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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Bombenentschärfung in Köln Eine Stadt steht still – aber das "Kölsche Jeföhl" nicht

Drei Bomben, 20.000 Evakuierte, gesperrte Brücken: Köln stand am Mittwoch still. Doch statt Chaos herrschte Gelassenheit – mit Kölsch und Kaffee.
Eine Stadt wird lahmgelegt. Drei Fliegerbomben, über 20.000 Evakuierte, gesperrte Brücken, gestoppte Züge, eine verlegte RTL-Sendung. Der gestrige Mittwoch hätte ein Tag der Nervosität, der Gereiztheit, der Aufregung sein können. War es aber nicht. Nicht in Köln. Hier funktionierte der Ausnahmezustand – und zwar wie bereits nach Terrorwarnungen an Karneval, erstaunlich gelassen.
Innerhalb von zwei Tagen, seit klar war, dass Köln die größte Evakuierungsaktion seit dem Zweiten Weltkrieg bevorsteht, stand die Domstadt ungewollt im Mittelpunkt bundesweiter Berichterstattung. Das Deutzer Stadthaus wurde kurzfristig zum Medienzentrum, beim Presserundgang durch das abgesperrte rechtsrheinische Stadtgebiet und beim anschließenden Besuch des Evakuierungszentrums hielten weit angereiste Kollegen ihre TV-Kameras auf Kölner Bürger und fragten, in fast schon mitleidigem Tonfall nach: "Und wie geht es ihnen, mit dieser Ausnahmesituation?" Die Antwort meist, wie die der 78-jährigen Elisabeth Schön: "Ja Jut. Et hät noch immer Jut jegange."
Statt einer dramatischen, eventuell fernsehtauglichen Aussage, berichtete Frau Schön in aller Ruhe über ihren bisherigen Tag, an dem sie ihre Wohnung verlassen musste: Sie freue sich, hier heute im Evakuierungszentrum auf dem Messegelände mit ihrer Freundin Kaffee zu trinken und "ein bisschen zu quatschen."
Das "Kölsche Jeföhl" ist schwer zu beschreiben – Man muss es erleben
Die Kollegen zeigten sich teilweise verwirrt über so viel Gelassenheit. Aber als Kölner Lokalreporter weiß man: So sind sie eben, die Domstädtler. Man harrt aus und macht das Beste aus der Situation. Schwer zu beschreiben, dieses "Jeföhl", man muss es einfach erleben.
Das "kölsche Jeföhl" ist kein esoterischer Begriff. Es ist Haltung. Eine Art, mit Dingen umzugehen, die man nicht ändern kann. Statt sich aufzuregen, rückt man zusammen. Statt zu klagen, bestellt man ein Kölsch. Wie im Brauhaus Gaffel am Dom, das ab 10 Uhr 100 (nicht alkoholische) Getränke verteilte und "Asyl" gewährte. "Die großzügige Sonnenterrasse mit Blick auf den Dom bietet Raum zum Verweilen." Das klingt mehr nach Urlaub als nach Ausnahmezustand.
Übrigens: Erst nach drei Stunden waren die Freigetränke ausgegeben. Nicht, weil die Schlange zu lang war, sondern weil man in Köln auch in Krisen nicht vergisst, dass man Zeit hat. Und Anstand.
Was von der großen Bombenentschärfung bleibt, ist kein Spektakel. Sondern der Eindruck einer Stadt, die selbst im Ausnahmezustand weiß, wer sie ist. Und was sie zusammenhält.
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