrom, das aus Stückverlusten von Chromosomen hervorgeht.
Emma wird über eine Magensonde versorgt
Emmas Entwicklung ist dadurch stark beeinträchtigt. Die Zehnjährige hat Pflegegrad 5, sitzt im Rollstuhl, ist blind, hat Anfälle. Sie kann nicht greifen, laufen, krabbeln und sprechen, sondern nur Laute von sich geben. Auch Essen kann Emma nicht, sie wird über eine Magensonde versorgt. Dazu komme ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, erzählt Mutter Katharina. Jeder Tag sei eine neue Herausforderung für alle in der Familie.
Bei einem Besuch auf der Bremer Osterwiese wurde die Familie ganz besonders vor große Herausforderungen gestellt. Und die bestanden nicht nur aus den "Blicken der Menschen und den Ängsten der anderen", erzählt Katharina.
Schon die Parkplatzsuche sei ein Akt gewesen. Die Behindertenparkplätze auf der Bürgerweide seien nicht ausgeschildert gewesen und kostenpflichtig trotz Sonderparkausweis im Auto. Auch das Bummeln auf der Osterwiese sei mit einem Rollstuhl schwierig: "Es war sehr voll und nur wenige nehmen Rücksicht auf Rollstühle oder helfen beim Kopfsteinpflaster, wenn man mal hängenbleibt", so die 37-Jährige. "Das Kopfsteinpflaster nervt sehr!" Auch eine Möglichkeit, Emma mal zu wickeln, habe die Zwillingsmama nicht gesehen.
"Ein Stück Normalität wurde uns gegeben"
Doch trotz aller Hindernisse gab es auch einen schönen Moment auf der Osterwiese. Das Karussell "Kindertraum" hat ein Fahrzeug, in dem Kinder im Rollstuhl mitfahren können. "Ich habe dieses Karussell vor vielen Jahren schon einmal gesehen, aber da war meine Tochter noch nicht bereit dafür. Und dieses Jahr haben wir es das erste Mal gemacht und es war für mich und auch die Zwillingsschwester ein unbeschreiblich tolles Gefühl. Ein Stück Normalität wurde uns gegeben. Freiheit!", erzählt die 37-Jährige t-online. Auch Zwillingsschwester Sophie sei begeistert gewesen: "Endlich kann ich mal mit Emma Karussell fahren!"
Aber Katharina sieht noch viel Verbesserungsbedarf, um Volksfeste für Kinder mit Behinderungen und ihre Familien angenehmer zu machen: "Mehr Barrierefreiheit, mehr Offenheit der Menschen und behindertengerechte Toiletten beziehungsweise einen Pflege-Wickelraum." Außerdem seien kostenfreie ausgeschilderte Parkplätze für größere behindertengerechte Autos mit Rampe wünschenswert.
"Werde bestraft dafür, dass ich meine Tochter zu Hause pflege"
Die 37-jährige Mutter sieht sich in ihrem Alltag aber noch mit einem viel größeren Problem konfrontiert, über das in ihren Augen mehr gesprochen werden sollte. Weil sie ihre Tochter zu Hause pflegt, gelte Katharina beim Arbeitsamt als nicht vermittlungsfähig. Aktuell hat sie zwar ein Arbeitsverhältnis mit einer 16-Stunden-Woche, erzählt jedoch: "Ich bin aber seit sechs Monaten krankgeschrieben, weil es mir einfach zu viel ist, und bekomme daher Krankengeld. Meinen Job aufgeben darf ich nicht, Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 habe ich nicht, denn dafür müsste ich mindestens 15 Stunden die Woche arbeitsbereit sein, kann ich aber nicht", erzählt sie.
Auch Hartz 4 beziehungsweise Bürgergeld gebe es nicht, weil ihr Mann arbeiten gehe. "Ich werde bestraft dafür, dass ich meine Tochter zu Hause pflege, 24 Stunden, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr und das seit zehn Jahren." Ohne Arbeitsverhältnis stünde Katharina ohne Geld da – das behindertengerechte Haus müssten sie und ihr Mann Christian dann aufgeben. "Das kann und darf nicht sein!"
- Eigene Recherche