Orca in der Nordsee: "Ein bisschen Schiss hatten wir natürlich"

Vor Spanien scheinen Orcas neuerdings regelrecht Jagd auf Boote zu machen. Jetzt tauchte ein Killerwal an ungewöhnlicher Stelle auf: Zwei deutsche Segler reagierten sofort.

"Ein bisschen Schiss hatten wir natürlich", sagt Daniel Lütkenhaus über das Erlebnis, das er im Rückblick unvergesslich nennt: Im Skagerrak zwischen Schweden und Dänemark hatten er und seine Frau Eva eine Begegnung mit einem Orca.

Die bis zu zehn Meter langen Tiere gehören zu den Delfinen, werden auch Schwert- oder Killerwale genannt. Fast überall in den Weltmeeren kommen sie vor. In der südlichen Nordsee und in der Ostsee werden sie allerdings nur äußerst selten gesichtet.

Ausgerechnet dort aber trafen Eva und Daniel Lütkenhaus nun auf einen der Killerwale, die seit Monaten immer wieder für Schlagzeilen sorgen, weil sie insbesondere vor Spanien neuerdings regelmäßig Segelboote angreifen und teils sogar versenken. Im Juni gab es auch in der Nordsee eine erste Attacke: Vor Schottland rammte ein Schwertwal mehrfach das Heck einer sieben Tonnen schweren Jacht.

Orca in der Nordsee: "Als würde er sich suhlen"

Entsprechend groß war der Respekt, den Eva und Daniel Lütkenhaus verspürten, als sie diesen August ihr Orca-Erlebnis hatten. Im Mai hatte das Paar das gemeinsame Segelboot "Paikja" aus der Jade-Werft in Wilhelmshaven geholt, es fit gemacht, war dann im Sommer auf Nordsee-Törn gegangen. Im Skagerrak, das über das Kattegat Nord- und Ostsee verbindet, tauchte auf einmal die charakteristische Schwanzflosse des Killerwals auf.

Zuerst schwamm der Orca an Steuerbord, dann wechselte er an die Backbord-Seite des elf Meter langen Bootes. "Es schien mir so, als würde er das Schiff von beiden Seiten beäugen", schilderte Daniel Lütkenhaus das Aufeinandertreffen dem Segel-Magazin "Yacht". Der Schwertwal habe sich dabei gerollt und gedreht, "als würde er sich suhlen".

Segler reagieren sofort: Autopilot aus, Abstand vergrößern

Ein unheimlicher Moment: Um so wenig Geräusche wie möglich zu machen und das Tier nicht neugierig zu machen, schalteten die deutschen Segler den Autopiloten aus. Dann versuchten sie, Abstand zu gewinnen, ließen sich nur noch treiben und den Orca weiterziehen.

Eine Weile blieb der Killerwal verschwunden. Dann tauchte er wieder auf: Eine Wasserfontäne schoss in die Höhe, und die Segler vergrößerten die Entfernung noch, indem sie ihr Boot ganz stoppten. Anschließend sei die Begegnung einfach nur noch "ein magisches Schauspiel" gewesen, sagt Lütkenhaus. Zweimal sei der Wal gesprungen: "Das hat man mitgenommen fürs Leben."

Orca-Attacken: Warum greifen die Schwertwale an?

Warum Orcas seit etwa 2020 vermehrt Sportboote angreifen, ist im Übrigen noch unklar. Experten ziehen diverse Gründe in Betracht. Nahrungskonkurrenz um Fische könnte eine Rolle spielen, Stress und Lärmbelastung, gegen die sich die Orcas wehren, ebenfalls. Außerdem wird unter anderem der Spieltrieb der hochintelligenten Tiere ins Feld geführt. Rüpelhafte Teenager-Orcas könnten Spaß daran haben, Schäden an Booten anzurichten, heißt es.

Manche Segler glauben, ältere Schwertwale würden jüngeren anhand von Angriffen auf Boote Jagdtechniken beibringen. Andere wiederum halten es für möglich, dass eine negative Situation mit einer Segeljacht Auslöser der Attacken war: "Irgendetwas ist passiert", sagte zum Beispiel die Meeresbiologin Eva Carpinelli der "Welt". "Sie haben untereinander kommuniziert und gehen jetzt intensiv gegen die Segelboote vor."