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Wie kam das Hakenkreuz auf die Figur im Karl-May-Museum?


"Indianer" in der NS-Zeit
Historiker im Interview: Wie kam das Hakenkreuz auf die Figur im Karl-May-Museum?

InterviewVon Marvin Graewert

13.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Seit 1933 steht die Komantschen-Figur im Karl-May-Museum: 90 Jahre lang blieb das verbotene Symbol auf dem Hinterteil des lebensgroßen Kriegers unbemerkt.Vergrößern des Bildes
Seit 1933 steht die Komantschen-Figur im Karl-May-Museum: 90 Jahre lang blieb das verbotene Symbol auf dem Hinterteil des lebensgroßen Kriegers unbemerkt. (Quelle: Karl May Museum)

Nationalsozialismus und "Indianer-Begeisterung" sind eng miteinander verknüpft: Teils wurden Erzählungen über indigene Völker missbraucht, um die Shoah vorzubereiten.

Restauratoren des Karl-May-Museums in Radebeul haben auf der linken Gesäßhälfte einer 90 Jahre alten Komantschen-Figur ein Hakenkreuz entdeckt. Rechts daneben: ein Davidstern in derselben roten Farbe. Wie die Symbole dahingekommen sind, darüber können selbst die Museumsfachleute derzeit nur spekulieren. Ein Klärungsversuch mit Frank Usbeck von den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen.

t-online: Herr Usbeck, können Sie sich erklären, wie das Hakenkreuz-Symbol auf die Kriegerfigur im Karl-May-Museum gekommen ist?

Frank Usbeck: Es ist ja nicht nur das Hakenkreuz, sondern auch ein Davidstern aufgemalt. Das macht es schon ein bisschen spannender. "Es wundert mich zwar nicht, aber etwas sonderbar ist es schon: Narrenhände beschmieren eben nicht nur Tisch und Wände, sondern auch Museumsfiguren.

Woher kam diese Begeisterung für indigene Völker im Nationalsozialismus, die auch das Museum in Radebeul wachsen ließ?

Die sogenannte "Indianerbegeisterung" fing nicht erst 1933 an – das zieht sich durchs gesamte 19. Jahrhundert, also auch schon lange vor Karl May: Von Anfang an war es ein Versuch der Deutschen gewesen, sich selbst zu erklären – zu einer Zeit, wo begonnen wurde, die deutsche Kleinstaaterei zu überwinden und einen Nationalstaat zu gründen.

Frank Usbeck, Kurator für die Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden.
Frank Usbeck, Kurator für die Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden.

Frank Usbeck

hat in Leipzig und an der University of Arizona (Tucson) Amerikanistik, Geschichte, Journalistik und American Indian Studies studiert. Er promovierte 2010 in Leipzig; die Arbeit gewann den Rolf Kentner Dissertationspreis des Heidelberg Center for American Studies.

Wieso haben sich ausgerechnet die Nationalsozialisten eine nicht-weiße Gruppe zum Vorbild gemacht?

Es war der Versuch, vermeintliche Naturgesetze in die Politik zu übertragen: Mir ist dazu ein Artikel aus dem "Völkischen Beobachter" von 1933 in Erinnerung geblieben, der beschreibt, wie "Indianer" Infantizid an missgebildeten Neugeborenen verübt haben, geistig behinderte Kinder umbrachten.

Und alte Leute wurden so beschrieben, dass sie in einem harten Winter raus in den Schneesturm gingen, um ihrem Stamm nicht mehr zur Last zu fallen: Da wird ganz deutlich, dass damit bereits Euthanasieprogramme vorbereitet wurden, die dann Ende der 30er-Jahre durchgeführt wurden. In dem Artikel wird das so eingeordnet, dass es für uns fortschrittliche Menschen barbarisch klinge, aber die "Indianer" hätten recht, weil sie "natürlich" handeln.

