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Corona in Kiel: Kinos ächzen unter erneutem Lockdown


"Alles muss mit Augenmaß passieren"
Kieler Kinos ächzen unter erneutem Lockdown

Von Sven Raschke

31.10.2020Lesedauer: 5 Min.
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Kieler Studio Kino (Symbolbild): Ab Montag ist das Kino erneut geschlossen.Vergrößern des Bildes
Kieler Studio Kino (Symbolbild): Ab Montag ist das Kino erneut geschlossen. (Quelle: Sven Raschke)

Kinos müssen im November wieder schließen – auch in Kiel. Die vielen kleinen Filmhäuser trifft der "Lockdown Light" hart.

Der erneute Lockdown war für das Kieler Studio Kino am Ende bereits abzusehen gewesen, als am späten Dienstagnachmittag die Entscheidung in Berlin fiel. Weniger hart trifft sie das Filmtheater am Dreiecksplatz deshalb nicht. Wie alle Lichtspielhäuser in Deutschland muss das Traditionskino ab Montag für den gesamten November die Tore schließen. Bei den Betreibern trifft das auf wenig Verständnis.

"Einen Lockdown finden wir unverhältnismäßig", sagt Dennis Jahnke, einer der beiden Betreiber des Filmtheaters. "Wir schließen gern für die Sache, wenn wir damit helfen können. Aber alles muss mit Augenmaß passieren."

Jahnke zitiert eine Studie der Technischen Universität Berlin, nach der die Aerosolbelastung in Kinos deutlich geringer ist als in einem durchschnittlichen Büro. "Das heißt wir pumpen hier irre Mengen an Frischluft durch. Die Menschen sitzen weit auseinander, sie blicken nach vorn und reden nur, mit wem sie gekommen sind. Nach unseren Kenntnissen gibt es weltweit noch keine einzige nachgewiesene Ansteckung in einem Kino."

So sieht es auch Jan Sellner, Geschäftsführer des Metro-Kinos in der Holtenauer Straße. "Eine Reaktion an sich halte ich für angemessen. Aber mit Kneipen, Bars und anderen schwer zu kontrollierenden Veranstaltungen mit in einen Topf geworfen zu werden, da fehlt das Augenmaß. In einem Kino, wo man ohne Alkohol weit auseinander sitzt – da sehe ich keine Gefahr."

Ein katastrophales Jahr

Bereits vor der zweiten Zwangsschließung blicken die Kieler Kinos auf ein katastrophales Jahr. "Es lief auch schon so beschissen", sagt Dennis Jahnke vom Studio Kino. "Wir mussten ein sehr gesundes Unternehmen im März schließen, die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Und auch seit der Wiedereröffnung lief es äußerst schlecht." Gerade einmal zu 25 Prozent seien die drei Säle im Durchschnitt ausgelastet.

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Ähnlich sieht es in Kiels anderen Kinos aus. Von 30 Prozent Auslastung spricht Andreas Steffens, Kinoleiter bei der Traum GmbH im Grasweg, und Jan Sellner vom Metro-Kino resümierte noch unmittelbar vor Bekanntwerden des Lockdowns am Dienstag trocken: "Im Augenblick kann man kein Geld verdienen." Als dann die Entscheidung bekannt wurde, äußerte Jahnke vom Studio Kino enttäuscht: "Jetzt muss ich 20 studierende Aushilfskräfte anrufen und ihnen sagen, dass sie sich für die nächste Zeit eine andere Beschäftigung suchen müssen. Diese Mini-Jobber sind bei den Hilfspaketen überhaupt nicht bedacht." Für das schon bisher dramatisch schlechte Geschäftsjahr ist die Corona-Krise gleich auf mehrere Weisen verantwortlich.

Hollywood verschiebt Blockbuster-Premieren

Punkt eins: Die großen Blockbuster, vor allem aus Hollywood, fallen weg. Die Ausnahme bildete "Tenet", der dann auch entsprechend die Zuschauer in die Kinos lockte. Im Studio Kino wurde er deshalb gleich in zwei Sälen gespielt. "Dieser Film hat sich insgesamt für die Branche gerechnet", sagt Jahnke. "Aber Tenet war ein Einzelfall seit der Wiedereröffnung. Alle anderen großen Filme werden immer wieder verschoben oder gleich gestreamt. Und wir befürchten, dass das auch im Januar noch so weitergeht." So wurde etwa der neue "Bond"-Film, die andere große Hoffnung der Branche, zuletzt in den April 2021 verschoben.

Punkt zwei: die Corona-Auflagen. 1,5-Meter-Abstand bedeuten für das Studio Kino, dass um eine Einzelbuchung in der Mitte eines Saales 16 Sitzplätze rund herum leer bleiben müssen. Selbst wenn im besten Fall nur große Gruppen Sitzplätze reservieren würden, könnte maximal ein Drittel der knapp 400 Sitzplätze des Kinos belegt werden.

Und trotz der geringeren Besucherzahlen ist der Aufwand für die Betreiber kaum gesunken. Strom- und andere Nebenkosten sind gleich geblieben. "Und die Buchungen sind viel aufwändiger geworden", erklärt Jahnke. "Du musst fast jeden Gast einzeln betreuen, um die Sitzordnung zu erklären und zu schauen, dass die Regeln eingehalten werden. Der Personalbedarf ist deshalb nicht weniger geworden. Die Arbeitsbelastung ist höher, und auch der psychische Druck." – "Es ist so ein bisschen das Gefühl von getrieben werden", bestätigt Mitbetreiber Matthias Ehr. "Das halten wir nicht mehr lange durch." Sein Kollege bestätigt: "Mit der Schließung ab Montag haben wir den Punkt erreicht, an dem es sehr sehr kritisch für uns wird – wie für alle Kulturbranchen."

