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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Imker aus Meißen Ein Jahr nach Prozess-Sieg: "Böhmermann tritt nach unten"

Jan Böhmermann nimmt im TV einen Imker aufs Korn. Der wehrt sich mit einer Aktion. Daraufhin wird er von Böhmermann verklagt – und gewinnt den Prozess. Ein Jahr danach spricht er über Details.
Rico Heinzig durfte lange nicht sagen, was er wirklich dachte. "Jede emotionale Bemerkung während des Prozesses hätte den Ausgang gefährden können", sagt der Imker aus Meißen heute. Jetzt, fast ein Jahr nach der Entscheidung des Dresdner Oberlandesgerichts, spricht er offen über seinen Rechtsstreit mit TV-Satiriker Jan Böhmermann.
Der Streit begann im November 2023. Böhmermann warf Heinzig in seiner Sendung "ZDF Magazin Royale" vor, mit Bienenpatenschaften "Beewashing" zu betreiben – also Greenwashing mit Bienen. Als satirische Reaktion darauf brachte Heinzig einen "Beewashing"-Honig heraus – und warb dafür in einem Dresdner Supermarkt mit Böhmermanns Bild.
Ausgerechnet dem Medienprofi Böhmermann sei während der Zeit des Verfahrens ein Patzer unterlaufen, sagt Heinzig heute. "Seine ganze Verteidigung basierte darauf, dass ich ein knallharter Geschäftsmann bin, der die Aufmerksamkeit durch die Sendung ausnutzt." Dann sagte Böhmermann allerdings in einem Podcast des Hessischen Rundfunks, hier träfen "zwei Satiriker aufeinander", gab also praktisch zu, dass es sich bei der Aktion des Imkers um Satire handelte.
Ich war wütend und innerlich gereizt.
Rico Heinzig, IMker aus Meißen
Heinzig schmunzelt: "Nach dieser Aussage sind bei Jan Böhmermann sicher die Telefone heiß gelaufen." Er selbst habe sich mit Äußerungen zurückgehalten. "Klar war ich wütend und innerlich sehr gereizt, weil ich von der Redaktion von Jan Böhmermann vor einem Millionenpublikum vorgeführt worden bin", sagt der Imker und wirft der Redaktion vor, sie habe billigend in Kauf genommen, dass seine Firma pleitegeht.
Das Label "Böhmermann-Imker" bleibt
Vor allem die ersten Tage nach der Ausstrahlung seien hart gewesen. Gleich am Montag nach der Sendung habe eine Kundin angerufen. Sie habe eine Bienenpatenschaft gehabt und besorgt gefragt, wie sie das ihren eigenen Kunden erklären solle.
Mit der Aktion mit dem Böhmermann-Aufsteller habe er seinen Ruf wiederherstellen wollen. "Es war ein Flyer in Honigform – ein Flugblatt zur Richtigstellung." Böhmermann habe es so dargestellt, als sei es ihm ums Geld gegangen. Das weist Heinzig weiterhin entschieden zurück: "Aus meinen 200 Völkern bekomme ich drei bis sechs Tonnen pro Jahr. Ich kann meinen Honig vielleicht schneller verkaufen – aber nicht mehr davon."
"Böhmermann sucht sich die falschen Opfer"
Zunächst einmal absurd sei es für Heinzig gewesen, überhaupt in der ZDF-Sendung zu landen. "Der zweite absurde Moment kam, als Böhmermann mich verklagte und dann selbst eine Sendung über Cancel Culture machte. Darin verteufelte er genau das, was er bei mir tat."
Langfristig hat ihm die Sendung jedoch nicht geschadet – im Gegenteil: Durch den Rechtsstreit wurde Heinzig deutschlandweit bekannt. Seinen Honig verschickte er zeitweise bis nach Österreich und in die Schweiz. Viele Menschen zeigten sich solidarisch – ein Unterstützer schickte sogar einen handschriftlichen Brief mit 20 Euro. "Da ist mir das Herz aufgegangen", erinnert sich Heinzig. Insgesamt kamen bei solidarischen Spendenaktionen mehr als 70.000 Euro zusammen.
Und was hält Heinzig heute von Böhmermann und seiner Sendung? "Was mich am 'ZDF Magazin Royale' stört: Böhmermann tritt nach unten, nimmt kleine Leute auseinander und sucht sich die falschen Opfer", sagt der Imker.
Seine Hoffnung ist, dass andere Betroffene anhand seines Beispiels Mut fassen. "Man kann sich auch ohne Netzwerk, viel Geld und Lobby wehren", sagt Heinzig und rät: "Nicht den Kopf in den Sand stecken, nicht gleich zum Anwalt rennen – kreativ zur Wehr setzen."
- Gespräch mit Imker Rico Heinzig
- ardaudiothek.de: Podcast "Freiheit Deluxe" mit Jan Böhmermann als Gast vom 8. März 2024