t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalEssen

Megamarsch in Essen: 100 Kilometer durchs Ruhrgebiet


Zu Fuß durchs Ruhrgebiet
Megamarsch in Essen: Bei Kilometer 85 platzen die Blasen

Sophie Schädel

25.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Jubel am Ziel: Nur drei Viertel schafft die gesamte Strecke über 100 Kilometer.Vergrößern des Bildes
Jubel am Ziel: Von 578 angetretenen Läufern haben es 280 bis zum Ende geschafft. (Quelle: Sophie Schädel )

100 Kilometer zu Fuß – in nur 24 Stunden. Warum tut man sich das an? Wir waren beim Megamarsch in Essen dabei und haben nachgefragt.

Angelika (45) aus Aalen hat den Lauf ganz allein gemeistert. Es ist ihr erster Megamarsch, und sie hat trotz Schmerzen durchgehalten. Bei Kilometer 85 platzte eine Blase an ihrem rechten Fuß und sie konnte im Schuh nicht mehr laufen, darum lief sie die letzten 15 Kilometer auf dieser Seite schuhlos.

"Aufgeben kam nicht infrage", sagt sie entschieden und lässt sich hinter dem Ziel ins schattige Gras fallen. Und das, obwohl ihr die Blase noch immer zu schaffen macht, und durch die Schonhaltung nun auch das linke Knie schmerzt.

Ein bisschen lässt sich die selbstgewählte Tortur mit einer Entbindung vergleichen, sagt Angelika: "Ich wusste von meinen Geburten schon, dass mein Körper Unglaubliches leisten kann. Klar hat man da am Ende ein Kind und hier nur eine Medaille. Aber in beiden Fällen ist man einfach stolz auf sich und seinen Körper." Zur Belohnung holt sie sich ein kühles, alkoholfreies Radler am Stand gegenüber.

Essen: "Ihr seid mega, lasst euch feiern"

Der Megamarsch ist nicht nur eine Route, sondern ein Event samt Infrastruktur. Entlang der Strecke warten Versorgungspunkte mit Essen, Getränken und Toiletten auf die Teilnehmer. Am Ziel bekommen sie eine Medaille.

Ein Fotograf schießt Bilder von den glücklich strahlenden Wanderern, drumherum stehen Megamarsch-Fans und applaudieren. Das Event wird immer von zahlreichen ehrenamtlichen Helfern unterstützt.

"Walking on Sunshine" schallt durch den Park, und zur Musik kommentiert eine Frau vom Megamarsch-Team die Zieleinläufe. "Ihr seid mega, lasst euch feiern!" Manche erkennt sie schon von Weitem und feuert sie für die letzten Meter mit ihren Namen an. Da solche Märsche in ganz Deutschland recht oft stattfinden und einige eingefleischte Fans immer wieder teilnehmen, kennt man sich gegenseitig.

Mit 6,2 km/h durchs Ruhrgebiet

Anton (44) aus Stuttgart ist einer dieser eingefleischten Fans. "Ich laufe fast jedes Wochenende so einen Marsch", erzählt der Schwabe stolz. "Je nachdem, was gerade angeboten wird, mal 50 und mal 100 Kilometer." Dieses Training macht sich bemerkbar: Mit Blick auf seine Fitness-Armbanduhr vermeldet er ein durchschnittliches Tempo von 6,2 Kilometern pro Stunde. Von 578 Läufern war er heute der 18. im Ziel.

Auf seinen Märschen genießt Anton die Natur. "Der Sonnenaufgang ist immer das Schönste", schwärmt er. Und diesmal hat ihm die Route besonders gut gefallen, die sich in einem großen Kreis aus Essen heraus entlang des Rhein-Herne-Kanals nach Westen schlängelte, dann zwischen Duisburg und Mülheim hindurch, vorbei an Werden und dem Baldeneysee.

Nach einem kleinen Stückchen an der Ruhr bog die Strecke dann im Osten Essens ab und führte zurück zum Start- und Zielpunkt, dem Park Am Hallo. "Besonders Richtung Bochum war es wirklich schön grün", sagt Anton.

Über die Hälfte gibt auf

Auf die Frage, was ihm nach diesem Megamarsch am schlimmsten wehtut, zuckt er entspannt die Schultern: "nichts." Und er hat noch nicht genug: Zum Tagesabschluss will er noch die Treppen des Kölner Doms erklimmen – zum Training und als Test der Höhenmessung seiner Fitnessuhr.

Nicht allen fällt der Marsch so leicht wie Anton: Von 578 angetretenen Läufern haben es nur 280 ins Ziel geschafft. Megamarsch-Sprecherin Sabrina (27) überrascht das nicht: "Bei 100 Kilometern liegt die Finisher-Quote meistens zwischen 30 und 40 Prozent." Die Essener Teilnehmer haben also vergleichsweise gut abgeschnitten. "Im Ruhrgebiet haben wir oft eine gute Quote", bestätigt Sabrina.

Schmerzen und fehlende Disziplin

Sie weiß auch, was zu den vielen Abbrüchen führt: "Meistens sind es Blasen an den Füßen, die natürlich sehr schmerzen. Oder der Kopf." Denn wenn der Körper keine Lust mehr hat, muss die Disziplin die erschöpften Läufer ins Ziel bringen.

"Besonders in der Nacht macht der Kopf vielen einen Strich durch die Rechnung", erklärt Sabrina, die selbst bereits einen 50 Kilometer langen Megamarsch gelaufen ist und weiß, wovon sie spricht.

Nachts laufen die Teilnehmer mit Stirnlampe, und ihr Kegel ist meist das Einzige, das sie sehen. Zusätzlich wird es nachts still um die Läufer. Eine demotivierende Situation, in der vielen nur lange Hörbücher helfen, um nicht ans Aufgeben zu denken. Oder andere Teilnehmer, die sich gegenseitig anfeuern.

Wie schafft man die 100 Kilometer?

Sascha hat es geschafft und ist gemeinsam mit Anton ins Ziel eingelaufen. Auch er ist nach den 100 Kilometern überraschend fit. Er hat ebenfalls schon oft an Megamärschen teilgenommen und einige hilfreiche Tipps für Anfänger auf Lager: "Wer zum ersten Mal mitläuft, packt oft viel zu viel ein. Am Anfang habe ich auch oft einen großen Rucksack mitgenommen. Heute reicht mir eine kleine Bauchtasche." Je weniger Gewicht man schleppt, desto schneller und leichter schafft man die 100 Kilometer.

Das gilt nicht nur fürs Gepäck, erklärt Sascha und zeigt auf seine bunten Laufschuhe: "Früher bin ich mit großen, schweren Wanderstiefeln gelaufen. Die brauche ich vielleicht zu Hause im Harz, wenn ich den Brocken hochwandern will. Aber nicht bei einem Megamarsch im ebenen Gelände."

Egal wie gut sie vorbereitet sind: Alle, die ins Ziel einlaufen, humpeln und haben teils fiese Blasen an den Füßen. Trotzdem strecken sie stolz die Arme in die Höhe, manche joggen sogar die letzten paar Meter. Einige brechen in Freudentränen aus, andere gehen routiniert zum Bus und sind gedanklich schon beim nächsten Lauf.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website