Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Endstation Tierheim "Das tut uns höllisch weh"

Das Tierheim Köln-Zollstock versorgt rund 300 Tiere – Hunde, Katzen, Kaninchen und sogar Schildkröten. Trotz Unterstützung ist die Einrichtung am Limit.
Als Tierpflegerin Elke Sans an seinen Zwinger tritt, macht sich der kleine Beagle Timo ganz lang. Aufgeregt stellt sich der Hund auf die Hinterbeine, legt die Vorderpfoten auf den Gitterstäben ab. Von Elke Sans lässt sich Timo gerne ein Leckerchen geben und sogar an der Schnauze kraulen. Das ist nicht selbstverständlich. Denn Timo kam bereits mehrfach in das Tierheim Köln-Zollstock zurück. Zweimal schon zog er zum Wohnen auf Probe zu möglichen neuen Besitzern, griff diese aber an. Trotz seines niedlichen Aussehens ist Timo daher nur schwer zu vermitteln.
Der Beagle ist einer von etwa 50 Hunden, die aktuell in dem Tierheim leben. "Wenn wir aber könnten, wie wir wollten, hätten wir hier 200 Hunde", sagt Elke Sans. Um mehr Tiere zu beherbergen, fehlt der Einrichtung jedoch der Platz. Neuaufnahmen muss das Tierheim daher oftmals ablehnen. Pro Woche, berichtet Sans weiter, bekomme das Tierheim etwa zwölf Anfragen von Menschen, die ihre Hunde abgeben wollen. "Da müssen wir häufig Absagen erteilen, was uns selbst immer höllisch wehtut", sagt sie.
Oftmals sei der Grund für die Abgaben, dass die Besitzer mit ihren Tieren überfordert sind. 80 Prozent der Hunde in der Einrichtung seien wie Timo verhaltensauffällig, sagt die Tierpflegerin, die seit dem Jahr 2003 in Zollstock arbeitet.
"Früher waren die Tiere wie Familienmitglieder"
Die Auffälligkeiten der Hunde seien häufig hausgemacht. Meist sei es mangelnde Erziehung durch Herrchen und Frauchen. Das würde dazu führen, dass ihnen der Hund auf der Nase herumtanzt. Statt am Verhalten der Hunde zu arbeiten, würden diese dann ausgesetzt oder im Tierheim abgegeben. "Viele Menschen holen sich ein Tier ins Haus, ohne über die Konsequenzen nachzudenken", sagt Sans und weiter: "Früher waren die Tiere wie Familienmitglieder. Heute werden sie abgegeben, wenn sie lästig werden."
Tierheim in Köln: Dramatische Situation auf der Katzenstation
Auch auf der Katzenstation des Tierheims ist die Situation dramatisch. 70 Kater und Katzen leben in der Einrichtung. Auch hier zeigt sich die Nachlässigkeit der Menschen. Seit dem Jahr 2018 sind Halter von Katzen dazu verpflichtet, ihre Tiere kastrieren beziehungsweise sterilisieren zu lassen. In der Praxis aber zeigt sich: Vier Fünftel der Katzen, die in das Tierheim Zollstock kommen, sind nicht kastriert. Die Katzen vermehren sich quasi ungehindert, was dazu führt, dass mehr von ihnen in einem Tierheim landen.
Nicht kastriert und nicht geimpft
Bei den Impfungen zeichnet sich ein ähnliches Bild. Viele der Katzen sind ungeimpft oder werden mit einem gefälschten Impfpass aus dem Ausland geholt. Dadurch können sich Krankheiten in den Tierheimen ausbreiten – Katzenstationen müssen unter Quarantäne gestellt werden, Neuaufnahmen oder Vermittlungen sind dann nicht mehr möglich.
Eine dieser Krankheiten ist die Parvovirose, auch Katzenseuche genannt. Die Symptome der Krankheit sind vielseitig, reichen von Fieber und Apathie bis zu Durchfall und Erbrechen. Unbehandelt verläuft die Katzenseuche in den meisten Fällen tödlich. Elke Sans erzählt, im Tierheim Zollstock seien zuletzt vier Kitten an dem Virus gestorben. Die jungen Tiere konnten trotz Behandlung nicht gerettet werden.
Etwa 300 Tiere leben im Zollstocker Tierheim
Außer um Katzen und Hunde kümmern sich die Tierpfleger in Zollstock auch um Kleintiere wie Kaninchen und Meerschweinchen. Hinzu kommen Vögel, Schildkröten, Schlangen und manchmal sogar Schweine. Insgesamt betreuen die 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktuell etwa 300 Tiere – Tag und Nacht, rund ums Jahr.
Dabei finanziert sich das Tierheim überwiegend durch Spenden. Die Stadt Köln unterstützt das Tierheim zwar finanziell, aber nur bei der Versorgung von Fundtieren. In Deutschland sind die Gemeinden dazu verpflichtet, für die Fundtiere Sorge zu tragen. Die Stadt Köln hat dafür Verträge mit den Tierheimen in Zollstock und Dellbrück unterzeichnet.
Die Tierheime müssen Plätze für Fundtiere freihalten. Im Gegenzug erhalten sie eine finanzielle Unterstützung, wenn sie sich im Auftrag der Stadt um ein solches Tier kümmern. Pro Tier gibt es einen Tagessatz, der die grundlegende Versorgung der Fundtiere durch das Pflegepersonal und eine erste medizinische Behandlung deckt.
"Wir kriegen nichts geschenkt"
Geld für weitere Tierarztbesuche muss gesondert beantragt werden, alles wird genau abgerechnet. Wird die Kostenübernahme für eine Behandlung von der Stadt abgelehnt, müssen die Aufwendungen aus der eigenen Kasse bezahlt werden. Auch finanzielle Mittel für Neubauten oder Renovierungsarbeiten erhalten die Tierheime von der Stadt nicht. "Der Vertrag deckt viele Kosten, aber nicht alle", berichtet Elke Sans. "Wir kriegen nichts geschenkt." Für Tiere, die von ihren Haltern im Tierheim abgeben werden, kommt die Stadt überhaupt nicht auf.
Aufgeben ist für die Mitarbeiterinnen im Tierheim Zollstock aber keine Option. Dafür liegen ihnen ihre Schützlinge zu sehr am Herzen – auch die schwierigen Fälle wie der schnappende Beagle Timo. Elke Sans hofft, dass der Rüde auch noch ein Zuhause findet, in dem sich erfahrene Hundehalter liebevoll um ihn kümmern. Bis dahin übernehmen diese Aufgabe weiter Elke Sans und ihre Kolleginnen.
- Reporter vor Ort