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Sturmtief "Ylenia": Passagierin von Hamburger Elbfähre erzählt


Fenster von Elbfähre zerschmettert
"Die Splitter flogen, ich hatte Todesangst"

  • Matti Hartmann
Von Matti Hartmann

Aktualisiert am 19.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Der Moment, in dem die Scheibe birst: Zu dem Zwischenfall kam es an Bord der Fähre "Tollerort". (Quelle: t-online)

Schreie, Stöhnen, alles voll Wasser: Im Sturm hat eine Welle die Fensterfront einer Hamburger Fähre zerstört. Schon das Video davon hinterlässt ein mulmiges Gefühl. Eine Passagierin berichtet, wie sich der Moment an Bord anfühlte.

So leicht lässt sich Monika Petersen normalerweise nicht von Wind und Wetter einschüchtern. Manch anderer hätte die Elbfähre vermutlich gar nicht erst betreten, als Orkantief "Ylenia" am Donnerstagmorgen durch Hamburg fegte und reihenweise Bäume mit sich riss. Aber Frau Petersen musste zur Arbeit, und am schnellsten geht es für sie nun einmal mit dem Schiff.

Also nahm sie wie üblich die "Tollerort", um vom Fähranleger Teufelsbrück zum Airbuswerk auf der anderen Elbseite zu gelangen, wo sie in der Kantine arbeitet. Sie setzte sich fast ganz nach vorne auf die rechte Seite und blieb, wie ein Video aus dem Inneren der Fähre belegt, zuerst noch bemerkenswert entspannt, während das Schiff im schweren Seegang kräftig durchgeschüttelt wurde, sich bedrohlich über die Wellen hob und dann wieder hart aufs Wasser klatschte.

Hamburgerin: "Das war wie im Katastrophenfilm"

Bis zu dem Moment, als auf einmal ein besonders mächtiger Brecher die "Tollerort" mit voller Wucht traf: Das Sicherheitsglas der Fensterfront explodierte förmlich – und dort, wo die 47-Jährige eben noch im Trockenen saß, schoss jetzt plötzlich Wasser mit Macht herein, überspülte sie und die anderen Fahrgäste im vorderen Bereich komplett.

"Die Splitter flogen uns um die Ohren", berichtet Monika Petersen am Tag danach t-online. "Das lässt sich gar nicht beschreiben, das war wie im Katastrophenfilm, wie auf der 'Titanic'. Ich hatte echte Todesangst."

"Will gar nicht dran denken, was mitten auf der Elbe passiert wäre"

Auf dem Video aus der Fähre, das schnell in den sozialen Netzen kursierte, hört man spitze Schreie und dumpfes Stöhnen. Die Menschen retten sich in den hinteren Teil des Schiffes, bleiben dabei aber verhältnismäßig ruhig.

Während das Wasser der Elbe an Bord hin und her schwappt, ist von großer Panik zumindest nach außen hin nichts zu erkennen.

Aber innerlich brodelte es: "Wir standen alle unter Schock", sagt Petersen. "Zum Glück waren es nur noch ein paar Meter bis zum Anleger. Ich will gar nicht dran denken, was passiert wäre, wenn uns die Welle mitten auf der Elbe getroffen hätte."

"Meine Finger bluteten und überall klebten kleine Glassplitter"

Die Passagiere schwankten von Bord. "Nach den bisherigen Erkenntnissen waren die beiden Frontscheiben der knapp 30 Meter langen Fähre bei starkem Seegang durch Frontalwellen geborsten. Die Polizei verzeichnet drei Leichtverletzte", heißt es nüchtern in der Mitteilung der Polizei Hamburg zum Vorfall.

Eine dieser Leichtverletzten ist Frau Petersen, im Polizeibericht "w/47" genannt: "Meine Finger bluteten", erzählt sie, "überall klebten kleine Glassplitter, auch meine Tasche war voll davon. Meine Brille ist kaputtgegangen und ich war von Kopf bis Fuß pitschnass."

Der Kapitän der Fähre bemerkte den Unfall erst später

Unglaublich: Sie ließ sich vom Betriebsarzt versorgen – und arbeitete dann, als sei nichts geschehen. Den ganzen Tag habe sie in vollkommen durchnässten Schuhen in der Kantine gestanden, sagt sie.

Ebenfalls kaum zu fassen: Der Kapitän der Fähre hatte von dem Zwischenfall offenbar zunächst gar nichts mitbekommen. "Erst als wir ihm von Land aus zugewunken haben, hat er das alles registriert", erzählt Monika Petersen.

Hadag: "Zu keinem Zeitpunkt Gefahr für Schiff und Leben der Menschen"

Jetzt will die Hadag, die die Fähren im Hamburger Hafen betreibt, den Fall genau untersuchen. Denn eigentlich sollte das Sicherheitsglas "seeschlagfest" sein. "So etwas ist noch nie passiert", beteuerte Hadag-Vorstand Tobias Haack. Und auch wenn zu keinem Zeitpunkt Gefahr für das Schiff oder das Leben der Menschen an Bord bestanden habe: "Das muss aufgearbeitet werden."

Monika Petersen wird ebenfalls noch eine Weile an der Sache zu knapsen haben. "Der Schock sitzt tief", sagt sie. "Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal mit der Fähre zur Arbeit fahren kann. Heute habe ich jedenfalls den Bus genommen."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Monika Petersen
  • Gespräch mit Hadag-Vorstand Tobias Haack
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