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Frankfurt am Main: Wie gefährlich ist das Bahnhofsviertel?


Wachsendes Elend im Frankfurter Bahnhofsviertel
"Viele kommen hier ins Viertel und suchen Stress"

Von Sophie Vorgrimler

04.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Die Taunusstrasse im Frankfurter Rotlichtviertel (Archivbild): In den Laufhäusern zahlen Prostituierte für in Zimmer 140 Euro pro Tag.Vergrößern des Bildes
Die Taunusstraße im Frankfurter Rotlichtviertel (Archivbild): Das Bahnhofsviertel ist auch für seine Laufhäuser bekannt. (Quelle: Steinach/imago-images-bilder)

Junkies, Prostituierte und Kleinkriminelle prägen das Bild des Frankfurter Bahnhofsviertels. Das Elend scheint schlimmer denn je zu sein.

"Eigentlich haben wir sehr gute Bewertungen", sagt der Mitarbeiter eines Hotels mitten im Frankfurter Bahnhofsviertel. "Nur die Lage wird oft schlecht bewertet." Genau gegenüber vom Hotel stehen Dealer. "Kunden fühlen sich unsicher und fragen uns, in welchen Straßen man sich aufhalten kann." Die Antwort: Grundsätzlich ist man im Viertel sicher. "Drogenverkäufer wollen Deals machen." Gewalttätig seien sie nur unter sich. "Es ist noch keiner unserer Kunden Opfer von Gewalt geworden", sagt der Hotelangestellte zu t-online.

Das Frankfurter Bahnhofsviertel zeigt sich an diesem Tag von seiner schönsten Seite. Die Sonne scheint, Bäckereien und Bars, Hotels, Friseure, Kioske und Stripclubs öffnen ihre Türen. Die Zigaretten- und Essensverpackungen, Prospekte und Plastiktüten aus der Nacht haben sie schon von den Gehsteigen gekehrt.

In der Niddastraße und am Karlsplatz sitzen rund 50 Obdachlose und Drogenkranke unter der tief stehenden Sonne. Fast nichts von dem, was die Berichte der vergangenen Wochen und Monaten vom Viertel erzählen, ist zu sehen.

Spitzt sich die Situation wirklich zu?

Das Viertel ist für angesagte Restaurants und sein buntes Nachtleben bekannt, aber auch für Kriminalität, Prostitution, eine hohe Zahl an Obdachlosen und einen offenen Umgang mit illegalen Drogen. Viele Menschen in der Stadt sprechen von einer zugespitzten Situation seit Beginn der Corona-Pandemie. Manche sagen gar, dass die liberale Drogenpolitik, der Frankfurter Weg, gescheitert sei. Die Fakten sprechen jedoch dagegen. Waren es in den Neunzigerjahren noch jährlich rund 150 Drogentote, sind es heute nur noch 20 bis 30.

Die Probleme im Bahnhofsviertel sind wahrlich nicht neu. Insbesondere im Bereich der Nidda- und Taunusstraße werden sie nun aber sichtbarer. Privatpersonen und Gewerbetreibende glauben nicht mehr, dass die Stadt die Probleme lösen kann, also beauftragten manche einfach selbst eine Sicherheitsfirma. Die Mitarbeiter von Alybaba haben Drogenabhängige und Obdachlose in Hauseingängen und auf privatem Grund kontrolliert und Drogendealern sowie Drogensüchtigen mit der Polizei gedroht. Die Stadtpolizei kontrollierte daraufhin die Mitarbeiter. Danach war es mit dem privaten Streifendienst in der Niddastraße erst mal vorbei.

Doch Alybaba-Chef Karim Aly will in den nächsten Tagen weitermachen. Er wolle mit einer weiteren Sicherheitsfirma, die eine entsprechende Genehmigung habe, die Kontrollen im Bereich der Nidda- und Karlstraße fortführen. Es hätten sogar weitere Hausverwaltungen Interesse bekundet, sagte er unlängst zur "Frankfurter Rundschau".

"Mein Freund holt mich immer mit dem Auto von der Arbeit ab, weil mich ein Mann mal bis in die Straßenbahn verfolgt hat", sagt Celine, die in der Münchner Straße direkt am Hauptbahnhof im Restaurant "Frittenwerk" arbeitet. Sie blickt aus dem Fenster. An einem Bauzaun stehen einige Obdachlose, Drogenabhängige und -verkäufer. "Manchmal kommen sie rein und fragen Kunden nach Geld oder Essen", sagt sie.

