Weltbekanntes Gewässer Faszination mit Risiko: Wie gefährlich ist der "Todessee"?

Der Kreidesee in Hemmoor ist einer der spektakulärsten Tauchspots Europas. Doch warum wird er auch "Todessee" genannt? Was Besucher wissen sollten.
Er schimmert türkis wie in der Karibik, bietet Sichtweiten von bis zu 40 Metern und zieht jährlich mehr als 30.000 Taucher aus aller Welt an: Der Kreidesee in Hemmoor, rund 60 Kilometer von Bremerhaven entfernt, ist kein gewöhnlicher Baggersee – sondern einer der spektakulärsten Tauchspots Europas.
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Bis 1976 wurde in Hemmoor Kreide abgebaut, danach füllte sich die Grube mit klarem Grundwasser. Das leicht basische, planktonarme Wasser blieb – samt Förderband, Lkw-Rampe und Betongebäuden. Daraus entstand ein Unterwasser-Abenteuerpark, der heute Taucher begeistert. Neben dem "Rüttler", einer begehbaren Industrieanlage mit Brücke und Tunneln, wurden gezielt ein Lkw, Autos, ein Segelboot und ein Flugzeug versenkt. Sogar ein sieben Meter langer Plastik-Hai sorgt für Gänsehaut unter Wasser.
"Die Sicht ist tropisch, der See ein Paradies", sagte Tauchlehrerin Barbara Brost einst der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Selbst aus Brasilien reisen Taucher an. Wer mag, kann in 18 Metern Tiefe sogar eine Postkarte aus dem wohl tiefsten Briefkasten Deutschlands verschicken. Doch die Faszination hat ihre Schattenseite: Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen. Bisweilen wird das Gewässer als "Todessee" verrufen.
Kreidesee Hemmoor: Warum kommt es immer wieder zu Unfällen?
In den vergangenen Jahren starben im Kreidesee mehrere Menschen – zuletzt kam im Mai 2025 ein 34-Jähriger ums Leben. Laut Angaben des "Hamburger Abendblatts" aus dem Jahr 2011 waren in den 16 Jahren zuvor insgesamt 14 Taucher gestorben. Die Ursachen sind vielfältig, wie auch Tauchbasis-Leiter Holger Schmoldt weiß: "Oft sind es individuelle Fehler: zu schnelles Auftauchen, gesundheitliche Probleme oder technische Pannen", sagt er dem "Abendblatt".
So kam 2023 eine 30-jährige Taucherin bei einem Notaufstieg ums Leben, weil ihre Lunge kollabierte. 2024 starb ein Niederländer, nachdem er aus bislang ungeklärten Gründen plötzlich aufstieg – ebenso wie der 34-Jährige im Mai.
Viele tödliche Unfälle passieren in größeren Tiefen – dort, wo normaler Atemluft-Stickstoff zu einer sogenannten Tiefenrausch führen kann. "Man wird euphorisch, verwirrt oder panisch, ohne es zu merken", erklärt Hannes Schade vom Tauchbetrieb Helgoland mit Sitz in Bremerhaven dem "Tageblatt". Dazu kommt: In 60 Metern Tiefe ist das Wasser eiskalt – das kann Lungenautomaten vereisen, was Panik auslöst.
Taucher räumt auf: "Gewässer hat nie Schuld an einem Unfall"
Auf dem Online-Portal "Unterwasserwelt", einem Newsmagazin für das Tauchen, schildert ein Taucher seine Erfahrungen mit dem Kreidesee Hemmoor – und räumt mit dem kursierenden Bild einer vom Gewässer ausgehenden Gefahr auf. "Es gibt keinen See in ganz Deutschland, der so hervorragende Bedingungen für das Tauchen bietet", schreibt er.
Die Sichtweiten seien großartig, auch die maximale Tiefe des Sees von 60 Metern sei in dieser Frage nicht relevant. Sein Vergleich: "Viele von Tauchern besuchte Seen sind weitaus tiefer, haben schlechte Sichtweiten und keine örtlichen Strukturen, die sie versorgen."
Dass gesundheitliche Probleme auftreten können, sei niemals auszuschließen. Und diese seien in der Unfallstatistik "absolut führend". Sein Fazit: "Ein Gewässer hatte in keinem Fall Schuld an einem Unfall, egal, ob es Badende, Schnorchler oder Taucher betraf."
Sicherheit mit System – aber Eigenverantwortung bleibt
Zumal die Betreiber des Kreidesees längst auf die Unfallzahlen reagiert haben. Wer heute in Hemmoor taucht, muss sich registrieren, unterschreiben, dass er die Regeln kennt – und sich an klare Tiefenlimits halten. Auf der Internetseite des beliebten Ausflugsziels sind die Regeln ausführlich genannt. Anfänger dürfen nur bis zehn Meter, erfahrene Sporttaucher bis 45 Meter tauchen. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Tauchverbot. "Wir kontrollieren stichprobenartig die Tauchcomputer", sagt Schmoldt. 98 Prozent der Besucher hielten sich daran.
Der See selbst sei nicht gefährlicher als andere Tauchspots – allenfalls anspruchsvoller, sagt auch Oliver Härtel vom Verein "Sporttaucher Bremerhaven" zu "butenunbinnen". Bei mehreren Zehntausend Tauchern im Jahr sei die Zahl der Unglücke verhältnismäßig gering. Die meisten Unfälle seien vermeidbar: "Man muss wissen, was man tut – und seinen Tauchgang vorher planen."
Ein Ausflug, der sich lohnt – auch ohne Flasche
Für Taucher mit Erfahrung ist der Kreidesee ein echtes Highlight. Aber auch wer nicht abtaucht, kommt auf seine Kosten: Spazierwege führen rund um das glasklare Wasser, es gibt Picknickplätze, Infotafeln zur Industriegeschichte und schöne Fotospots. Die Region um Hemmoor bietet zudem idyllische Dörfer, die Oste-Fähre und ist ein idealer Tagesausflug von Hamburg oder Bremen aus.
Wer ins Wasser geht – mit oder ohne Gerät – sollte nur eines mitbringen: Respekt. Vor der Tiefe, der Natur und den eigenen Grenzen.
- abendblatt.de: "Kreidesee: Die Taucherfalle von Hemmoor"
- tageblatt.de: "Tödlicher Unfall im Kreidesee: Wie gefährlich ist das Tauchen in Hemmoor?" (kostenpflichtig)
- unterwasserwelt.de: "Wie gefährlich ist der Kreidesee Hemmoor?"
- kreiszeitung.de: "Eldorado für Taucher: In Niedersachsen liegt einer der schönsten Seen"
- kreideseetaucher.de: "Tauchen & Sicherheit"
- travelbook.de: "Der berühmte Kreidesee, der Tauchern immer wieder zum Verhängnis wird"
- butenunbinnen.de: "Was Sie über tödliche Tauchunfälle im Kreidesee wissen sollten"
- cnv-medien.de: "Drei tödliche Tauchunfälle im Kreidesee Hemmoor seit 2022: Eine Chronik" (kostenpflichtig)
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