Deckt sich diese Erzählung in irgendeiner Art und Weise mit der Lebensweise der indigene Völker?

Es gibt tatsächlich mündliche Überlieferungen aus indigenen Stämmen, dass dort behinderte Neugeborene getötet wurden. Und es ist belegt, dass sich die Alten in einigen Gruppen in Notsituationen abgesondert haben, um es der Gemeinschaft leichter zu machen. Aber die ganze Argumentation der Nazis darum ist natürlich extrem sozialdarwinistisch.

Zumal bei diesen Gruppen immer der Gedanke der gegenseitigen Hilfe im Vordergrund stand und nicht das Schwache auszulöschen: Es gibt ganz viele Anführer, die sich während der sogenannten Indianerkriege ergeben haben, um weitere Massaker verhindern – um gleich das von Nazis verbreitete Bild zu widerlegen, "Indianer" hätten bis zur letzten Patrone gekämpft.

Am Ende wurden nationalistische Symbole ins Karl-May-Museum mit eingebunden: So gab es in Radebeul eine riesige Swastika-Sammlung, die indigenen Völkern zugesprochen wurde. Inwieweit lässt sich dieser Zusammenhang herstellen?

Es gibt verschiedene Völker in Nordamerika, die das Swastika-Symbol verwendet haben – auch lange Zeit. Was die Nazis aber nicht berichtet haben, ist, dass Ende 1939 ganz viele indigene Gruppen dessen Nutzung öffentlichkeitswirksam abgelegt haben – wegen der Nazis.

Die Nazis haben sich nur die Punkte herausgepickt, die ihnen in den Kram gepasst haben: Etwa, dass die indigenen Völker naturverbunden sind: Das hat dazu geführt, dass im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert ausdrücklich argumentiert wurde, dass Deutsche eine Art Seelenverwandte von "Indianern" seien. So wurde während der NS-Zeit auch die sonderbare Fachrichtung der Rassenseelenkunde geprägt – ein Versuch der rassisch geprägten Gruppenpsychologie.

Das heißt, Karl May hat diese Begeisterung in seinen Werken gezielt aufgegriffen?

Karl May hat darauf aufgebaut: Die Lederstrumpferzählungen von James Fenimore Cooper, wie "Der letzte Mohikaner" sind Mitte der 1820er-Jahre geschrieben worden und wurden übersetzt sofort zu deutschen Bestsellern. Auch das kindliche "Indianerspielen" hat es lange vor Karl May gegeben. Die Völkerschauen und die Wildwest-Shows ab den 1880er-Jahren sowie Mays Werke ab den 1890ern haben das aber zum Massenphänomen hochstilisiert. Daraus wuchs dieses frühe Stereotyp, dass man bei "Indianern" an Prärie und Federhaube denkt und nicht an Pueblo-Kulturen im Südwesten.

Es hat ja auch gut zum Zeitgeist gepasst.

Es fiel in eine Zeit, in der kritisch über die Moderne und Urbanisierung nachgedacht wurde und darüber, wie man zu vermeintlichen Ursprüngen zurückkommen könne. Daraufhin haben sich Nudistenvereine gegründet; es gab die Wandervogel- oder okkulte Bewegungen, die nach Alternativen zum Christentum gesucht haben.

Und es waren auch Personen mit einem stark antisemitischen Weltbild dabei, auf die sich Adolf Hitler später berufen und die frühen Nationalisten mit sozialisiert hat: Es gibt einige Nachweise, die zeigen, dass sich Hitler auf indigene Völker bezieht, wenn er etwa über den Versailler Vertrag wettert. In einer Rede aus dem Jahr 1939 sagt er etwa, dass die deutsche Delegation, die den Versailler Vertrag aushandelte, nicht wie ehrenhafte Krieger behandelt wurde, sondern noch schlimmer als die Sioux-Häuptlinge.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Frank Usbeck
  • Eigene Recherchen
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