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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jetzt spricht Essens Siegertrainer Koschinat über Pokalsieg, Jubellauf und Rudelbildung

Nach dem Pokalsieg feiern Mannschaft und Fans von Rot-Weiss Essen den Trainer. Uwe Koschinat verrät, was in ihm im Augenblick des Triumphs vorging.
Mit dem Pokalsieg entlud sich auch bei Uwe Koschinat die ganze Anspannung. Nach dem hart erkämpften 2:1-Erfolg beim MSV Duisburg stürmte der Trainer von Rot-Weiss Essen auf die Fankurve zu, reckte die Siegerfaust in die Höhe und brüllte seine Freude in den Abendhimmel hinaus.
Mit dem Endspieltriumph im Niederrheinpokal hat Koschinat seine ganze starke Saison mit RWE gekrönt. Erst zweitbestes Team der Rückrunde, jetzt der Pokalsieg. Die Mannschaft ließ ihren Coach auf dem Rasen hochleben, von den Rängen schallten laute "Uwe, Uwe", Sprechchöre.
Mit etwas Abstand, der Medaille um den Hals und einem Sieger-Radler in der Hand stand ein zufriedener und erleichterter Uwe Koschinat nach der Partie Rede und Antwort und sprach über eine emotionale Partie, den Schlüssel zum Erfolg und eine Pokalparty mit Wermutstropfen.
Uwe Koschinat über…
…die Bedeutung des Sieges:
Respekt vor dem MSV – es war das erwartet schwere Spiel und ein Vorgeschmack auf die Derbys in der nächsten Saison. Wir wollten dieses Spiel unbedingt gewinnen und unsere fantastische Halbserie krönen. Wenn es anders gekommen wäre, wäre ein fader Beigeschmack geblieben. Jetzt bin ich sehr, sehr stolz und freue mich für die Mannschaft unfassbar, weil sie zum wiederholten Mal ein enges Spiel über die Zeit gebracht hat. Solche Spiele in Serie zu gewinnen, ist irgendwann vielleicht auch Können.
…die Probleme in der ersten Halbzeit:
Wir haben den Fehler gemacht, dass wir das Spiel zu früh über das ganze Feld eins gegen eins interpretiert haben. Das war nicht unser Ziel. Dadurch hatte Duisburg Räume. Und dadurch wurde es ein fifty-fifty-Spiel, bei dem gefühlt beide Mannschaften relativ schnell zum gegnerischen Strafraum kamen – ehrlicherweise die Duisburger sogar etwas gefährlicher als wir. Hätten wir das 0:2 kassiert, wäre es ein ganz fieses Spiel geworden.
…den Schlüssel zum Sieg:
Während des Spiels haben wir den Ballbesitz anpassen können, so dass wir zumindest nicht mehr in so viele Konter gelaufen sind. Dass wir kurz vor der Pause das 1:1 gemacht haben, war natürlich super. Es war ganz wichtig, dass wir dieses Spiel auf null gestellt haben und nochmal neu angehen konnten. Der entscheidende Schlüssel waren dann die ersten Minuten nach der Pause. Da haben wir eine richtig gute Überlegenheit auf den Platz gebracht, viele Bälle abgefangen, sehr strukturiert angegriffen.
…das Siegtor:
Das Tor zum 2:1 war eine riesige Weiterentwicklung. Es war immer ein wenig unsere Schwäche, eine gute Strafraumbesetzung zu haben. Hätte in dieser Situation Safi den Ball nicht hineingeköpft, dann wäre es eben Arslan gewesen. Das war ein mustergültiger Angriff.
…den intensiven Fight in der Schlussphase:
Duisburg hatte sehr viel Energie. Wir mussten uns komplett auspowern. Am Ende war mir schon klar, dass 20 Spiele etwas anders sind als 16, von denen Duisburg einige mit Sicherheit lockerer hat herunterspielen können im Vergleich zu uns. Und war klar, dass wir dieses Spiel nicht im Ballbesitz runterspielen können, wenn es am Ende eng wird. Man darf sich dann nicht zu schade sein, das Spiel hinten heraus einfach runterzukämpfen.
…die Emotionen im Spiel:
Beide Mannschaften haben dieses Pokalfinale als das größte Wettbewerbsspiel überhaupt interpretiert. Sie wollten sich nichts schenken – weder auf dem Platz noch daneben. Genau so muss ein Pokalspiel sein. Emotionen gehören dazu, gerade dann, wenn es so eng ist. Wenn die Emotionen runtergekocht sind und es dann auch wieder gut ist, dann war es genau das, weswegen man ins Stadion geht. Ich bin überzeugt, jeder Duisburger wird trotz der Niederlage sehr stolz auf die eigene Mannschaft sein. Und jeder Essener ist auf uns sehr stolz – nicht nur wegen dieses Spiels, sondern wegen der gesamten Rückrunde.
…die Rudelbildung in der Schlussphase:
Da treffen Männer aufeinander, die beide die Hand am Pokal haben wollen. Deswegen geht es dann auch darum, keinen Millimeter irgendwo preiszugeben. Wir wollten uns nichts gefallen lassen und uns nicht den Schneid abkaufen lassen.
…die Rolle von MSV-Trainer Dietmar Hirsch, der oft wütend außerhalb seiner Mixed-Zone agierte:
Dietmar Hirsch verkörpert den MSV, er wollte auch die Saison krönen. Dann versuchst du alles in die Waagschale zu werfen. Wenn dann latent das Gefühl aufkommt, in fifty-fifty-Situationen häufiger benachteiligt zu werden, dazu die Niederlage vor Augen – da kann schon mal die Emotionalität durchschlagen.
…seinen jubelnden Sololauf zu den Fans nach Abpfiff:
Es hat sich sehr viel entladen in diesem Moment. Ich habe frühzeitig gespürt, dass ich für die Menschen auch ein stückweit Hoffnungsträger bin. Diese Rolle habe ich sehr gerne angenommen – auch, um Druck von der Mannschaft zu nehmen. Das hat im Zusammenspiel sehr gut funktioniert. Trotzdem habe ich nach den Spielen immer versucht klarzumachen, dass dieser Moment den Spielern gehört. Heute gehört er irgendwie uns allen und da ist dann auch sehr viel Emotionalität aus mir herausgekommen. Heute hätte man eine Niederlage nicht schön quatschen können, darum fühlt sich der Sieg auch total toll an.
…das Standing von RWE bei den Fans:
Aus einer gewissen lakonischen Beurteilung unsere Leistungen um die Weihnachtszeit herum ist jetzt Anerkennung geworden. Ich glaube, dass die Menschen uns jetzt einiges verzeihen würden. Aber wir wollen ihnen dafür nicht allzu viel Gelegenheit geben.
…eine Pokalfeier mit Wermutstropfen:
Es wird sicher auch sehr viel Emotion beim Feiern dabei sein. Es gibt Spieler, die RWE verlassen. Es gibt Spieler, die haben nicht so im Vordergrund gestanden. Es wird sicher auch ein wehmütiger Abschied, weil alle spüren, wie groß dieser Klub ist und weil nicht jeder zu einem so emotionalen Verein wechselt.
- Reporter vor Ort
- Gespräch mit Uwe Koschinat nach dem Spiel in der Mixed Zone des Stadions