Bei Schlägereien gingen immer mal wieder Möbel des Restaurants kaputt. Die Verkäuferin ist skeptisch, ob ein Sicherheitsdienst etwas bewirken könnte. Temporär vielleicht, aber dauerhaft nicht, glaubt sie. "Das ist mit der Polizei ja dasselbe. Wenn die kommen, löst sich kurz alles auf und wenig später sind alle wieder da."

Club-Besitzer: "Früher waren es nur ein paar Junkies"

Später am Tag, in der Dämmerung, sammeln sich Menschen vor den Kiosken. Im Eingang des Szeneclubs Orange Peel sammeln sich die Dragqueens. Bald öffnet die Kasse zum Drag-Slam, später zu Milk 'n' Cream, der Gay-Night. "Ich bin im Bahnhofsviertel aufgewachsen", sagt Ömer, der Betriebsleiter des Orange Peel. Den Club gibt es seit 30 Jahren.

"Früher haben wir geduldet, dass Obdachlose hier im Innenhof schlafen können, aber dann war oft am nächsten Tag alles vollgepinkelt und die Pflanzen kaputt", berichtet er. Heute ist das Tor zur Straße geschlossen, wenn keine Veranstaltung läuft.

Die Lage mit Drogenabhängigen, Obdachlosen und bettelnden Banden habe sich seiner Beobachtung nach zugespitzt. Er geht von etwa doppelt so vielen Menschen wie noch vor Corona aus. "Früher waren es nur ein paar Junkies und Obdachlose." Seit einiger Zeit komme es häufiger zu Einbrüchen und Diebstählen.

Auch in der Kinly Bar in der Elbestraße vertraut man auf die Sicherheitstür. Wer einen der exklusiven Drinks will, muss klingeln. "Selbst wenn draußen eine Schießerei ist, bekommt man davon hier drinnen nichts mit", sagt Erwin, einer der Barkeeper. "Das ist wirklich so, das ist schon vorgekommen."

"Wir wurden auch schon gefragt, ob wir Interesse daran haben, uns an öffentlichem Sicherheitspersonal zu beteiligen", sagt Harry, der die Bar für den Abend vorbereitet. In angrenzenden Häusern mache man davon Gebrauch. Die Bar habe die Entscheidung dem Hauseigentümer überlassen. "Das ist ja auch eine Kostenfrage."

In der Elbestraße sind fast rund um die Uhr Drogenabhängige und Obdachlose anzutreffen. Oft würden diese die Nacht vor der Bar verbringen, sagt Erwin. "Aber wir sind vier Jungs, und wenn man denen sagt, 'Geh mal zur Seite, wir machen jetzt den Laden auf', dann verstehen die das ja meistens und gehen dann auch. Viele kennen wir mit Namen." Das gehöre eben zum Viertel.

Bar-Mitarbeiter: "Wir sind das hier gewohnt"

Eine hohe Präsenz an Sicherheitspersonal gebe es im Viertel nicht. Der Ruf der Drinks sei aber gut genug, an Kundschaft mangele es nicht. "Für Leute, die hier zweimal im Monat durchlaufen, mag die Situation schlimm sein, aber wir sind das gewohnt. Wir kennen das Nachtleben, wir sind eine Bar", sagt Erwin. Die Menschen, die auf der Straße leben, einfach zu vertreiben, sei keine Lösung. "Die sind ja hier, weil sie von woanders vertrieben wurden. Sie weiter verscheuchen, verschiebt das Problem nur."

Ein größeres Problem als mit den Drogenabhängigen gebe es seiner Meinung nach sowieso mit Menschen, die die Situation ausnutzen. "Viele kommen hier ins Viertel, benehmen sich, wie sie wollen, und suchen Stress." Auch dass die Stadt die Reinigung der Straßen quasi aufgegeben habe, sei bedauerlich. "Es gibt keine Mülleimer, keine öffentlichen Toiletten und keiner macht hier sauber." Aber hin und wieder kommt ein Regenschauer und wäscht den Geruch aus den Straßen.

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