Angst vor Virus hält Besucher fern

Besonders schwer machte es den Kieler Kinos schon zuvor Punkt drei: das Unsicherheitsgefühl der Menschen. "Wir hatten gerade eine Flut von Stornierungen", sagt Jahnke. "Die Leute sind vorsichtig, weil sie befürchten, dass sie hier in einem rappelvollen Kinosaal dicht an dicht sitzen."

Um die Botschaft des Kinos als sicherer Ort an die Menschen zu tragen, hatte Dennis Jahnke vor einem Monat zusammen mit anderen Kinobetreibern aus Schleswig-Holstein den Kinoverbund-SH gegründet. Zweck des Verbundes ist auch, gegenüber der Politik landesweit mit einer starken Stimme auftreten zu können.

"Wir sind sehr dankbar für die Soforthilfen", sagt Jahnke. "Aufgrund unserer Größe hatten wir 15.000 Euro erhalten." Zusätzlich gab es diverse Hilfen über Kulturförderkanäle auf Landes- und Bundesebene. Nun ist weitere Unterstützung im Zuge des zweiten Lockdowns zu erwarten. Die bisherigen Überbrückungshilfen hatten beim Studio Kino 80 Prozent der Fixkosten gedeckt. Jahnke: "Aber die Löhne gehören laut Definition nicht dazu. Das sind sie aber für uns sehr wohl. Und die Unternehmerlöhne genauso. Von denen müssen wir leben und unsere Familien ernähren."

Das staatliche Hilfsangebot in Form günstiger Kredite hält Jahnke für wenig sinnvoll. Schließlich müssten diese irgendwann zurückgezahlt werden, ohne dass die gegenwärtigen Einnahmeverluste nach der Krise wieder ausgeglichen werden könnten.

Wichtiger noch als weitere Unterstützung wäre für Jahnke und Ehr nach dem Ende des Lockdowns eine Lockerung der Corona-Auflagen. Ehr: "Die bisherigen Regelungen waren für die Anfangsphase schon verständlich. Wir reden ja nicht von einer harmlosen Grippe. Was ich mir jetzt aber wünschen würde, wäre ein differenzierteres Hinschauen von Branche zu Branche." Das hieße nach Wunsch der Studio Kino-Betreiber wie auch des Kinoverbund-SH: Eine Verringerung des Mindestabstands in Kinosälen, um eine höhere Auslastung zu ermöglichen.

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Keine befriedigenden Lösungen

Die Landesregierung hatte genau dies vor einigen Wochen angeboten, allerdings unter der Bedingung einer Maskenpflicht während der Vorstellungen. Doch das ist für die Studio Kino-Betreiber keine Option. "Das wäre für uns eine katastrophale Lösung", sagt Jahnke. "Erstens würden die Gäste das nicht mittragen. Und der Verzehr würde dann wegfallen – und von dem leben wir." Die wichtigste Forderung von Jahnke, Ehr sowie dem frisch gegründeten Kinoverband versteht sich nach allem bisherigen selbst. Jahnke: "Dass wir auf keinen Fall wieder geschlossen werden."

Solange schlägt sich das Studio Kino irgendwie durch. "Wir werden versuchen, nach dem Lockdown auch weiter Veranstaltungen neben den Filmen zu organisieren", sagt Jahnke. So können Unternehmen Meetings in den gut belüfteten Sälen abhalten. "Aber das wiegt auf keinen Fall die Umsatzeinbußen auf. Und auch diese Veranstaltungen werden zuletzt massenhaft abgesagt, weil es vielen zu riskant erschien. Es ist ein wahnsinniges Hin und Her, weil man nicht weiß, was für politische Entscheidungen als nächstes kommen."

Kinofans stehen den Betreibern bei

Mut macht den beiden Betreibern die Unterstützung durch die Gäste. "Die ist einfach phänomenal!", sagt Matthias Ehr. "Während der ersten Schließung wurden sehr viele Gutscheine gekauft, teils nicht einmal, um sie einzulösen" Neulich habe ein Gast 80 Euro Trinkgeld gegeben, mit dem Kommentar: "Das Geld hätte ich ja sonst auch hier gelassen." – "Da sind auch Tränen bei den Mitarbeitern geflossen", sagt Ehr. "Da ist wahnsinnig viel Solidarität. Das ist Gold wert, auch für die eigene Psyche."

Mit 65 Prozent weniger Umsatz als 2019 rechnen Jahnke und Ehr am Ende des Jahres. "Das ist die optimistische Rechnung – und noch ohne den zweiten Shutdown", so Jahnke. An Aufgeben denken sie nicht. "Es ist nicht nur ein wirtschaftlicher Betrieb sondern auch eine Leidenschaft", sagt Jahnke. Auch sein Geschäftspartner Ehr bleibt trotz allem optimistisch: "Wir lassen uns von so einem scheiß Virus nicht unterkriegen. Wir haben hier schon früher wirklich harte Zeiten durchgemacht. Frag mich nicht wie, aber wir schaffen das auch diesmal!"

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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