Besitzerin des "zwoeinz" im Gespräch "Das Kwartier hat seinen schlechten Ruf nicht verdient"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Marie-Katrin Kluge und Lukas Winkelmann geben ihre Bar "zwoeinz" nach zehn Jahren ab. Im Interview erzählt Kluge, wie sich das Feiern im Viertel verändert hat.
Das "zwoeinz" auf der Hochstadenstraße hat alle Eigenschaften, die es für eine gute Bar braucht: es ist klein, es ist schummrig, es liegt im Keller, es hat eine Disco-Kugel und bietet Konzerte und Partys. In den zehn Jahren seit der Eröffnung 2013 haben sich die Besitzer der Kellerbar mit ihrem Konzept viele Stammgäste "erarbeitet". Trotzdem macht das Besitzer-Duo Marie-Katrin Kluge und Lukas Winkelmann im Februar Schluss.
t-online hat Marie-Katrin Kluge in den letzten Tagen vor der Übergabe an die neuen Betreiber getroffen und mit ihr über die Entwicklung des Kwartier Latängs, die Sicherheitslage an Karneval und ihre Liebe zum Veedel gesprochen.
t-online: Frau Kluge, Karneval 2023 wird der letzte Karneval für Sie im "zwoeinz" sein. Nach zwei Jahren Pandemie rechnen viele Kölner mit einem nie dagewesenen Ansturm. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Marie-Katrin Kluge: Wir werden in diesem Jahr das erste Mal mit vorab verkauften Tickets arbeiten. Für Altweiber haben wir 100 Karten verkauft, es kommen nur Gäste mit Ticket in die Bar. Das Ordnungsamt hat uns versichert, dass sie unsere Gäste durch die Absperrungen hindurch lassen – auch wenn das Veedel vielleicht wieder wegen Überfüllung der Zülpicher Straße abgeriegelt werden sollte.
Am 11.11.2022 war das schon mittags der Fall, die Zülpicher Straße war völlig überfüllt. Auch vor der Pandemie war das häufig so. Was bedeutet das für die Gastronomen der umliegenden Straßen?
Ganz einfach: Die Zülpicher Straße war rappelvoll, bei uns hingegen war sowohl die Straße als auch die Bar gähnend leer. Gäste haben uns angerufen und berichtet, dass sie nicht zu uns durchgelassen werden.
Wurden Sie zuvor gar nicht in die Pläne der Stadtverwaltung einbezogen?
Kaum. 2017 fiel der 11.11. auf einen sonnigen Samstag und eskalierte im Kwartier Latäng völlig, die Stadt hat folglich an Weiberfastnacht 2018 ganz kurzfristig und völlig überraschend für die meisten Gastronomen Absperrgitter aufgebaut. Wir wussten nichts davon und mussten mit ansehen, wie unser Veedel "abgeriegelt" wurde. Daraufhin haben wir 2018 die Interessengemeinschaft "Gastro Kwartier Latäng" gegründet, um uns besser zu vernetzen und mitreden zu können. Kurze Zeit später wurde dann auch die große "Interessengemeinschaft Gastro" (IG Gastro) gegründet. Jetzt sind wir zu "runden Tischen" eingeladen, um im Vorfeld zu Karneval mit der Stadt gemeinsam zu überlegen, wie ein Sicherheitskonzept aussehen könnte. Leider wird aber meiner Meinung nach zu wenig auf uns Gastronomen und auf Menschen, die Großveranstaltungen organisieren, gehört.
Warum nicht?
Wir werden oft – auch in den Medien – dargestellt, als wären wir Teil des Problems. Dabei sind wir Teil der Lösung: Solange die Gäste bei uns sind, sind sie sicher, sie können hier auf die Toilette gehen und ihren Müll entsorgen. Im zwoeinz haben wir auch immer dafür gesorgt, dass es vor unserer Tür sauber bleibt, die Leute nicht zu laut sind. Was passiert, nachdem wir morgens unseren Laden abschließen, können wir aber nicht kontrollieren. Wenn morgens ein Döner vor dem Laden liegt oder jemand zwischen parkende Autos gepinkelt hat, ist das sicherlich nach unseren Öffnungszeiten passiert, wird dann aber leider oft uns in die Schuhe geschoben.
Das Sicherheitskonzept für den Straßenkarneval auf der Zülpicher Straße wurde gerade wieder angepasst. Am 11.11. gab es nur einen Zugang zur Feiermeile, jetzt wieder zwei. Wie stehen Sie dazu?
Mein Eindruck ist, dass dieses Sicherheitskonzept von Anfang an falsch aufgesetzt wurde. Und jetzt wird es jedes Jahr weiter "verschlimmbessert". Vor dem 11.11.2022 haben sich viele Gastronomen gegen das Konzept ausgesprochen, viele Tausend Menschen durch einen einzigen Eingang leiten zu wollen, und keine Ausweichprogramme anzubieten. Lukas und ich haben uns im November da schon raus gehalten, weil wir uns mit der Übergabe des zwoeinz beschäftigt haben.
Die Stadt verweist oft darauf, dass sie gegen die "Ballermannisierung" des Karnevals nichts tun kann, junge Leute würden heute eben anders feiern als früher. Ist das so?
Definitiv hat sich das Feierverhalten verändert. Und das fing meiner Meinung nach mit dem Rauchverbot an. Seitdem das 2013 eingeführt wurde, stehen viel mehr Leute draußen auf der Straße, es kommt zu mehr Konflikten zwischen Anwohnern und Gästen. Hinzu kam dann die Pandemie: Die Menschen wurden quasi dazu erzogen, sich draußen aufzuhalten anstatt in geschlossenen Räumen. Also stehen nun noch mehr Menschen mit einem Kioskbier auf der Straße. Dazu ist das Kioskbier natürlich viel günstiger, wer kann es ihnen also verübeln? Natürlich gab es in Köln schon immer eine große Kiosk-Kultur, aber seit Rauchverbot und Pandemie trinken die Leute noch mehr auf den Straßen – und dann müssen sie eben auch irgendwo auf die Toilette gehen und ihren Müll entsorgen.
Und die Anwohner? Sind die empfindlicher geworden?
Ich denke schon, vor allem in der Pandemie. Die Ruhe, die sie in der Zeit hatten und vielleicht auch richtig genossen haben, sind sie jetzt irgendwie gewohnt. Wir haben unsere Lautstärke bei den Partys schon ziemlich runtergedreht, aber trotzdem bekommen wir seit Corona viel mehr Anrufe von Nachbarn, die sich gestört fühlen. Und das trifft ausgerechnet auf eine "Jugend", die etwas nachzuholen hat. Da sind Konflikte vorprogrammiert.
Trotzdem sind es nicht diese Konflikte, die Sie nun zu dem Entschluss geführt haben, die Bar abzugeben.
Nein, das hat vor allem private Gründe. Mein Kollege und ich haben mittlerweile beide Familie, die Arbeitszeiten in einer Bar sind damit nur schwer vereinbar. Außerdem finden wir, man sollte aufhören, so lange es noch Spaß macht und wir uns nicht zur Arbeit quälen müssen. Zehn unfassbar tolle Jahre liegen hinter uns, wir haben unser ganzes Leben um diese Bar aufgebaut, aber irgendwann muss man weiter ziehen. Deshalb geben wir die Bar nun in gute Hände ab und sind froh, neue Besitzer gefunden zu haben, die den Namen und das Konzept "zwoeinz" im Großen und Ganzen weiterführen.
Wie geht es für Sie persönlich weiter?
Ich nehme mir erstmal eine kurze Auszeit und schaue dann weiter. Eventuell baue ich mein zweites Standbein, das Catering, aus.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kwartiers Latäng?
Dass unser Veedel wieder positive Schlagzeilen macht. Das Kwartier Latäng hat seinen schlechten Ruf nicht verdient. Es gibt hier viele Menschen, die sich engagieren. Und es nervt mich, dass alle nur noch ins Belgische oder in die Südstadt gehen wollen, obwohl ihnen hier eigentlich alles geboten wird. Das Kwartier Latäng ist nicht nur die Zülpicher Straße, sondern hat sehr viele tolle Ecken mit fantastischen Läden und einer großartige Geschichte.
- Gespräch mit Marie Kluge